Alexander Dölle, Sarah Schocke, Der Geschmack von Kopenhagen

Mit Fotos von Julia Hoersch
GU Verlag, München, 2020, 192 Seiten, 22.-- Euro

ISBN 978-3-8338-7437-6
Vorgekostet

Heute reisen wir nach KOPENHAGEN.

In eine Stadt, in der laut Umfragen die glücklichsten Menschen der Welt leben. Dabei liegt sie, was die Lebensqualität anbelangt, an zweiter Stelle nach Wien. Aber glücklicher ist man, so scheints, im Norden. Und das ist ansteckend, behaupten Alexander Dölle und Sarah Schocke, die sich den kulinarischen Seiten der dänischen Hauptstadt widmen. Ihr Kochbuch, Der Geschmack von Kopenhagen ist bei Gräfe und Unzer herausgekommen.

Der Aufbau ist einfach. Drei Kapitel: Frühstück, Mittagessen und Backen genügen, um satt durch den Tag zu kommen. Zum Tagesbeginn offerieren uns die beiden Kopenhagen-Fans Wohlfühlgerichte, die in Schüsseln angerichtet werden. Der Hafer-Quinoa-Porridge, dort Grod genannt, gehört zur Stadt wie die Klingel zum Fahrrad, wird behauptet. Und das Topping, mit einer rotschaligen Birne, lässt den individuellen Vorlieben viel Spielraum. Die weiteren Happy-in-den-Tag-Bowls verknüpfen bevorzugt Haferflocken variantenreich mit Apfelmus, Nusskernen, Zwetschkenkompott und Skyr. Havregrod ist so ein dänischer Frühstücksklassiker mit englischer Anleihe. Der Porridge mit Pflaumenkompott ist sehr flüssig, wird aber kompakter, je mehr feste Bestandteile wie Nüsse oder Granola eingebracht werden. Eine andere Porridge-Variante ist Ollebrod mit Schmand und Beeren. Früher ein Arme-Leute-Essen, fällt es heute wegen seiner Geschmackskombination auf. Roggenbrot und dunkles Bier bilden die Grundlage für den Brei, der mit Schmand und Brombeeren verfeinert wird. Unbedingt ausprobieren! Ein anderes Frühstücks-Dessert ist Ris a la Mande mit Kirschen. Ein Reispudding, dessen dänische Name sich vom französischen riz à l’amande, also Mandelreis, ableitet. Der Reisbrei, mit Schlagsahne verfeinert kam Anfang des 20. Jahrhunderts in der dänischen Oberklasse in Mode. Wird er rund um Weihnachten serviert, ist es Brauch, in dem Reisbrei eine Mandel zu verstecken. In diesem Rezept werden geröstete Mandelstifte darübergestreut. Wer nun glaubt, dass zum dänischen Frühstück nur Müsliartiges aufgetischt wird, irrt. Belegte Sauerteig-Waffeln mit Früchten oder Schinken und Ei sind, wie auch belegte Brote, auf vielen Speisekarten zu finden. Kopenhagen, die beliebte Touristen- und Studentenstadt, bedient ihr Publikum mit einem breit gefächerten kulinarischen Angebot. Die Foodszene nimmt Anleihen aus der ganzen Welt auf. Ob Omelett mit Lachs oder Frühstücks-Tortillas, immer schwingt eine nordische Prise darin mit, eingebildet oder erschmeckt.

Zum Mittagessen können wir wählen. Zwischen handlich belegten Broten, süß-sauer Eingelegtem oder Salaten und warmen Magenfüllern. Dänemark hat mit den belegten Butterbroten es zu einer Kunstform gebracht, die Teil der dänischen Esskultur ist. Smørrebrød genannt, werden die bis zur Perfektion kultivierten Sandwiches vor allem zu Mittag gegessen. Dazu trinkt man ein Bier oder ein Glas Aquavit, dieses Wasser des Lebens mit der Kümmelnote. Beim Schonnemann in Kopenhagen gibt es eine große Auswahl an belegten Broten, die so vollständig vom Belag bedeckt sind, dass man das Brot mehr erahnt als sieht. Das Belegen ist eine Kunst und wer es versuchen will, dem stehen hier mehrere Rezepte zur Verfügung. Smørrebrød mit Kartoffeln ist eine vegetarische Variante, die, mit Cornichons belegt, knackige Frische erwarten lassen. Das mit Eiern und Garnelen belegte Brot dagegen erhält den frischen Akzent durch die Brunnenkresse. Ein Smørrebrød in herrlich rosa-grün-gelbem Farbenspiel. Und natürlich gibt es auch ein Smørrebrød mit Lachs und bleibt damit in der Komfortzone. Oder würden Sie ein Smørrebrød mit geräuchertem Aal und Rührei versuchen? Das Erfolgsgeheimnis von Smørrebrød ist, dass alle Zutaten, von der Remoulade über die Röstzwiebeln bis zu den eingelegten Gurken, selbst gemacht sind. Smørrebrød ist so ziemlich das einzige Gericht, das Dänemark zum kulinarischen Universum beizusteuern hat, behauptet Rasmus, der Besitzer des Palägade Smørrebrød Restaurants. Was in Deutschland die Currywurst, ist in Dänemark der Hotdog, ein Nationalgericht, das in Kopenhagen in der gehobenen Restaurantküche wie auch auf der Straße angeboten wird. Mehr begeistern mich allerdings die Hackbällchen mit Pilzsauce oder die Linsenbällchen mit Tomatensauce. Die walnussgroßen dänischen Boller, hier mit einer feinen Pilzsauce, werden traditionell auch mit einer Curry-Sahne-Sauce gegessen. Besonders lecker aber sind die Linsenbällchen, die mit Tofu angereichert im Tomatensud serviert, sehr indisch wirken. Weitere Rezepte wie die Kartoffelpizza mit Dill oder der Gerstengraupenrisotto bestätigen, dass die Kopenhagener Esskultur sich nicht den Einflüssen von außen verschließt.

Im letzten Abschnitt wird all das aufgetischt, was ofenfrisch serviert wird. Ob das nun die unwiderstehlichen Zimtknoten sind oder herrlich duftendes Roggenbrot oder der Karottenkuchen Gulerodskage, der mit Frischkäse zugedeckt und Pistazienkernen bestreut ist. Berlinkenner werden überrascht sein, dass zu Kopenhagens süßer Seite auch die Spandauer gehören. In Deutschland firmiert dieses dänische Backwerk als Kopenhagener oder Plundergebäck. Rein äußerlich schaut es einer Topfengolatschen sehr ähnlich mit dem mittig gesetzten Puddinggupf. Also: Man braucht dafür einen Blätterteig, Kirschmarmelade, Vanillepudding und geschickte Finger. Der feine Unterschied liegt aber im Teig. Die Spandauer werden mit Plunder- also Hefeteig gemacht, das Wiener Brot mit Blätterteig. Spandauer oder Kopenhagener, beide passen vorzüglich zu einer Tasse Kaffee. 

Backwerk muss nicht immer süß bedeuten. Und Madbrød ist die perfekte kleine Mahlzeit. Wie Buchteln, aneinandergefügte Happen in einer Auflaufform. Im Innern versteckt die herzhafte Füllung aus Kartoffeln, Pesto und Käse. Wäre nicht die lange Teigruhe, wäre es ein schnelles Essen. 

DER GESCHMACK VON KOPENHAGEN ist geprägt von den kulinarischen Impressionen einer Stadt, die typisch für Dänemarks Hauptstadt sein mögen. Aber viele der Gerichte kann man auch im Norden und Süden, landes- und europa- ja sogar weltweit wiederentdecken. Wie viel von Kopenhagen letztlich in den Rezepturen drin steckt, ist wohl mehr der individuellen Vorstellung geschuldet. Es sind Wohlfühlrezepte, die hier einer Stadt zugeordnet werden, ein kulinarischer Stempel, den man in Buchform mit nach Hause nimmt, um daraus einiges nachzukochen.

Wenn man mit offenen Augen durch Kopenhagen schlendert, begegnet man immer wieder Designklassikern in Form von Leuchten und Stühlen. Ähnlich ergeht es einem beim Durchblättern dieses Kochbuchs. Doppelseitige Bilder und Rezepturen wechseln sich ab und lassen so ein vielschichtiges Kopenhagen erstehen: zauberhafte Örtlichkeiten mit Duftnote. Schade nur, dass die Bilder nicht kommentiert sind. Ich habe jetzt die Sauerteigwaffeln mit Roastbeef zubereitet, denn ich erwarte meine Enkel zum Mittagessen. Bin schon gespannt, wie ihnen Kopenhagen schmeckt.