Alfonsina Storni, CHICAS

Kleines für die Frau

Herausgegeben und übersetzt von Hildegard E. Keller
Mit einem Geleitwort von Georg Kohler
Edition Maulhelden Nr. 3, Zürich, 2021, 264 Seiten, 28.80 Euro.
ISBN 978-3-907248-03-4
Vorgekostet

Heute reisen wir nach BUENOS AIRES.

Dort halten wir Ausschau nach Alfonsina Storni. Das weibliche Pendant zu Egon Erwin Kisch dem rasenden Reporter. Die Großstadt Buenos Aires war ihr Revier. Auch ein Grund, so die Literaturwissenschaftlerin Hildegard Keller, warum man Storni lesen solle. Also, schlagen wir den zweiten Band, der Storni Werkausgabe in der edition Maulhelden auf. CHICAS, vereint Stornis Kolumnen, die in den Jahren 1919 und 1920 in den Zeitschriften La Nota und La Nación erschienen sind. Es geht dabei immer um die Frau. Die Kolumnen in La Nota sind eine Auftragsarbeit. Für die Frau ist der erste Artikel, in welcher Storni immer wieder den Erfinder Emin Aslan, in dem als Feminidades betitelten Beitrag, erwähnt. Die Details erfährt man, wenn zuerst die Quellen ab Seite 250 gelesen werden, und das ist ratsam. In diesem ersten Beitrag Für die Frau wird auch Frau Doktor Lanteri erwähnt, eine italienische Ärztin, die zu einer der führenden Köpfe der lateinamerikanischen Frauenbewegung zählte. Stornis Kolumnen zeugen von einer kritischen Zeitgenossin, die sowohl das Establishment aufs Korn nahm, wie sie auch die Frauenrechte einforderte. In Fossile Männer macht sie sich lustig über die Auswirkungen weiblicher Persönlichkeit auf das andere Geschlecht. Kühn erklärt Storni: Ihr Mädchen und jungen Frauen zwischen achtzehn und fünfundzwanzig, liebreizende Mädchen, noch lacht ihr, aber ich schlage euch eine Jagdpartie im Wald der Fossilien (Männer) vor. Ihr braucht keine anderen Waffen als eure Jugend, das Recht eurer Herzen und eure Aufrichtigkeit. In hellen Kleidern, plappernd wie ein Schwarm leichter Vögelchen, werdet ihr fröhlich über die Abgründe der Fossilen hinwegfliegen, und die Gerechtigkeit wird auf eurer Seite sein.

Na, traut ihr euch?

Stornis Themen sind aktuell. Die Beiträge in den Zeitungen waren von Rezepten und Werbung umrahmt. Alfonsina schreibt über Mode, über die Veränderung der Frau, kaum dass sie verheiratet ist, über Höflichkeiten und vieles mehr. Apropos Höflichkeit: Das kommt uns doch irgendwie bekannt vor: Wenn ich in eine vollbesetzte Straßenbahn steige und mir ein Herr seinen Sitz anbietet, halte ich es grundsätzlich so, dass ich sein Angebot nicht annehme. Ich … halte es für klug, dass wir jungen Frauen üben, uns von Dummheiten zu befreien …

In Stornis Kolumnen geht es um Einforderungen nach Freiheit, Selbstständigkeit und Gleichberechtigung der Frau. Kritisch heiter und unterhaltsam greift sie feministische Themen auf die heute noch relevant sind.

In CHICAS, wie auch den anderen Storni-Büchern, ist zwischen den Beiträgen immer wieder Reklame geschalten, wie damals in den argentinischen Zeitungen. Es sind frühe Zeugnisse von Werbung in den Printmedien. Auch ein seltenes Foto von Storni ist abgedruckt, wie sie in der Küche steht, den Kopf gebeugt in einem Kochtopf rührt. Von Storni kennen wir kein Rezept.

Dafür haben sich Hildegard Keller und Christof Burkhard den Kopf zerbrochen und vier Rezeptvorschläge eingebettet zwischen den Kolumnen, Rezepte die Alfonsina sicher gerne nachgekocht hätte. An erster Stelle steht hier eine Suppe. Die Bloomingtoner Rüblisuppe besteht aus Karotten, Orangensaft und Ingwer. Ein köstliche Brühe, die wärmt, wenn es draußen Minusgrade hat. Und Hildegard, die an der Indiana University in Bloomington unterrichtete, fand in der dortigen Bibliothek alle Erstausgaben von Stornis Büchern. Und so hält dieses fruchtige Süppchen, das auch in der Schweiz immer wieder auf den Tisch kommt, Einzug in Stornis Kolumnen. Das zweite Rezept ist sehr ungewöhnlich eine Hildegard-Christof-Erfindung im Gedenken an Büchner, und hier idyllischer Ausprägung an Storni. Quenelles de poin ist ein Erbsenstampf, der mit Feta und Lachs verfeinert wird. Des weiteren folgt ein Abstecher ins ferne Japan, mit Sushi für die Storni und zurück in die heimatlichen Schweizer Gefilde mit einer Nusstorte. Storni reiste öfters nach Europa und in die Schweiz. Und sie mochte Süßes. Gehen wir also davon aus, dass sie auch die Nusstorte kannte. Diesen Kuchen aus Mürbteig und karamellisierten, grob gehackten Nusskernen gibt es in unzähligen Ausführungen. So unterscheidet sich die Engadiner Nusstorte von den anderen durch die Verwendung von Walnüssen, statt Haselnüssen oder Mandeln. Kellers Süsse aus der Fremde hätte Storni sicher gut geschmeckt.

Alfonsina Storni wünschen wir posthum, dass sie mit ihren nun von Keller ins Deutsche übersetzten Schriften ein breites Lesepublikum findet. Sie offenbarte in den Kolumnen ihr Inneres, um Sitten und Gewohnheiten zu verändern. CHICAS von Alonsina Storni ist radikal und moderner denn je.