Zuza Zak, POLSKA. Die neue polnische Küche

Mit Fotografien von Laura Edwards
Aus dem Englischen von Dörte Fuchs und Jutta Orth
Knesebeck Verlag, München, 2017, 256 Seiten, 30.80 Euro
ISBN 978-3-86873-958-9
Vorgekostet

Heute reisen wir nach POLEN.

Essen als Grenzziehung zwischen Kultur und Natur verstanden, wie es Wladimir Zarski ausdrückt, lässt den naheliegenden Schluss zu, dass die Polen ein besonderes Verhältnis zur Nahrungsaufnahme haben. Allein aus der Tatsache, dass der Begriff Polen sich vom slawischen Wort pole ableitet, was soviel wie Feld bedeutet. Und das verführt Zuza Zak zu einer nächsten Folgerung, nämlich ihr Heimatland Polen über die Küche zu definieren. Diese lieben, hegen und pflegen sie, behauptet Zak und tritt den Wahrheitsbeweis mit einem Kochbuch über die neue polnische Küche an. Polska, so der Titel, ist im Knesebeck Verlag erschienen.

In der Einleitung merkt sie an, dass die polnische Kultur eine Kultur der Gastfreundschaft ist, in der per se gerne gegessen, getrunken und gefeiert wird. Zu Hause gibt es das beste Essen, merkt Zuza an und taucht ab in ihre eigene Vergangenheit und die ihres Heimatlandes, auf Spurensuche einer nationalen Kochkultur. Und sie widmet dieses Kochbuch ihren beiden Großmüttern. Deren Frühstücke unterschieden sich wie Tag und Nacht. Oma Ziuta begann ihren Tag mit kasza, einem süßen Griesbrei, während Babcia Halinka kanapki bevorzugte, das ist Roggenbrot, belegt mit fein geschnittenem Braten, knackigen Salatblättern, Tomatenscheiben, Zwiebelringen, eingelegten Gewürzgurken und marinierten Paprikaschoten. Hier wird bereits deutlich, die polnische Küche ist ein melting pot vieler Kochkulturen. Alte Kochtraditionen der Juden, der Sinti und Roma treffen auf die aus jüngster Vergangenheit, wie die Milchbars aus kommunistischer Ära belegen. Zuza Zaks Polen-Kochbuch ist also auch ein Bericht einer Reise, zugegeben einer äußerst schmackhaften Expedition, durch ein Land, das viermal so groß wie Österreich ist und bis in die jüngste Vergangenheit Fremdeinflüssen ausgesetzt war. Der Historiker Norman Davies bezeichnete Polen als „Spielwiese Gottes“ – die Küchenkultur ist der Beweis. Neben litauischen, ungarischen, armenischen, gar französischen Spuren finden sich im polnischen Essen italienische und asiatische Einflüsse, am allermeisten aber die aus der ländlichen Küche Russlands. Kurz, die polnische Küche ist ein faszinierendes Konglomerat aus Bodenständigem und Fremdem. Zak macht das in der ausführlichen Einleitung deutlich. Liebevoll beschreibt sie die Regionen Polens, das Land im Wechselspiel der Jahreszeiten. Ansatzweise geht sie auf einige landesspezifische Zutaten ein, bspw. die gelben Wachsbohnen. Letztere Ausführungen hätten m. E. ausführlicher sein können, ebenso das Glossar über wichtige Zutaten am Ende des Buches. Äußerst knapp bleibt sie auch bei den Grundrezepten, die zwischen Glossar und Index geparkt sind. Hier werden landestypische Feinheiten wie Rosenkonfitüre, Lebkuchen, Sauerkraut oder Zasmazja, die polnische Mehlschwitze, fast kursorisch abgehandelt. Damit sind allerdings auch meine kritischen Anmerkungen beendet.

Inhaltlich nähert sich Zuza der polnischen Küche über neun Kapitel. Sie beginnt mit dem Frühstück, das den Polen nicht nur heilig ist. Es gilt auch eine Regel zu beachten, die einzige, dass mindestens ein warmes Gericht dabei sein muss. Und so startet dieses Kochbuch mit einer süßen Frühstückssuppe, der Kürbissuppe mit Zacierki-Klösschen. Aber es gibt auch Herzhafteres, wie Nalesniki, das sind Pfannkuchen mit einer süßen Zimt-Frischkäse-Mischung. Ich versuchte mich mit einem Zimt-Apfel-Auflauf, den ich allerdings nicht zum Frühstück bereitete, sondern für ein Mittagessen zu zweit. Geladen war mein Sohn Benjamin, ein Milchreisfan vor dem Herrn, denn der Zimt-Apfel-Auflauf enthält auch diese Zutat. Die Zubereitung ist äußerst einfach, was übrigens auf die meisten Gerichte in diesem Kochbuch zutrifft und ein Qualitätsmerkmal ist, wenn man auch dafür mit 60 Minuten rechnen muss. Allerdings war der kulinarische Genuss eine Wonne: das Säuerliche der Äpfel mit Muskat und Zimt verfeinert lässt dieses Gericht zu einem Dessert werden. Ausprobiert habe ich auch das Rührei mit karamellisierten Zwiebeln sowie das Roggenbrot mit Gzik. Das Rührei, mit Riesenchampignons und Kartoffeln ergänzt, genehmigte ich mir zum Mittagessen. Dabei hob das langsame Schmoren der gehackten Zwiebeln dieses Rührei in den Adelsstand. Das Roggenbrot mit Gzik erinnerte mich an das italienische Bruscetta. Der Aufstrich wird dabei aus einer Mixtur von twarog – das ist der polnische Feta-Käse -, Joghurt, feingeschnittenen Radieschen und Schnittlauch hergestellt und ist äußerst schmackhaft. Schnell und einfach zuzubereitet, ist dieser Brotaufstrich sehr erfrischend an heißen Sommertagen, wenn der Appettit ohnehin nicht groß ist. Zu einem guten Frühstück gehört auch Brot und deshalb sind im Frühstückskapitel auch einige Brotrezepte angegeben. Die meisten basieren auf Sauerteig oder sind mit Hefe angerührt wie das luftige Rosinenstangerl oder die einfachen Sesam-Dinkel-Brötchen. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit Buttervariationen. Die Rote Bete Butter löste einiges Erstaunen aus und schmeckte so gut, dass sie noch am gleichen Tag fertig war.

Das zweite Kapitel ist den Suppen gewidmet, die in Polen zu jeder Hauptmahlzeit serviert werden. Suppen spielen in diesem Land überhaupt eine wichtige Rolle. Ob zu Feiertagen oder sonstigen Anlässen: Eine Suppe kann für einen Brautwerber in traditionsbewussten Gegenden die Zustimmung (Erbsensuppe) oder das Njet bedeuten (Entensuppe). Zuza stellt einige Suppenschmankerln vor, wobei die Wildkräutersuppe mit Sauerampfer und jungen Brennnesseln einen Ehrenplatz in meinem Suppenhimmel bekam. Interessant fand ich die sahnige Erdbeer-Rhabarber-Suppe, die sich auch als Überraschungsdessert eignet. Gespickt mit Überraschungen sind die weiteren Kapitel, die dem Fleisch, dem Fisch, dem Gemüse und den Hülsenfrüchten, den Teigtaschen und Klößen, aber auch Partysnacks sowie Kuchen und Desserts und den Cocktails gewidmet sind. Die Bedeutung der Teigtaschen zeigt sich in der detaillierten Beschreibung der Herstellung in Skizzen. Die Pierogi, ob herzhaft oder süß gefüllt, schmecken jedem. Besonders angetan war ich von den rosaroten Sommer-Pierogi mit Erdbeerfüllung und Vanillesahne, die eingefärbt mit ein wenig Rote Bete Saft fast schon erotisch wirken.

Das Rezept, das ich Ihnen diesmal mitgebe, ist ein Partysnack und Verführer: Seelachs in pikant-roter Sauce. Wenn Sie anfangen, davon zu essen, dann können Sie nicht mehr so schnell damit aufhören, das garantiere ich Ihnen.

Anmutig und delikat sind die polnischen Gerichte. Wie die folkloristischen Zeichnungen, die am Einband und im Buch verteilt, farbenfroh für die slawische Esskultur stehen. Garniert mit wunderbaren Fotografien, von Gerichten und polnischen Landschaften. Fast schon übersinnlich ist das Foto der Birkenrinde mit zarten Pastellfarben, das dem Zimt-Apfel-Auflauf beigestellt ist. Überhaupt sind die Naturaufnahmen von Laura Edwards in zarten Gelb-, Grün- und Blautönen sehr erfrischend. Sie laden ein zum Verweilen und Details genauer zu betrachten, vermitteln so eine gewisse Leichtigkeit.

Zuza Zak ist mit Polska ein wunderbarer kulinarischer Reisebericht gelungen. Mehr noch: Sie zeigt uns ein Land und dessen Esskultur, das reich und vielfältig an Gerichten ist, wie es die meisten von uns kaum vermuten. Polen entpuppt sich als Schlaraffenland, das viele delikate Schmankerln parat hält, die darauf warten, entdeckt zu werden.

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