Heute feiern wir GLUTENfrei.
Sich mit Gluten auseinanderzusetzen, als Nicht-Zöli, d. h., jemand, der nicht an der Autoimmunerkrankung Zöliakie oder der milderen Form, eben Glutenunverträglichkeit, leidet, kann verschiedene Gründe haben. Einmal weil es gerade ‚in‘ ist, einen glutenfreien Kuchen zur Geburtstagsfeier mitzubringen oder, weil im eigenen Umfeld jemand davon betroffen ist, oder, weil man seinem Darm etwas Gutes tun will. Nun, wie auch immer, in diesem Fall ist es ein neues Backbuch von Katharina Böttger und Rena Wiese. echt jetzt: Glutenfrei backen ist im Südwest Verlag herausgekommen.
Die Autorinnen sind in der Glutenfrei-Szene bekannt, vertreiben sie doch mit ihrer Marke echt jetzt zu 100% glutenfreie Produkte, vermutlich sogar weltweit. Ihre Vision ist, den Menschen, die keine glutenhaltigen Produkte essen können oder möchten, das Leben ein bisschen schöner zu machen.
Wir dürfen unser glutenfreies Lebensglück nun selbst in die Hand nehmen, nein, nicht bestellen, sondern selbst glutenfrei backen. Von knusprigen Broten, Brezen und Pizzen, über himmlische Apfel- und Schokokuchen, bis hin zu verführerischen Zimtschnecken und Plätzchen, alles ist möglich. Alles glutenfrei zu backen.
echt jetzt: Glutenfrei backen ist in zwei Hauptblöcke unterteilt. Im ersten allgemeinen Teil geht es um Grundsätzliches, wobei allein aus den Überschriften ersichtlich wird, dass glutenfrei, ernst genommen, keine einfache Sache ist. Da geht es um Abgrenzungen, wie unterscheiden sich Zöliakie und Glutenunverträglichkeit? Welchen Herausforderungen muss man sich stellen bei einer Umstellung auf glutenfreie Ernährung? Und ganz wichtig wird plötzlich ein Wort: Kontamination. Dabei reden wir noch gar nicht von Dinkel, der ist nicht – wie viele glauben – glutenfrei. Also, wer aus gesundheitlichen Gründen glutenfrei sich ernähren muss, hat seine eigenen Küchenutensilien gekennzeichnet, zwei Toaster, zwei Kühlschränke, einen eigenen Brotbeutel, mit anderen Worten: Der oder die Betroffene ist ein ‚armes Schwein’.
Welche Herausforderungen so ein Leben mit Zöliakie mit sich bringt, erfährt man andeutungsweise aus dem Interview mit Teresa. Dem folgen dann noch Tipps wie 5 schnelle Hacks für einen stabilen Blutzuckerspiegel, wie man Hefe mit Fermentwasser ersetzen kann und einige Tricks zum glutenfrei Backen, von Allgemein bis zur Teigverarbeitung und den Zutaten. Die Autorinnen bewegen sich hier im kurz gefassten Aufzählmodus, wobei es einige Punkte gäbe, die durchaus mehr Aufmerksamkeit verdienten, wie bspw. der Punkt Ruhezeit bei Teigen. Zwischendurch taucht auch noch ein bisschen Werbung auf für ihren Onlineshop, etwa wenn es um Mehlmischungen geht. Es gibt zwar eine Sweet-Love-Mehlmix-Rezeptur, aber ich hätte mir mehr Information über die Mehlsorten und den Ersatz für herkömmliche Mehle gewünscht. Das fehlt. Sehr informativ, aber auch sehr kurz gehalten ist der Punkt Vegan backen mit Ersatzprodukten. Da geht es um hochwertige Zutaten ohne Zusatzstoffe mit guten Nährwerten, quasi das Leitmotiv für glutenfreies Backen.
Die Rezepte, die den umfangreichen zweiten Hauptabschnitt ausmachen, werden auf sechs Bereiche aufgesplittet. Den Anfang machen Brot & Brötchen, gefolgt von Snacks, die abgelöst werden von Grundrezepte Sweet. An Seiten stark sind die Kuchen & Tartes wie auch die Sweet little Things, die von Zimtschnecken, diversen Cookies und Muffins handeln. Den ultimativen Schlußpunkt setzt die X-mas Bakery. Also Weihnachtsbäckerei oder Guetzli, Plätzchen bzw. Kekse, wie das süße Kleingebäck im nationalen Jargon genannt wird.
Zwei Schwestern, Karin und Monika, haben für mich drei Rezepte aus dem Buch unter die Lupe genommen und mir ihre Eindrücke rückgemeldet. Das Karottenbrot war erstaunlich saftig und gut, hielt sich auch über mehrere Tage frisch. Dabei wurde Apfelessig mit Reissirup vermischt, was man als vegane Buttermilch bezeichnen könnte. Das Karottenbrot vertrug auch verschiedenste Belegungsversuche ohne geschmackliche Einbuße.
Die Hafer-Cookies waren relativ bissfest, etwas kompakter im Vergleich mit den herkömmlichen, kommerziellen Haferkeksen. Das hängt vielleicht mit dem Rohrohrzucker zusammen, an dem noch die ganze Melasse haftet, so als wäre es ein kristallisierter Sirup. Jedenfalls erfreuten sich die Hafer-Cookies größter Beliebtheit bei Jung und Alt.
Als Letztes wurde der Zitronenkuchen nachgebaut, allerdings mit etwas Manipulation. Den Damen fehlte das Bindemittel Ei und so kamen vier Eier hinzu um für Lockerheit und Volumen zu sorgen. Nun, der Zitronenkuchen schmeckte ausgezeichnet, war nicht zu trocken, allerdings auch nicht sehr hoch. Hier wird es noch einen Versuch geben, unter strickter Einhaltung der vorgegeben Zutaten.
Auffällig ist, dass für einige Kuchen immer dieselbe Sweet-Love-Mehlmix-Mischung zum Einsatz kommt. Im nicht-süßen Backspektrum gibt es scheints viel mehr Mischungsspielraum. Da werden Reis-, Buchweizen- Lupinen-, Guarkernmehl und andere Bindemitteln in unterschiedlichsten Mengen zusammengemischt und eingesetzt.
Dass am Umschlag und im Innenteil die gelbe Farbe stark vertreten ist, scheint dem Maismehl geschuldet zu sein, das sich bestens eignet für die Herstellung glutenfreien Gebäcks.
Ein breites Spektrum an Rezepten präsentieren Katharina Böttger und Rena Wiese in echt jetzt: Glutenfrei backen, wobei das Süße überwiegt. So hätte der Bereich Snacks mit Pizza, Foccachia, Flammkuchen und Quiche ruhig etwas stärker ausfallen können. Auch sind manche Rezepturen etwas gewöhnungsbedürftig. Wie die Pizza, die sich schon farblich von herkömmlichen Pizzen unterscheidet und die beim Reinbeißen nochmals neue Geschmacksmomente aufkommen lässt. Ausführlich und gut erklärt wird die Sauerteigherstellung, die für einige Brote Voraussetzung ist, wie bspw. das ungewöhnliche Senfbot mit Sauerteig.
Die beiden Autorinnen präsentieren eine erstaunliche Vielfalt. Spiegeln die Brötchen den Geschmack der Deutschen, so bleibt die Brotfrage keine reine innerdeutsche Angelegenheit, blickt man doch in Form von Pizza und Focacchia über die Landesgrenzen nach Süden. Interessanterweise ist kein Fladenbrot im Angebot. Aber: Manchmal muss es einfach selbst gebacken sein, oder? heißt es im Vorwort und fordert uns direkt auf, mit echt jetzt: Glutenfrei backen, die Brötchen am Morgen, direkt aus dem eigenen Ofen …