Manuela Darling-Gansser, PARDIZ

Die Küche Persiens

Food-Fotografie von Simon Griffiths
Reisefotografie von Ebrahim Khadem Bayat
Aus dem Englischen übersetzt von Helmut Ertl
Knesebeck Verlag, München, 2020, 352 Seiten, 27.10 Euro
ISBN 978-3-95728-374-0
Vorgekostet

Heute reisen wir nach PERSIEN.

In meiner Tasche ein Buch von einer Schweizerin, die heute in Sidney lebt. Manuela Darling-Gansser. Mit ihr begeben wir uns auf eine kulinarische Reise in ihre Kindheit, die sie im Iran verbrachte.

Heimaten kennt Darling-Gansser viele, lebte sie doch auch einige Jahre in der Schweiz, den USA, in Japan und nun in Australien. Aber die Heimat, die ihr in die Kindheit schien, wie Ernst Bloch es ausdrückt, erfuhr sie 60 Jahre später. Jene Heimat, die zugleich eine Erinnerung und eine große Hoffnung ist. Die gespeicherten frühen sinnlichen Erfahrungen, die viel von Wunder und Zauber hatten – Gerüche, Sprache, Freundschaften, Verstecke, Geräusche – kamen wieder, als Manuela zur Recherchereise in den Iran aufbrach. Groß war ihr Appetit auf die persische Esskultur, sie zu erkunden und darüber zu schreiben.

Die 1950er Jahre ihrer Kindheit sind wertvolle Erinnerungen, die sie stets begleitet haben und beeinflusst in der Art zu leben, wie sie gerne wollte. Heute weiß sie, dass solche Gärten und das Leben darin – die Teil einer kulturellen Tradition im alten Persien sind – das Paradies ist. Pardiz, das altpersische Wort für Paradies, ist auch der Titel des beachtenswerten Koch- und Reisebuchs, das im Knesebeck Verlag erschienen ist.

Auf dem Titelblatt ist Reis mit ba tah digh, das heißt Reis mit goldener Kruste, abgebildet, ein typisches Gericht und für mich das kulinarische Aushängeschild Persiens. Diese goldene Farbe der Kruste habe ich nie hinbekommen. Gelungen ist es erst mit dem Rezept von Manuela, die in einem eigenen zweiten Arbeitsschritt, in welchem Eigelb, Naturjoghurt und Safran mit fünf Esslöffel Reis vermengt auf dem Topfboden verteilt werden, den Boden-Reis zu dieser safrangelben Kruste garen lässt. Pistazien und Berberitzen darauf mittig verteilt, verleihen diesem einfachen Reis zudem eine noble Note. Für Darling-Gansser gehören Berberitzen wie auch das eingedickte Joghurt (Maast-e chekideh), Rosenwasser und Rosenblüten, Granatafelsirup, getrocknete schwarze Limetten und Walnusskerne zu den wichtigen Zutaten der persischen Küche. Sie, wie auch eine Reihe von Gewürzen, verleihen den persischen Gerichten ihr unverwechselbares Aroma. Neben Safran sind es Kurkuma, Kreuzkümmel, Bockshornklee, Minze, Kardamom, Zimt und Sumach, die, maßvoll eingesetzt, eine subtile Wirkung und eine feine Balance zwischen Süß und Sauer erzielen. Das lässt uns die Autorin in ihrer Einführung etwas ausführlicher wissen, wie auch eine Karte uns über ihre Reiseroute aufklärt.

In 15 Etappen lernen wir die persische Esskultur kennen. Die Reise beginnt in Teheran. Geht weit zurück in die Vergangenheit. Mein Paradiesgarten ist das erste Kapitel und ein Rückblick. Schwarzweißfotos dokumentieren Manuelas behütete Kindheit und ein Persien, das es heute nicht mehr gibt. Ihre Mutter servierte besonders gerne persische Küche auf Partys, zu denen auf der Terrasse Teppiche ausgebreitet und auf niedrigen Tischen Platten mit edlen Speisen aufgetragen wurden. Dazu gehörten wahrscheinlich eingedickte Joghurtbällchen, Salate mit Tomaten und Paprika wie auch mit dicke Bohnen und Pistazien, Auberginendip und natürlich Reis mit goldener Kruste. Die erfrischenden Joghurtdrinks wohl eher nicht, die mussten die Kinder nach dem Schifahren trinken, um die Mineralien wieder aufzufüllen. Und nach der Party, das ist meine Vermutung, tranken die Eltern wie jeden Morgen zur Stärkung Sekanjebin, ein erfrischendes Essig-Honig-Getränk, das man nur weiterempfehlen kann. Immerhin wurde Manuelas Vater 101 Jahre alt.

Auch das zweite so wie alle anderen Kapitel wird mit einem Bilderreigen eingeleitet. Die Fotos von schönen Perserinnen, vom Straßenleben und Warenverkehr sind Blitzlichter einer Megacity. Quasi ein fotografischer Vorspann, aber einige Seiten weiter schon taucht man in den Tadschrisch Markt ein. Ein Markt fruchtiger Sinnlichkeit, mit Ständen überbordender Aufhäufungen von Gemüse, Obst und Kräutern. Sattes Grün, Gelb und Rot dominieren. Eine Farbenfreude, die sich auch in den aufgetragenen Gerichten fortsetzt.

Die Kräuter-Frittata ist eine bananenförmige Eierspeise, grün-gelb mit den roten Einsprengseln der Berberitze. Ein leichtes Essen, das jedes Picknick aufwertet. Nicht als Vor- sondern als Hauptspeise servierte ich meinen Enkeln Gemüsepuffer in pikanter Tomatensauce, ohne das Scharfe, die Chiliflocken. Sie genossen die Mahlzeit samt erfrischendem Joghurt-Drink.

Manuelas nächster Stopp liegt im Norden. Es sind die Provinzen Gilan und Mazanderan am Kaspischen Meer. Beliebte Regionen. Dort verbringen viele Perser ihre Sommerfrische, während in Teheran die Gluthitze alles lähmt. In den städtischen Märkten von Tschalus und Ramsar dominiert der Fisch, daneben gibt es Hennen, Gänse und Eier in Hülle und Fülle. Wundern wir uns, dass dort Sommersalat mit Ei zubereitet wird? Eine volle Mahlzeit die mit warmem Naan-e taftoon, ein Vollkornbrot, das in der Pfanne gebacken, serviert wird.

Es ist eine Rundreise, die uns einen kleinen Ausschnitt eines riesigen Landes zeigt. Vom Kaspischen Meer geht die Fahrt weiter nach Isfahan, das auf 1500 m Seehöhe mitten an den Ausläufern des Zagros Gebirges liegt. Reisen macht hungrig und in Persien isst man vor allem Reis. Als Beilage, perfekt gegarter Langkorn-Basmati-Reis. Selbst in den entlegensten Karawansereien mit unterschiedlichstem Komfort, aber lauwarmem goldgelben Reis gibt es immer. Die Autorin streicht den Stellenwert von Reis in der persischen Gesellschaft heraus und serviert uns mit Tahchin-e esfenaj, das ist gebackener Reis mit Goldkruste und Spinat-Auberginen-Füllung, ein fürstliches Mahl. Hier zeigt sich, wie vielfältig Reisgerichte sind und einfach in der Zubereitung, etwa der delikate Reis mit Eigelb und Sumach.

Viele Geschichten ranken sich um dieses Land, die in den allgegenwärtigen Teehäusern erzählt werden. Chai wird immer in kleinen Gläsern serviert, zusammen mit Mutterküsse, Plätzchen mit Dattel-Walnuss-Füllung oder Teegebäck. Und wenn man die Menschen nicht im Teehaus antrifft, dann sind sie wahrscheinlich picknicken, irgendwo am Wegesrand wird angehalten, der Holzkohlegrill angeworfen und Snacks und andere Kleinigkeiten, würzige Dips, Salate und herzhafte Küchlein ausgepackt. Mit den Kartoffel-Eier-Muffins (Kotlet sibzamini) konnte ich meine Familie überraschen. Sie waren wirklich gut und schnell aufgegessen. Eine Besonderheit ist der Kibbeh aus Kichererbsen und Buchweizen (Ku ku ye nokhod), der mehr Kuchen- als Kugelform aufweist. Er schmeckt köstlich mit eingedickten Yoghurtbällchen (Maast-e chekideh), frischen Kräutern (Sabzi khordan) und Spinat-Joghurt-Dip (Borani-e esfenaj ba maast). Stichwort Dip, da darf natürlich das Brot nicht fehlen. Wohl das wichtigste Grundnahrungsmittel, das bei den Persern immer auf den Tisch kommt. Brot ist überall verfügbar, wird zu allen Mahlzeiten gereicht, auch zwischendurch gegessen als Snack. Drei Brotrezepte offeriert uns Manuela, Fladenbrote, von denen ich das persische Fladenbrot (Naan-e barbari) mit Schwarzkümmel und Sesam wegen seines besonderen Geschmacks bevorzuge.

Reis, Tee, Picknick und Brot sind eigene Kapitel. Auch dem Streetfood, dem persischen Platteau, der Rosenernte, dem Luxus im alten Persien, dem Eis in der Wüste, dem Restaurant sowie Festmahl und der Gastfreundschaft sind eigene Abschnitte gewidmet.

Suppe, die manchmal mehr nach Eintopf aussieht, ist die Königin der Straße, wird von jeder Garküche angeboten. An kalten Tagen sind es feurig gewürzte, an heißen erfrischend kalte Brühen wie die Joghurtsuppe (Maast-o-khiar). Meist ist ein Klecks Joghurt dabei, immer aber ein Kräuter-Potpourri von einnehmendem Geschmack. Noch erfüllen die Streetfood-Küchen vor Ort den Anspruch von billigem, sättigendem Essen, aber wie lange noch?

Die lokale Küche zeichnet sich durch Bodenständigkeit und Vollkommenheit aus. Rosenwasser und Safran gehören zur persischen Kulinarik wie Scheherazade zu 1001 Nacht. Robert Byron reiste 1933 durch den Iran: „… bergauf und bergab ging die Fahrt und über schier endlose Ebenen. Die Sonne brannte. Mächtige Staubwolken, die dämonengleich über der Wüste tanzten, hielten unseren schnittigen Chevrolet an und nahmen uns die Luft. Auf der anderen Seite eines weiten Tals, blitzte plötzlich ein türkisfarbener Krug, der auf einem Esel entlangschaukelte. Daneben ging der in dunklem Blau gekleidete Besitzer. Und als ich die beiden sah, verloren in dieser gigan- tischen Steinödnis, begriff ich, warum Blau die Farbe Persiens ist und warum das persische Wort für „blau“ zugleich Wasser bedeutet.“*

Das Blau ist allgegenwärtig in den prachtvollen Bauten mit ihren Mosaiken, in den Paradiesgärten, der einsamen Schneekuppe im Osten, der Demawand. Manuela Darling-Gansser musste in ihre Vergangenheit eintauchen und all die alten Schwarz-Weiß-Fotos ansehen um die Farben Persiens wiederzufinden, die schon in ihrer Kindheit waren. Viele Orte besuchte sie, einige waren verschwunden. Die Safraneiscreme enthält für Manuela typisch persische Farben. Dreimal hatte sie das Glück, bei Gastfamilien in der Essenszubereitung mitzuwirken, vom Bohnenschälen bis zum Auftragen. Am Ende serviert uns die Autorin ein persisches Festmahl mit dicke Bohnen und Artischockenherzen, Lammragout, Reis mit Goldkruste, eingedicktem Joghurt, Fladenbrot und einen sagenhaften Mandel-Walnuss-Kuchen. Bei mir und meinen Gästen kam es gut an – dank Pardiz. Und falls jemand in absehbarer Zeit das Land besucht und bei einem Restaurantbesuch nicht weiß, was einen dort erwartet an Regeln und Kulinarischem, der lese das Kapitel Im Restaurant. Einen Vorgeschmack liefern die gar lustig anzusehenden Hummus-Schiffchen (Kahoo ba hummus) oder der Reis mit Fleischfüllung und ‚Juwelen‘ (Gheymeh nazir). Die Juwelen sind auf dem angehäuften Reis gestreut und darunter ist die Überraschung, ein Ragout. Die Gäste waren verblüfft über den Geschmackshauch der Juwelen wie auch von dem versteckten Rinderragout.

Pardiz ist ein sehr modernes Kochbuch, da es den sozialen Gemeinsinn einfordert, in Form von frischen, lokalen Lebensmitteln, aber auch durch das gemeinsame Essen. Persische Sinnlichkeit pur.

* Robert Byron, Der Weg nach Oxiana, Seite 60 (Die Andere Bibliothek, Extradruck 2014)