Heute reisen wir zu INDIENs AYURVEDA-KÜCHEN.
Die finden wir vor allem in Varanasi, einer Stadt am Ostufer des Ganges. Mutter Ganga sorgt für Gesundheit, Wohlstand und Erlösung. Am Wassersaum verehren die Hindu Shiva, den Gott der Zerstörung und des Neubeginns.
Seit Jahrtausenden vertrauen die Menschen Indiens der Heilkraft spiritueller Riten, aber auch der ayurvedischen Medizin. Ayur und veda bedeutet die Wissenschaft vom langen Leben.
Ayurveda ist aber vieles in einem; auch ein Kochstil. Ayurvedisches Essen ist sättigend wie auch gesundheitsfördernd. Entschlackung und Reinigung als Vorbeugung vor zahlreichen Krankheiten stützen die biophysiologischen Kräfte des Körpers. Das gilt auch für die Gerichte, die nach dem ayurvedischen Prinzip gekocht werden. Es ist vor allem eine vegetarische Kost, wobei Fleisch per se nicht ausgeschlossen wird.
Aber muss man nach Indien fahren, um ayurvedisch Kochen zu lernen? Nein! Auf der Chiemseer Fraueninsel kocht im Benediktinerinnenkloster von Frauenwörth Nicky Sitaram Sabnis vegetarische Ayurvedakost für die Kursteilnehmer:innen dort, die sich in Achtsamkeit, Qigong und anderen Lebensorientierungen üben. Sabnis ist Inder mit einer bewegten Biographie und eher zufällig in Bayern gestrandet. Im nordindischen Staat Uttar Pradesh geboren, arbeitet er nun seit 45 Jahren als Ayurveda-Koch, davon mittlerweile 30 Jahre in Bayern. Kochen hat er von seiner Mutter und seinen Tanten gelernt. Sabnis vermittelt in unzähligen Kursen und mit seinen inzwischen 11 Kochbüchern die indisch-ayurvedische Küche. Diese Landesküche ist unmittelbar mit der ganzheitlichen Heilkunst verknüpft. In Südostasien seit Jahrhunderten in der Bevölkerung verankert, wird sie von vielen tagtäglich angewendet.
In Sabnis aktuellem Kochbuch Happy India, das im Südwest Verlag herausgekommen ist, versammelt der Autor Rezepte, die ihm über all seine Jahre des Kochens am besten gefallen und geschmeckt haben. Darunter sollten sich auch einige befinden, die knapp vor dem Vergessen bewahrt wurden. Welche das sind, hat sich mir nicht erschlossen. In 12 Kapiteln pirscht sich der Koch an Chutneys & Pickles, Brot, Reis & Getreide, Hülsenfrüchte, Panir, Tofu & Eier, Gemüse, Fleisch, Fisch und Desserts sowie Getränke heran. Nicht ohne vorher einleitend auf die Gewürze und regionalen Küchen in Indien einzugehen. Aufgefallen sind hier einige lästige Wiederholungen, die einem aufmerksamen Lektorat ins Auge hätte springen müssen. Die Auswahl der Gewürze ist überschaubar, die Beschreibung knapp und gut verständlich. Angaben zur Lagerung und Fragen der Haltbarkeit fehlen. Auch wird später in den Rezepten nicht darauf eingegangen, welche der bspw. drei verschiedenen Senfkornsorten man verwenden soll. Allerdings ist das Übersichtsfoto der 19 Gewürze sehr informativ, weil auch einzelne von ihnen in unterschiedlichem Aggregatzustand gezeigt werden.
Die eingangs beschriebenen Basics von der selbstgemachten Kokosmilch über selbst gemachten Panir und Ghee bis zum einfachen Dal ist eine gute Auswahl, bis auf das Kokosmilchrezept, das wohl mehr ein Gag ist denn ernsthafte Aufforderung. Im Vorspann zu den Rezepten lässt Sabnis erklärende Hinweise wie auch ergänzende und bereichernde Tipps einfließen. Zwar erhält man bei allen Rezepten Auskunft, aus welchem Bundesstaat sie stammen, aber nicht, für wie viele Portionen bzw. Personen das Rezept ist.
Die Bandbreite der Rezepte ist vielfältig. Allein neun Brotsorten stellt Sabnis zur Disposition. Ich habe mich für Puran Poli, ein süß gefülltes Brot entschieden, das mit Kichererbsenmehl und Rosenwasser eine interessante Fülle erhält. Die Panir-Bällchen in Masalasauce heißen im Original Panir Kofta Masala und verweisen auf einen persischen bzw. türkischen Einfluss. Ein relativ junges Rezept, da die Kofta mit Maismehl gemacht werden und Mais bekanntlich aus der Neuen Welt stammt. Das Curry mit gebratenem Kürbis oder Kaddu Ki Subzi hat allen geschmeckt, die eine Kostprobe abbekamen. Mit diesem Gericht kam ich auf den Geschmack von Amchur, ein Gewürz aus grünen, unreifen Mangos, das eine frisch-säuerliche Note in die Gerichte bringt.
Happy India von Nicky Sitaram Sabnis ist sehr anregend gestaltet, die Rezepte sind mit ansprechenden Fotos ergänzt. Zu den Kapiteln gibt es einleitende kurze Beiträge zu den verschiedenen Esskulturen Indiens, über Schnellkochtöpfe u.a. Ein Wermutstropfen ist das Rezeptregister, das die Speisen im Originaltitel auflistet, kein Zugang über die deutschen Rezepttitel enthält, denn sie sind dem Originaltitel hintangestellt und nur mühsam zu durchforsten. Happy India verschafft einen guten, ersten Eindruck von der indischen Ayurvedaküche mit Schwergewicht vegetarisch ohne Anspruch auf Vollständigkeit.