Taina Guedes, Die Küche der Achtsamkeit

MOTTAINAI: Nichts verschwenden, kreativ kochen, gesund essen

Mit Foodfotografien von Kathrin Koschitzki
Verlag Antje Kunstmann, München, 2017, 208 Seiten, 28.80 Euro
ISBN 978-3-95614-135-5
Vorgekostet

Heute reisen wir nach MOTTAINAI.

Das ist kein Land, nein, es ist ein japanisches Wort für eine bewusste Einstellung, für eine Haltung, es ist auch ein Schlüsselbegriff im Umweltbereich, der mit „Nichts verschwenden, was wertvoll ist“ übersetzt werden kann. Er drückt ein Gefühl des Bedauerns über die Verschwendung einer Sache aus. Die stellvertretende japanische Umweltministerin Wangari Matthai ist überzeugt, dass mottainai die effiziente Nutzung von Ressourcen ausdrückt, nämlich Reduzieren, Wiederverwerten und Recyceln. Ähnlich verwendet diesen Begriff Taina Guedes – eine Kochkünstlerin. Sie streicht mottainais buddhistische Wurzeln heraus, eine Art Dankbarkeitsbezeugung gegenüber den Lebensmitteln, die wir täglich verarbeiten. Jetzt wird verständlich, was die Vorstellung des Bedauerns über die Veschwendung bedeuten könnte. Ihr Küchencredo lautet: nichts verschwenden, kreativ kochen, gesund essen – eben mottainai. Das ist auch der Untertitel ihres Kochbuchs Die Küche der Achtsamkeit, das im Antje Kunstmann Verlag erschienen ist.

Die Autorin ist Brasilianierin, geboren in Sao Paulo mit einem Vornamen aus der indigenen Guarani Sprache. Taina bedeutet Sonnenstrahl oder Stern. Und es war wohl auch ein besonderer Stern am Küchenhimmel ihrer Geburtsstadt, als sie mit 19 Jahren ein japanisches Re- staurant eröffnete. Die asiatische Kochlinie verdankt sie ihrer Familie, die mütterlicherseits aus Japan stammt. In den 30er Jahren wanderte diese wie viele hunderttausend andere japanische Familien nach Brasilien aus. Taina ist also früh geprägt von Mutterns Küche, die eine fröhliche Mischung aus japanischem und brasilianischem Essenauf den Küchentisch zauberte. Später wird die Autorin, die übrigens eine ausgebildete Köchin ist, nach Japan reisen, um die Kochkunst des Shojin Ryori zu erlernen. Aber auch die väterlichen Essensvorlieben beeinflussen Guedes. Papa kocht gerne makrobiotisch und hat arabische Genanteile. Deshalb sind einige Rezepte geprägt von Körnern, frischem Gemüse, Couscous – eben makro-arabisch.

Heute lebt Taina Guedes in Berlin, mit all ihrem gesammelten Erfahrungsschatz vieler Länderküchen, den sie gerne weitergibt via Kochbuch; auch um unser Leben mit diesen besonderen Rezepten zu bereichern.

In zehn Kapiteln stellt sie ihre Rezepte vor, die immer dem mottainai-Prinzip geschuldet sind. Und da sie einer persönlichen, d.h. buddhistischen Haltung entsprechen, lassen sich biographische Einflüsse nicht ausklammern. So beginnt das erste Kapitel mit ihrem Kindheitsessen, das im mottainaischen Sinne ‚Erinnerungen bewahren‘ bedeutet. Kapitel vier heißt dann: Wie Brot ein langes Leben hat (im buddhistischen Sinne ‚Nichts verschwenden‘). In Kapitel sechs wird Guades Haltung zur lokalen, nachhaltigen Landwirtschaft sichtbar. Hier stehen Rote Bete, Gurken und Bohnen auf der Rezeptliste. In Kapitel neun geht es um Abfallverwertung oder ‚Nichts wegwerfen‘. Weitere Schwerpunkte setzt sie in Rettungsaktionen von Obst, Gemüse und Milch oder in der Verknüpfung von Kunst und Essen oder kochen, das den Sohn glücklich macht. Man sieht, die Zugänge dieses Kochbuchs weichen stark ab von denen traditioneller Kochbücher. Dennoch sind die einzelnen Rezepte sehr bodenständig, zum Teil sehr reduziert, meist einfach, einige wenige fast schon provokant minimalistisch. Simpel dünken daher die Vorschläge in Kapitel zwei, das der Küchenphilosophie Shojin Ryori gewidmet ist. Shushimaki mit Gemüseschalen von Kartoffeln, Karotten und Gurke ist gar ein Abfallessen, das zugegebenermaßen gar nicht so schlecht ist, wie es der Titel vermuten lässt. Kakiage ist herausgebackenes Gemüse, das mit etwas mehr Würzen sogar hervorragend schmeckte. In diesem Kapitel kommen die Puristen der japanischen Küche zum Zug, denn die häufig verwendeten Zutaten sind Tofu, Yuba (getrocknete Haut der Sojamilch), Sojabohnen und einiges mehr. Also für manche ein Experimentierfeld. Das Prinzip Körper und Geist zu nähren wird auch praktisch angewendet, wenn empfohlen wird, möglichst nur mit den Händen und ohne Geräte zu arbeiten. Da geht es also um die Übertragung von Energie. Man wird dabei satt und glücklich. Und um keine falsche Vorstellung zu fördern, viele der 50 Rezepte sind brasilianisch und europäisch angehaucht. Und falls es noch nicht erwähnt wurde, alle Rezepte sind vegetarisch.

Ausgezeichnet gemundet hat die Bohnensuppe ihrer Mutter meiner Leihmutter Sigrid. Aber auch Mamas Reisbällchen hat ihr und meinem Leihpapa Luis geschmeckt. Sie kochte ich in zwei Varianten. Einmal mit etwas Käse angereichert und einmal ohne, wie im Original. Die Käsevariante machte die Bällchen etwas fülliger im Geschmack.

Die Torta verde oder der grüne Gemüsekuchen sind eine italienische Anleihe und eine gute Idee für Resteverwertung. Ich habe das Rezept ein bisschen brasilianisch aufgepeppt und in die Gemüsemischung Papaya gemengt. Einfach und gut.

Unglaublich, aber wahr: Auch Bananenschalen eignen sich zum Verzehr. Die „Schnitzel“ aus Bananenschalen waren einen Versuch wert und sie schmeckten. Die Biobananen wurden somit samt „Haut und Haar“ vertilgt, das Bananenfleisch in einem Smoothie verquirlt und die Schalen herausgebacken. Und der Kuchen aus überreifen Bananen nahm mir endgültig die Scheu vor Matschbananen. Der Kuchen war ein Hit.

Freunden servierte ich gerade gestern die Rote-Bete-Suppe mit Apfel und Ingwer. Sie waren nicht nur von der Farbe begeistert, sondern vor allem von dem betörend feinen Duft, den sie verströmte. Obwohl die eineinhalbfache Menge angetragen wurde, war der Topf in Nullkommanix geleert. Also rechnen Sie die doppelte Menge, wenn Sie sie nachkochen; das Rezept befindet sich im Rezept-Ordner.

Die Küche der Achtsamkeit ist ein wunderbar gemachtes Buch. Mit schönen Fotos sowohl von den vorgestellten Rezepten als auch von Lebens- und Alltagssituationen. Sehr kunstvoll die Kapiteleinleitungen mit erklärendem Text. Am Ende befinden sich Bezugsquellen, ein ausführliches Glossar und noch ausführlicheres Indexverzeichnis. Dieses empfehlenswerte Kochuch entführt in viele Kulturen und wandelt manch weißen Fleck der Länderküchen in duftende Farben um. Fast schon eine kulinarische Weltreise, die uns Taina Guedes da bietet.

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