Heute begeben wir uns auf die Suche nach WEIHNACHTEN.
Dafür reisen wir zunächst in den Süden Großbritanniens. Genauer in die Grafschaft Berkshire nach Newbury und dann weiter zu einem der schönsten Herrenhäuser im Neo-Renaissance-Stil – Highclere Castle. Dort tauchen wir ein in die Geschichte und Gegenwart eines altenglischen Familiensitzes, und richten unser Hauptaugenmerk auf ein alljährlich stattfindendes Fest, Weihnachten auf Highclere Castle. Und so heißt auch das Kochbuch von Fiona Countess of Carnarvon. Dieses Ereignis ist nicht etwas, das in wenigen Tagen durchgezogen wird. Nein, Weihnachten wird Monate vorausgeplant, denn es gilt, einen Sitz mit 250 Zimmern zu schmücken und stimmungsvoll herauszuputzen. Damit wird erst einmal dem Äußeren Genüge getan. Spätestens jetzt sollte uns dämmern, dass unzählige Arbeitsschritte und Bedienstete notwendig sind, um dem heiligen Fest jenen Glanz zu verleihen, der diesem altehrwürdigen Bau mit seiner tausendjährigen Familiengeschichte geziemt. Entsprechend orientieren sich die Kapiteleinteilungen an dem Planungsverlauf. Darüber hinaus geben ausführliche Textpassagen Auskunft über das Schlossleben mit dem speziellen Fokus auf Weihnachten. Geschichtsträchtige Querverweise zu kulturhistorischen Belangen, die großes Lesevergnügen bereiten. Wir, die weitab von diesem Orte leben, können mit Weihnachten auf Highclere Castle eintauchen in die Traditionen und Archive, die uns vor Augen führen, wie in diesem Schloss gefeiert, gekocht, große Feste vorbereitet wurden und werden, und uns so auf ein königliches Weihnachten einstimmen.
Es beginnt also mit Papier und Stift, denn „Planung ist alles“, soll auch Dwight D. Eisenhower schon gesagt haben, und der war vermutlich einmal Gast auf Highclere Castle. Ab Ende September gilt bereits die Losung: Weihnachten naht. Und Abbie, eine Mitarbeiterin, bestellt zweieinhalb Monate vor dem eigentlichen Festtag bereits die Christbäume für die vielen Räume und Flure im Schloss sowie für die Zufahrtswege und den Vorplatz. Sally, die Leiterin des Souvenirladens, ist dann für das Gestaltungskonzept des Christbaums wie auch für die übrige Dekoration zuständig. Früher bekamen das Spektakel nur die Bewohner des Schlosses zu sehen, seit 12 Jahren steht Highclere Castle im Dezember auch für Besucher offen. Die Familie des Earl of Carnarvon legte erst vor wenigen Jahren ihr öffentlichkeitsscheues Gebaren ab, öffnete den Familienansitz für Besucher wohl auch wegen der Serie die in diesem Schloss seit Jahren gedreht wird. Und auf dem äußerst beliebten Weihnachtsmarkt vor dem Schloss bieten lokale Händler und Kunsthandwerker ihre Produkte an, gibt es süße Mince Pies, heiße Suppen und Weihnachtsquiches für die Teestuben; auch Geld wird gesammelt für den lokalen Luftrettungsdienst.
Sehr früh gab es auf Highclere Castle den humanitären Beistand in Form einer Ausspeisung zu Weihnachten. ‚Im Jahr 1400 fuhren die Bauern eine gute Ernte ein …‘, schreibt Fiona, Countess of Carnarvon, über das Fasten und Feiern im historischen Kontext. ‚Im Spätherbst legte der Vogt als öffentlicher Sachverwalter des Bischofs fest, welche Tiere geschlachtet werden sollten, da nicht für alle über den Winter genügend Futter zur Verfügung stand. Der Bischof zeigte sich großzügig. Er wies an, dass zur Speisung des Klerus und seines eigenen Personals zwei Rinder, zwei Rehe, drei Kälber sowie einige Schweine, Geflügel, Rebhühner und Gänse dienen sollten. Hinzu kamen Brot und Käse, 150 Liter Rotwein, 20 Liter Weißwein und reichlich Bier. Es würde ein schönes Weihnachtsfest geben. Innereien und Schlachtabfälle sollten mit Gemüse zu Pasteten für das einfache Volk verarbeitet werden.
Jedes Mitglied des Personals erhielt am Weihnachtsabend einen Laib Brot und ein Fleischgericht.‘ Soviel über den Stellenwert und die Gewichtung von Weihnachten vor über 600 Jahren. Heute gibt es im Verlauf des Jahres etliche Veranstaltungen der Mitarbeiter auf Highclere Castle wie Tanzabende oder Schlagball-Matches u.a., die sie selbst organisieren. Ein Indiz für die Wertschätzung des Personals. Das offizielle Weihnachtsessen für die Bediensteten ist ausgelagert in einem der lokalen Pubs. Natürlich dürfte da der Menüplan nicht so exquisit ausfallen wie die Bewirtung – ob im großen oder im kleinen Rahmen – auf dem Schloss. Über das Jahr gibt es Cocktail- und Dinnerpartys, Karaoke-Abende wie auch Konzerte und das meiste immer mit kulinarischer Begleitung vom Feinsten. Sie sehen nicht nur verführerisch aus, diese kleinen Happen, Canapés genannte mundgerecht geschnittene Appetithäppchen, sie munden auch ausgezeichnet. Honig-Senf-Hähnchen mit Sesam sind so schnell zubereitet, wie sie auch in die Bäuche verschwinden. Jede und jeder kann selbst entscheiden, ob er seinem Hähnchen durch Orangenscheiben ‚Saures geben will‘. Sehr angetan bin ich von den Käsebällchen, die frisch aus dem Fettbad herrlich schmecken, aber auch kalt verzehrt werden können. Beeindruckend der Lachs en Croute nicht nur wegen seines Aussehens: Ein Teigmantel umhüllt den Lachs inklusive seiner Spinatfüllung und verhindert so, dass er austrocknet. Ein Gericht, das das Potenzial eines Weihnachtsessen hat und in der Fülle weihnachtlicher Fleischgerichte auch mal Abwechslung verschafft. Als Nachtisch könnte an einem dieser Festabende ein Trifle aufgetragen werden, das traditionell dem Geist englischer Dessert gerecht wird. Schichten aus Obst, in diesem Fall Erdbeeren, Götterspeise, Vanillecreme und beschwipstem Biskuit formen sich zu einem köstlichen Dreigestirn, dem Erdbeer-Sherry-Trifle, und schließen so das Kapitel Bewirtung würdig ab.
In allen Kapiteln, ob Adventzeit, der Weihnachtsbaum, Geschenke & Einkäufe, Tradition, Festliches Schwelgen, Familienfreuden, die zwölf Weihnachtstage, Epiphanias & danach, ist die Beschreibung von Menschen und ihrem Tun vorangestellt, wie es früher war, anhand von Dokumenten, Fotografien und Zitaten. Dem folgt die kulinarische Dimension mit Rezepten und manchmal das sogenannte Highclere-Quiz.
Die Liste ist lang jener Rezepte, die ich unbedingt noch ausprobieren will. Geschmeckt hat mit das Rotkohl-Sauerkraut, die Topinambursuppe, die Weihnachtsquiche, die Makkaroni mit Käse und einiges mehr.
Die Zutaten für Bettys Orangenmarmelade stehen bereits in der Küche. Die Marmelade wird es am kommenden Sonntag zum Brunch geben wie auch der Birnen-Roquefort-Salat mit Walnüssen. Und zu Weihnachten gibt es den Rinderschmortopf dazu Selleriepüree mit Meerrettich – ein wahrhaft hochherrschaftliches Weihnachtsessen!
Wer die Royal-Szene liebt, findet in Weihnachten auf Highclere Castle genügend Lesestoff. Wer die Geschichten, die sich auf Downtown Abbey abspielen, liebt, ein Fan der Serie ist, findet in diesem Buch die kulinarischen Highlights dazu. Wie auch viele Ideen, sich Weihnachten einmal anders einzuverleiben.