Alexandra Palla, Meine Sommerfrische Küche

Mit Fotografien von Melina Kutelas
Pichler Verlag, Wien, 2019, 208 Seiten, 29,- Euro
ISBN 978-3-222-14030-3
Vorgekostet

Heute fahren wir in die SOMMERFRISCHE.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prosperierten Reiseziele wie Heilbäder, Wintersportorte und Sommerdomizile. Es ist die Epoche der Baedecker- und Sommerfrischenreisen. „So gewiß in alten Tagen eine Wetter-Unterhaltung war, so gewiß ist jetzt eine Reise-Unterhaltung.

‚Wo waren Sie in diesem Sommer?‘, heißt es von Oktober bis Weihnachten; ‚wohin werden Sie sich im nächsten Sommer wenden?‘ heißt es von Weihnachten bis Ostern.“ Theodor Fontane machte sich über jene Menschen lustig, die elf Monate des Jahres nur als eine Vorbereitung auf den zwölften betrachten. Und er meinte, spitz: „Um dieses Zwölftel willen wird gelebt, für dieses Zwölftel wird gedacht und gedarbt.“ In Innsbruck, Bozen, Wien und anderen Städten schickten die Begüterten ihre Familien in die Sommerfrische. Nach Grado, auf den Ritten, an den Attersee. Werktags musste das Oberhaupt der Familie arbeiten – am Wochenende kam es nach. Auch der Papst ging während der heißen Tage nach Castel Gandolfo und selbst die jungen Lippizaner des Bundesgestüts Piber brachen zur Sommerfrische auf die Alm auf.

Sommerfrische bedeutet Entspannung, unbeschwertes einfaches Leben, Musizieren, Abende mit Spielen und Politisieren, Berggehen und Schwimmen. In erster Linie geht es also um Erholung, Urlaub, Ferien machen, Freunde treffen und gemütliches Beisammensein. So formuliert es Alexandra Palla und erinnert sich mit Wehmut an ihre Kindheit, als sie mit ihren Großeltern in St. Gilgen auf Sommerfrische war. Oma Karla konnte nicht nur gut Geschichten erzählen, sie konnte auch hervorragend kochen. An diese Zeit knüpft Palla an, belebte die begrenzte Auszeit wieder und übersiedelt seit einigen Jahren als Sommerfrischlerin samt Hausrat und Familie an den Wolfgangsee. Über diese Zeit, genauer über die Kost in der Sommerzeit, schrieb sie ein Buch. Meine

Sommerfrische Küche ist im Pichler Verlag erschienen.

Die Sommerfrische Küche gliedert sich in fünf Hauptteile. Einleitend beschreibt die Historikern Marie-Theres Arnbom das Gefühl von Sommerfrische, was Palla mit persönlichen Erfahrungen ergänzt. Zum Auftakt gibt es aber Vorschläge, nämlich Menüideen für heiße Tage und laue Aben- de. Sie reichen von Geschwister-Willkommensessen über einen Lunch am Steg bis zum Weißen Fest Menüplan. 10 Tipps für das echte Sommerfrische-Feeling folgen, die man beherzigen sollte. Bspw. beim Kochen singen. Den neunten Tipp führe ich versuchsbedingt ohnehin aus – Rezepte aus diesem Buch nachkochen.

Die nächsten drei Abschnitte sind aber dann die Hauptkapitel, die sich kulinarisch um Garten und Beet, Wasser und Land, sowie Alm und Wald drehen. Fotos von Melina Kutelas leiten jedes Kapitel ein und dokumentieren die beschriebenen Rezepte. Fotos von Wiesenkräutern, frischem Mangold in einer Schüssel eröffnen den Reigen, lassen aufblitzen, was der Garten der Natur alles bietet. Einfache und leichte Gerichte offeriert uns Palla zunächst als Einstieg. Salate wie Schwarzbrotsalat, heiter bis wolkenlos, Petersiliensalat ‚See-Taboulé‘, Karottensalat mit Fenchel oder Kukuruzsalat, von dem auch mein Enkel Jakob begeistert ist, ob der gelben Farbe wegen oder des süßlichen Zuckermais‘, ich weiß es nicht. Das Kohlrabicarpaccio mit gerösteten Nüssen half nicht nur, unseren geernteten Kohlrabiberg zu minimieren, es war die ideale Kost während der Tage, die vor Hitze stöhnten. Das eiskalte Gurken-Apfel-Schälchen hat sich dazwischen geschmuggelt und bewährt. Gelegentlich taucht Bekanntes auf wie Kaspressknödel zu Land, welchen sie einen knackigen Paradeisersalat beistellt, oder die Zwiebel-Tarte mit Salbeibutter nach Madame Tatin. Kein Sommer ohne Pavlova, ist Pallas Sommerfrischen-Motto. Ihren Traum von Baiser mit Schlagobers verwirklicht sie mit Marillen und Birnen sowie einer Handvoll Vogelbeeren, sprich Krametsbeer oder Beeren der Erberesche. Üppig, denn die leicht karamelisierten Früchte auf weißem Tortenberg waren nicht nur optisch ein Vergnügen.

Im Wasser und Land-Kapitel überzeugte die Alpen-Ceviche, ein Gericht mit peruanischem Hintergrund – eine Fischspeise, die erfrischend, kühlend und fruchtig in einem ist. Mein persönlicher kulinarischer Knüller ist allerdings die Forellentarte mit Zucchini. Ein schöner Farbenkreisel, der wunderbar schmeckt. Die fruchtige Stegpizza, hat vor allem den Kindern gemundet. Bei ihr besteht der Teigboden praktisch aus in Dreieck geschnittenen Wassermelonenstücken, die mit Radieschen, Kirschtomaten, Pfirsichen und Feta belegt sind. Die Erwachsenen hatten bei diesem Mahl fast das Nachsehen, sie waren einfach zu langsam.

Die Salzburger Nockerl, heiß und schnell, sind eine ausgezeichnete Eiweißverwertung. Dass die weiße, angezuckerte Kuppe den Mönchsberg, Kapuzinerberg und Gaisberg symbolisieren, habe ich von Palla erfahren. Wie auch meine Kinder mit diesem Naschwerk erfahren haben, was für ein heimeliges Gefühl es ist, gemeinsam aus einer Pfanne zu essen. Da war es ruhig und nur das Schmatzen zeugte von beglückenden Momenten. Unser Dank geht an den Postwirt in St. Gilgen, von ihm stammt das Rezept. Die Birnen im Polentakuchen erinnerten mich an Yvette van Bovens Kardamomkuchen mit ganzen Birnen. Na gut, man kann ja Ideen weiterentwickeln und Palla umhüllt die Birnen nun mit Polenta. Ist ja auch spannend.

Viele Rezeptideen ließen sich noch aufzählen, die Pallas Gespür und fürs Essen ihre Originalität dokumentieren. Die Ziehharmonika-Erdäpfel mit Kräuterpesto zählen dazu wie auch die Aufstriche für die Almjause  oder die Landluftigen Buchteln mit Vanillesauce, die meinen, nach einer alten Südtiroler Rezeptur, frappierend ähneln. Nur, Pallas Buchteln kriegen die doppelte Menge an Powidl ab.

Den Schlußpunkt der Rezepte bildet allerdings der ewige Rumtopf  dem nur mehr beste Vorsätze für die Sommerfrische nachgereicht werden. Zum Beispiel, den Rumtopf nicht trinken. Aber nein, das steht da nicht. Zu den Best-off, und das gilt nicht nur für die Sommerfrische, zählt bspw.: ab 18 Uhr keine Handys mehr!

Alexandra Palla hat mit Mein Sommerfrische Kochbuch ein luftig-leichtes, der Jahreszeit entsprechendes Werk geschrieben. Davon profitieren nicht nur Erwachsene. Denn viele der vorgestellten Rezepturen sind kindertauglich. Engagierte Eltern und Großeltern, die bereit sind, jeden Tag zu kochen, finden hier genügend Anregungen, einen Sommer lang mit ihren Liebsten die Tage kulinarisch zu genießen. Sommerfrische Küche pur, die nicht nur im Sommer serviert werden muss!