Barbara Lutterbeck, Brunhild Seeler-Herzog, Zu Gast in Aserbaidschan

Wienand Verlag, Köln, 2016, 176 Seiten, 24.80 Euro
ISBN 978-3-86832-305-4
Vorgekostet

Heute reisen wir nach ASERBAIDSCHAN.

Aserbaidschan reckt sich vom Kaspischen Meer aus nach Westen, weit hinein in das Kaukasus Gebirge. Dort stößt es auf Armenien. Beide Länder sind in einem unsinnigen Streit um die Berg-Karabach-Region, haben sich eingegraben in der felsigen Landschaft; ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht. Im Norden grenzt es an Georgien und Russland, im Süden an den Iran. Aserbaidschan, ein Land so groß wie Österreich, in welchem 9,5 Mio Menschen leben. Reich an Landwirtschaft und schön, das ist der Osten. Wildromantisch mit den Reizen der ungebändigten Natur, den Hochebenen des Kleinen Kaukasus und schwerzugänglichen Dörfern, wo die Moderne noch nicht angekommen ist. Ein geschichtsträchtiges Land, das hierzulande gänzlich unbekannt ist. Der im Wienand Verlag erschienene Bildband Zu Gast in Aserbaidschan soll es von seinem Schattendasein befreien und aufzeigen, welche Schönheiten und Schätze das „Land des Feuers“ birgt. Das gelingt nur zum Teil, denn die Fotos und vor allem die Texte bleiben auf Distanz. Sie zeigen Architektur, wilde Landschaften, einen Reiter, eine Frau mit traditioneller Mütze, Marktleben und viel Baku, die Hauptstadt. Keine Frage, es sind schöne Reisebilder, allerdings kommen darin die AserbaidschanerInnen nur als Staffage vor. Auch die Begleittexte bleiben seltsam blutleer, beschränken sich auf fast schon lexikaische Zurückhaltung. Zum Beispiel erfährt man im Kapitel Schleierfrau, dass die Frauen sehr früh – in den 20er Jahren – das Wahlrecht bekamen, die sowjetische Ära ihnen viele berufliche Möglichkeiten eröffnete, sie sehr selbstbewusst sind und keinen Schleier oder Kopftuch tragen, dass offen über frauenspezifische Themen und Probleme geredet wird. Was das aber konkret heißt, etwa wie in dieser muslimischen Gesellschaft die nicht kopftuchtragenden Frauen gesehen werden, das bleibt außen vor. Auch keine direkten Aussagen von Frauen dazu. Auch keine von Jugendlichen oder Bauern, wie sie ihr Land sehen. Nur fotografische Momentaufnahmen und kein Blick ins Wohnzimmer. Dabei verspricht das Buch zu-Gast-Sein in Aserbaidschan. Offensichtlich bezieht sich das auf den zweiten Teil der Publikation, in welchem die aserbaidschanische Küche im Blickfeld steht.

Der Übergang zieht sich über 20 Seiten: Da werden Marktszenen gezeigt, vor allem was aufliegt und feilgeboten wird, von Gewürzen bis zu lebendem Federvieh, von Granatäpfeln bis zu würzigen Käsesorten und Raritäten wie den Schor. Ein körniger Käse, der zum Gerinnen der aufkochenden Milch einen Schuss Gatig, das ist cremige Joghurt, benötigt. Der Bruch wird dann zum Reifen in Weinschläuche aus Schafsleder abgefüllt. Schade, dass dieser Käse mit der besonderen Geschmacksnote bei uns nicht zu bekommen ist.

In der Einführung über die Küche Aserbaidschans gibt die Autorin Seeler-Herzog zunächst einen groben Überblick über diese Kochkultur. Da erfährt man, dass viele landwirtschaftliche Produkte aus Aserbaidschans Feldern und Gärten im eigenen Kochtopf landen. Das liegt auch auf der Hand, denn der Anteil der Landwirtschaft beträgt immerhin über 40 % am Bruttoinlandsprodukt. Reisgerichte und hier vor allem Pilaw oder Plow in allen Variationen werden gerne gegessen. Erschmeckbar ist, wie fließend die Kulturgrenzen sind. Der Einfluss des Iran und Armeniens, aber auch Georgiens ist nicht zu leugnen. Es gibt auch eine eigenständige Linie in der Kochtradition, die zwar einfach, aber gerade deswegen schon wieder etwas Besonderes ist. Das sauer eingelegte Obst und Gemüse gehört dazu. Ohne viel aromatischen Schnickschnack, reduziert auf Lorbeer, Pfeffer, Koriander und Weißweinessig, ist das Ergebnis eine knackfrische Beilage zu Fleisch. Eine besondere Überaschung aber waren die mit Eiern überbackenen Nüsse oder Kükü. Dieser Walnusskuchen nimmt in meinen bisherigen Kocherfahrungen eine Sonderstellung ein, da ich ihn nicht einordnen kann. Nur so viel: üppig aber sehr, sehr gut. Auch die gefüllten Auberginenröllchen waren ein wahrer Genuss, zudem ein Augenschmaus, wie sie, auf Kornellkirschen gebettet, serviert wurden. Den Festtagsplow oder Schah-Plow  servierte ich meinen reisbegeisterten Kindern – sie waren verzückt von dem wunderbar duftenden Pilaw mit seinem Inhalt aus Kalbfleisch, Basmatireis, Maronen, Aprikosen und Datteln. Dazu gab es Granatapfel-Scherbet und der Abend war perfekt. Da Aserbaidschan ein Schaf- und Gemüseland ist, werde ich Ihnen das Rezept für Sadsch Itschi vermitteln, das ist Im Wok gebratenes Fleisch mit Gemüse.

Der zweite Teil von Zu Gast in Aserbaidschan ist ausschließlich den Rezepten gewidmet. Klar und einfach in der Anleitung, ergänzt mit wunderbaren Foodbildern, ist dieser Teil ausgezeichnet gelungen. So gut, dass ich ständig versucht bin, immer wieder dieses Buch aufzuschlagen und etwas Neues auszuprobieren. Wer sich mit den allgemeinen Informationen über Aserbaidschan, wie sie im ersten Teil dieses Buches dargelegt sind, zufrieden gibt und sich vor allem auf die Rezepte konzentriert, der wird voll zufriedengestellt. Auch wenn man die orientalische Küche zu kennen glaubt, hier gibt es noch einiges zu entdecken.

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