Babs Zobl, FOOD & FRIENDS

Gemeinsam schlemmen & genießen

Mit Fotos von Babs Zobl
Mit Illustrationen von Chantal Peters
Tyrolia Verlag, Innsbruck, 2024, 160 Seiten, [A] 29.-- Euro
ISBN 978-3-7022-4173-5
Vorgekostet

Heute reisen wir in den Osten Österreichs.

Zu Babs Zobl. Sie ist jung, sie ist hübsch, sehr hübsch, und sie kann kochen. Babs, die geschätzte Anfang Dreißigerin, ist Oberösterreicherin, hat die prägenden frühen Jahre auf dem Bauernhof ihrer Großmutter verbracht. Ein Kind mit großem Freiheitsdrang. Spielen, herumtoben und kochen zum Herunterkommen. Diese Gegensätzlichkeit lernte die Hochsensitive früh, sich zu eigen zu machen; eine Lebensmaxime oder eher schon Überlebensstrategie. Jedenfalls scheint sich diese Haltung bewährt zu haben. Seit sie denken kann, dreht sich in ihrem Leben alles ums Essen, Kosten, Kochen und Genuss. Und präsentiert sich gleich selbst auf der Titelseite ihres Kochbuchs Food & Friends, wie sie gerade eine Cherry-Tomate zum Munde führt. Sinnlich, lustvoll, lebensfreudig stimmt das Cover wie ein Song zum gemeinsamen Schlemmen & Genießen an. Vor der Autorin ein Tisch voller Köstlichkeiten: Honiggurken, Feigen, ein Korb mit Tomaten … Ein so erfrischendes und lebensbejahendes Titelbild habe ich schon lange nicht mehr gesehen.

Auf sieben Kapitel verteilt kreiert Babs ihre Dips, Crackers, Pickles, Salate und Sweets. Auch Fingerfood und Mains gehören dazu. Alle Gerichte in einer Portionsgröße. Auf eins – eine Person – liegt die Betonung, aber großzügig ausgelegt. Denn das, was Babs hier auftischt, ist Teil eines Konsumprinzips. Gemeinsames Essen vieler Speisehäppchen, wie man es aus anderen Kulturkreisen kennt. In der Levante wird Mezze aufgetischt, in Spanien sind es Tapas, in Georgien ist Die Tafel Ausdruck kulinarischer Gemeinsamkeit und in China werden in der Regel die Gerichte in die Mitte des Tisches gestellt, und alle bedienen sich davon. Sharing plates, also Teller teilen ist der rote Faden, der sich durch das Kochbuch zieht, und die Ausgangssituation für viele kleine bis mittelgroße Gerichte. Austausch statt Futterneid ist ein neuer, alter Trend.

Mit To Dip beginnt die kulinarische Fahrt, gleich einer Achterbahn durch die Länder. Die Steirische Käferbohne im roten Dip trifft auf ungarisch Paprika, die sich geschickt versteckt in Rote Mojo, und die Butterskulptur, mit Spritzsack geformt, lässt mich an eine archaische Venus denken. Zatar, eine Gewürzmischung aus Sumach, Sesam und Salz wird hier geröstet und, mit etwas Olivenöl vermengt, eine schnelle Tunke oder Brotaufstrich, einfach aber mal was anderes und mit einem Ei zu einem kleinen Essen. 

 In der Abteilung Crisps & Cracker gibt es Walnusscrunch karamellisiert. Es ist eine Mischung aus Nuss, Öl, Honig und Salz, was sich gut auf Ofengemüse macht oder im Salat, aber die Aromen, laut Lisa, in Wellen herankommen lässt. Die Salznote ganz am Schluss liebt sie. Cheese-Cracker muss man nicht mehr kaufen, hier gibt es das Rezept und für Freundebesuch macht man gleich eine große Ladung davon. Dass sie intensiv käsig-buttrig schmecken findet nicht nur Babs. Bildlich wird eingeblendet, dass Pilzpesto gut dazu passt. Derartige Querverweise tauchen immer wieder auf, verknüpfen so eine Vielzahl an Rezepten miteinander. Gefallen haben mir die Kornsticks, für die schon etwas mehr Zeit einzukalkulieren ist. Unter 1,5 Stunden geht gar nichts, und wenn sie dann fertig sind, sind sie meist auch schnell gegessen. Die Crackers aus Zatar, Leinsamen und Sesam oder aus Dinkel-Vollkorn und Sonnenblumenkernen sind hauchdünn. Die Aufmachung bekommt hier eine spielerische Note, und die Salzcracker mit den Löchern werden zu Masken.

Die Wirsing-Chips, dünn & knusprig, sind genial und aus einer Laune des Zufalls heraus entstanden und jetzt zur EM-Zeit ein einfaches Knabbergebäck. 

Aus den Sour Pickles picke ich mir die Honiggurken und den Senfkaviar, wobei Letzteres fast nach Diät ausschaut. Aber das muss jede und jeder selbst herausfinden. Die Honiggurken fallen optisch wieder auf, da die Gurken so geschnitten sind, als würden sich kleine grüne Haie in einem Meer aus Senfkörnern tummeln. Hier kommen Schrift und Bild in Harmonie, als Ausdruck von hohen Designer-Ansprüchen, die uns in den Bann ziehen.

Bei den Fingerfoods fallen sofort die spanischen Croquetas mit Räucherforelle auf: in ihrer Konsistenz cremig und knusprig zugleich ein spannender Gaumenschmaus. Aber noch besser gefallen hat mir Salvia Fritta mit Bierteig, eigentlich ein klassisches Toskana-Rezept, nur anstelle des Olivenöls hier also Bierteig, was den Salbeiblättern eine leicht nussige Note aufdrängt.

Ab hier weitet sich der Zutatenhorizont stetig, kommen Dirndl-Oliven, das sind eingelegte Kornelkirschen, französische Buttersauce, Polenta oder Kimchi aus der koreanischen Küche ins köchlerische Spiel.

Im fünften Kapitel, den Mains, lässt das Tomatencarpaccio aufhorchen, das mit Parmesan und einem Pinienkerncrunch leicht bedeckt ist, ohne antrengend zu wirken, steht doch crunch im umgangssprachlichen Jugendjargon für stressig. Die Frittierte Melanzani sieht wie ein plattgedrückter Pinguin aus und für Freund Peter ist dieses Gericht ein Triumvirat von knuspriger Panade, saftiger Salsa und cremiger Zitronenmayo. Zwei spannende Gerichte sind die saure Kalbszunge mit Essiggurken & Kaviar sowie der Schweinebauch mit Zwetschgenragout. Wüsste ich es nicht, spätestens hier hätte ich vermutet, dass Babs Zobl auch eine Kochausbildung und Kurse, etwa bei Johanna Maier absolviert hat. Mit Schwein und Zwetschge verbeugt sie sich vor der polnisch-ukrainischen wie auch chinesischen Küche, und das Besondere, ihre Eingebung, ist, den Bauch in einem Sud aus Sojasoße und Weihnachtsgewürzen langsam zu kochen. Und während der Bauch da schwimmt, scheibchenweise im Ragout, steigen feine Aromen auf, die glücklich machen. Viele Seiten sind mittlerweile markiert, alles Rezepturen, die verkostet werden wollen. Der Hokkaido auf weißer Bohne mit Walnusscrunch bspw. oder der Fisolen-Salat mit Basilikum-Rucola-Pesto oder der Rübensalat mit Brombeeren – sie müssen warten bis zur Erntezeit von Kürbis, grüner Bohne und Beeren. Schwer fällt mir, auf die Clafoutis zu warten, die von Babs leicht entfremdet mit Kriecherl gemacht, ich jetzt mit frischen Kirschen genieße. Im August dann, wenn die Kriecherl reif sind, dann backe ich zu. In sweets & treats, dem letzten Kapitel, gibt es eine kleine, feine Auswahl an Süßspeisen, die sich perfekt zum Teilen eignen. Vom Bananenbrot bis zum Seidentofu-Schokomousse, alles denkbar Undenkbare ist hier vertreten, alles mit dem Schwierigkeitsgrad easy gekennzeichnet.

FOOD & FRIENDS von Babs Zobl ist ein Blickfang an Farben, schönen Bildern, angenehmer Schrifttypen wie auch abwechslungsreich an Gerichten und Texturen. Immer wieder assoziiert Babs spielerisch Gemüse und Obst zu kleinen Kunstwerken. Langeweile kommt nie auf, nein. Dafür sorgen auch die Freundinnen, die an diesem Kochbuch mitgearbeitet haben und am Ende vorgestellt werden. Handwerkerinnen, die ihr Metier verstehen, von der Fotografin, Illustratorin bis zur Keramikerin. Darüberhinaus kommen auch FreundInnen zu Wort in kurzen Statements, die die Gerichte verkosteten und so einen ersten Benchmark setzten. Sie sind anonymisiert, weil Babs sich auch einen Spaß gönnen wollte, die FreundInnen rätseln zu lassen, wer hinter diesen Namen steckt. In FOOD & FRIENDS verknüpft die Autorin ihr soziales Umfeld, ihre sprachliche Kompetenz und ihre Persönlichkeit, eine unbändige Lebensfreude, was sich intrinsisch in den Rezepten entlädt. Ja, das Kochen und Entwickeln von Rezepten sind ein Ventil, gleichzeitig ihr Motor, von innen heraus Neues zu schaffen. Ein großartiges Kochbuch, das junge und jung gebliebene Köchinnen und Köche begeistern wird. Aus dem Augenblick heraus, sich spontan auf Neues einzulassen ist eine Triebfeder. Z. Bsp. das Kochwasser von den Kichererbsen, das beim Hummusmachen anfällt, wurde bisher immer weggeschüttet. Jetzt nicht mehr, denn das stärke- und proteinhaltige Wasser, Aquafaba, verwende ich nun für eine Zitronen-Mayo und überrasche damit manch abgebrühten Mayonnaise-Fan. Babs Kochbuch richtet sich vorrangig an die jüngere Generation. Zeitgeistig, dem Prinzip sharing plates treu, will sie auch Geschichten erzählen und vermitteln. Sehr sympathisch und pragmatisch ist dieses fast Ausnahmekochbuch, überwiegend vegetarisch angelegt. Die Zutatenlisten sind überschaubar, zum Teil sehr kurz, die Anleitungen gut verständlich. Die Auswahl der auffallenden und gleichzeitig zurückhaltenden Rezepte scheint spontan erfolgt zu sein. Ein wohltuende Frische und Ungestümtheit spricht aus den Rezepten, was mich dazu veranlasst, FOOD & FRIENDS meinen Enkeln zu schenken.