Heute reisen wir nach STELZENDORF.
Dieser Ortsteil von Zeulenroda-Triebes mit knapp über 70 Einwohnern, hat mehr Ähnlichkeit mit einem Weiler. Eine Handvoll Häuser, die von Wiesen und Wäldern umgeben sind. Das Dorf schmiegt sich sanft an die Landschaft, die geprägt ist von der Landwirtschaft. Ein grünes Paradies, so scheint es, wäre nicht der Anteil an AfD-Wählern so eklatant, mit 32 % bei den letzten Landtagswahlen in Thüringen eine Hochburg. In dieser beschaulichen Region hat eben dieses Stelzendorf nicht wegen seiner konservativen Wählerschaft große Berühmtheit erlangt, sondern wegen Doreen Bergmann. Doreen ist gelernte Juristin, Mutter von vier Kindern, eine Frau Anfang 50, die gerne gartelt und noch lieber bäckt. Das war schon während ihres Studiums so. Da verwöhnte sie Freunde und Familienmitglieder mit süßen Köstlichkeiten. Dass sie ihr Hobby zum Beruf machte, war damals nicht abzusehen und noch weniger, dass sie in dieser Abgeschiedenheit ein Café eröffnen würde. Fakt ist, dass die Patisserie Bergmann weitum bekannt wurde, wegen der Pralinen, Kuchen und Torten. Aber auch wegen Doreen, die so viel Lebensfreude versprüht, die es versteht, sich bestens zu vermarkten. Eben ist ihr drittes Kochbuch im Eigenverlag erschienen. Das Stelzendorfer Sommerfest ist als Handreichung gedacht, für alle, die das Leben feiern. In Feststimmung ist Frau Bergmann eigentlich immer, so scheint es, wenn man sich durch das Buch blättert, das überbordet von glückselig machenden Rezepturen. Ihr Tag beginnt um 5.30 Uhr, um zu backen, gesteht sie in der Einleitung. Und manchmal versetzt sie sich dabei zurück in ihre Kindheit, wie sie ihrer Oma zuschaute, den Duft des Apfelkuchens in der Nase.
Nun, das Apfelkuchenrezept erfahren wir nicht. Aber andere, nicht nur von Kuchen, sondern auch Gerichten, die sie gerne zu diversen Festen auftischt. Dementsprechend breit gestreut ist das Angebot. Wohlfühlrezepte aus vielen Bereichen, von Gegrilltes über Salate bis zur Zitronencreme mit Limoncello-Erdbeeren. Dementsprechend sind die Kapitel überschriftet. Es sind Einladungen wie Für’s Grillbuffet oder Herzhaftes aus dem Ofen. Klar und eindeutig was einem erwartet, wenn es heißt: Komm an die Salatbar. Eine eigene Abhandlung gilt den Dips, Sossen, Dressing. Selbstverständlich sind auch Zauberhafte Kuchen & Torten im Angebot ohne das herzhafte zu vernachlässigen, das unter der Rubrik Vom Kanten bis zum Rämpftchen zu suchen sind. Mit Rämpftchen oder Knörzchen oder Scherzel ist das abgerundete Anfangs- bzw. Endstück eines Brotweckens gemeint. In Kalt & Heiss sind Getränke angeführt, die sowohl heiße Sommertage als auch kalte Winterabende erträglich machen. Allerdings hat Das süsse Finale das letzte Wort, nun ja, stellt die letzten sechs Rezepte. Mit diesem Reigen an Rezepturen lassen sich viele Feste planen ganz im Sinne der Autorin.
In der Grillage stach mir sofort der Sellerie Burger ins Auge. Eine super Idee finde ich, dicke Selleriescheiben zu grillen und zwischen zwei Burger Buns-Deckel zu klemmen. Eingeschlossen auch Matschiges in Form von selbstgemachtem Ananas-Ketchup und Mayonnaise, die es mit und ohne Ei gibt. Einfach und einmal ganz anders zubereitet ist Lauch auf Fetacreme. Dafür keine Überraschung war die Ananas mit Minzzucker, aber die Art der Zubereitung. Es ist ein Rezept der Indigenen Südamerikas, die die Frucht halbieren, das Fruchtfleisch rautenförmig einschneiden, um dann Honig darauf zu träufeln. Die so präparierten Fruchteier werden anschließend gegrillt. Ich schiebe sie ins Backrohr für 20 Minuten und schalte für 2, 3 Minuten dann noch den Grill dazu. Ein herrlicher Nachtisch, mit dem ich meine Gäste immer wieder überraschen konnte. Mit der Minze kommt noch eine dritte starke Geschmackskomponente dazu, was mir aber zu viel ist.
In der Ofen-Abteilung fiel die Galette mit Tomaten auf, die sich mit Schwänzchen in die Höh’ präsentieren – einfach putzig. Allerdings, wie dieser belegte Fladen in den Ofen bzw. aufs Blech kommt, verschweigt die Anleitung. Dass Doreen nicht nur gerne bäckt, sondern auch reiselustig ist und hie und da Entdeckungen mitbringt in die heimische Backstube, davon zeugt der Vegetable Pot Pie, ein Gemüsekuchen mit südafrikanischen Wurzeln. Versteckt unter einem Deckel hält der Gemüsekuchen einige Überraschungen parat, von den Champignons bis zum Zucchini ist alles vertreten, was an Grünzeug Saison hat und man sich hinein wünscht in die Bechamelsauce. Hier setzen nur die eigenen Phantasien Grenzen. Ohne Dach bietet sich dagegen die Zucchini-Brennnessel-Quiche an. Die unscheinbaren Brennnesselblätter verleihen der Quiche eine herbe Frische. Interessanterweise, nicht wie bei der klassischen Quiche, wird der Teig aus Vollkornmehl und Backpulver geknetet. Wem die Brennnesseln zu extrem sind, dem empfiehlt Doreen eine frühsommerliche Variante mit Spargel. Beides ist lecker, um im Jargon der Gastgeberin zu bleiben.
Warum sie aber die Polenta mit Gemüse auf eine Brotschnitte schaufelt, ist mir nicht nachvollziehbar. Die Pizza mit Birnen & Gorgonzola dagegen war perfekt. Ich habe sie meiner Liebsten an einem lauschigen Abend gebacken und dafür ein Bützchen bekommen. Ist das nicht schön?
In der Salatbar begegnen wir den üblichen Verdächtigen, ob als gewöhnlicher Salat oder Carpacchio angemacht, allesamt immer einen bunten Haufen bildend. Neu war mir die Bezeichnung Ringelbete für Chioggia-Rübe.
Von den Dips und Dressings kamen Süsskartoffel-Humus und Ananas-Ketchup sofort auf meine Vormerkliste, weil sie gut in mein Picknickkonzept passen.
Aus dem Kuchen-Repertoire übernahm ich den saftigen Karottenkuchen. Mein bisheriger Favorit von Alfred Biolek hat ein ähnliches Mehlmischungsverhältnis, allerdings werden in Doreens Kuchen zusätzlich Dinkelmehl und Öl hinein verarbeitet. Und das führte mich zu Emily Scotts spiced carrot cake with cream cheese and butter icing – ich wusste, diesen Karottenkuchen hatte ich schon mal gemacht. Die Unterschiede sind nicht gravierend. Doreens Variante sieht einen eigenen Boden vor und das Finish aus Frischkäse und Möhrensaft ist eindeutig besser als Emilys Buttercreme. Meinen Chorfreunden habe ich den saftigen Karottenkuchen nach der Probe serviert, ohne Finish, was offensichtlich nicht störte, so schnell war er verputzt.
Im Getränke-Kapitel finden sich Erfrischungen, deren Basis beliebte Zutaten wie deutsches Weißbier oder japanisches Matcha-Pulver oder die in osteuropäischen Küchen stärker repräsentierte Rote Bete enthält. Wobei Letztere sich auf eine Suppe bezieht.
Das Stelzendorfer Sommerfest von Doreen Bergmann ist eine Fundgrube für sommerleichte Gerichte, die sich in fotografischem Überschwang inszenieren. Sehr farbenfroh, präsentiert sich hier ein buntes Potpourri zwischen zwei Buchdeckeln. Die Rezepte sind einfach gehalten und größtenteils zurückhaltend an Zutaten. Immer sehr wirkungsvoll im Geschmack lassen sich Doreens Ideen individuell anpassen. Gelegentlich fließen Tipps ein. Schade finde ich, dass sich die Autorin nicht mehr einbringt, woher die Ideen stammen, wie die Rezepte entstehen. Erkennbar sind mediterrane und italienische Einflüsse.
Mit dem Kochbuch zur Hand lassen sich gut Sommerfeste planen. Fische und Fleisch kommen darin nicht vor, aber alles andere. Auf die Rezepte zugreifen kann man über ein ausführliches Inhalts- und Zutaten-Indexverzeichnis. Darin sollte jede und jeder ein Sommergericht finden, um das Leben zu feiern, weil es so schön ist.