Heute reisen wir mit den JAHRESZEITEN.
Kochenderweise natürlich. Dafür haben wir auch einen Spezialisten gewonnen: Ben Kindler. Sein jugendliches Aussehen lässt nicht vermuten, dass er schon einige Jahre als Koch gearbeitet hat. Er ist in der Sterneküche genauso zuhause wie in den Küchen des Südostens bis weit hinüber in die von Monsun geprägten Länder. Auch einige Kochbücher tragen seine Handschrift bzw. seinen Kochlöffel. Heute führt Ben eine Kochschule, mit der er kulinarische Erlebnisse von regional badisch bis Streetfoodartigen aus Bangkok anbietet. Und jetzt, ganz aktuell, ist sein Kochbuch JAHRESZEITENKÜCHE im Südwest Verlag erschienen.
Der Aufbau ist einfach. Die vier Jahreszeiten werden umrahmt von einem einleitenden Basic-Kapitel und einem ausklingenden Fleisch & Fisch als Upgrade-Kapitel. Nicht ohne vorher sein Ansinnen, warum er dieses Kochbuch geschrieben habe, uns Nutzern mitzuteilen. In punkto Kochen war für ihn seine Mutter prägend. Und dann gab es noch den nie verwirklichten Wunsch, einen Bauernhof zu führen. Aber die Liebe zur Natur und den guten Dingen daraus, wie richtige Kuhmilch oder frisches Gemüse als Koch zu verarbeiten, die blieb. Und so will er mit diesem Buch für den Kreislauf der Natur begeistern, wie auch für einen achtsamen Umgang mit ihren Ressourcen. Ein hehres Ziel, eingebettet in Alltagsgerichte mit Wohlfühlambitionen.
In den Basics wird sehr ordentlich, eigentlich aufgeräumt, muss man sagen, das vorgestellt, was Kindler für die Küche wichtig ist. Also Küchenwerkzeug und viele Grundprodukte vom Salz über Pasta, Öle, Brühen bis zu Brot & Co.. Zunächst zählt er die Lieblingsgewürze von Chilischote bis Za’tar auf, dann die Mengenverhältnisse von Reis für 2 Personen (das zu wissen sehr nützlich sein kann) und Grundrezepte von Gemüsebrühe bis Brioche oder Focaccia. Ja, hier ist der schulische Gedanke sichtbar, vermittelt der Autor fast spielerisch Wissen ohne groß in die Tiefe zu gehen. Dabei hätte in den Texten ruhig mehr Hintergründiges einfließen können, so bleibt die Sprache eher beiläufig. Hingegen wird der bildhaften Ausstattung sehr viel Raum gegeben wird, bspw. werden einige der vielen unterschiedlichen Nudeltypen fast plakativ vermittelt. Die fotografische Gestaltung des Kochbuchs ist hervorragend. Die dargestellten Objekte und Gerichte heben sich schön vom einfärbigen Hintergrund ab, so dass allein das Durchblättern schon ein Genuss ist. Dazwischen eingestreut Alltagsszenen mit und ohne den Autor.
Ebenfalls eingestreut in den Rezeptkapiteln sind vier Exkurse zu den Jahreszeiten, so eine Art Einführung, Gedanken und Gefühle des Autors, die Antonia Wiener zusammengefasst hat. Frühling ist Spargelzeit und überhaupt Aufbruchstimmung, Sommer ist Tomatenzeit und Märkte und Dolce vita sowieso. Der Herbst und der Winter haben auch so ihre Stimmungseigenheiten, was sich letztlich in den Rezepten widerspiegelt, klarerweise, da saisonale Angebote verarbeitet werden.
In den Frühling starten wir mit einem Bärlauchcremesüppchen. Das schäumende Süppchen ist leicht gedopt mit Sojalecithin, aber harmlos, dafür mit festem Schaum, der selbst bei den besten Biereinschenkern Achtung hervorruft. Das süß-saure Gemüse enthält dann schon mehr Grünzeug, das sich in feinen Rottönen präsentiert, weil Karotten und Radieschen vorherrschen. Jedenfalls eignet sich das eingelegte Frühlingsgemüse hervorragend als Vorspeise oder Snack für Zwischendurch. Wie auch die nachfolgenden Quiches, die einmal vegetarisch und dann vegan vorgestellt werden, d. h., der Teig einmal mit Ei und dann ohne Ei zubereitet, und die vegane Füllmasse mit Tofu gemacht. Was aber Nichtveganer nicht hindern muss, eine eigene Variante mit gewürfeltem Speck zu eröffnen. Mit dem karamellisierten Spargel mit Ingwer und Miso wird das Tor nach Asien aufgestoßen. Aber nicht nur das finde ich spannend, sondern den Schritt Kindlers, endlich Spargel einmal anders zu präsentieren als immer mit Sauce Hollandaise, Kartoffeln und Schinken.
Es ist leichte Kost, die Ben hier präsentiert, wie das Kartoffelrösti mit Spiegelei. Einfach und familientauglich, so wie sein Anspruch. Die viererlei Rührei sind eine Anlehnung an die italienische Küche, da alle Ei-Varianten auf geröstetem Brot serviert werden, ähnlich den Bruscetti. Mit diesen Spielarten sind alle Geschmacksvorstellungen abgedeckt, außer eine Person hat eine Ei-Unverträglichkeit, wenn es so etwas gibt? Meine Enkel mochten die vegane Variante mit Seidentofu und Cherrytomaten, aber die Brokkoliröschen haben zwei von ihnen rausgeklaubt und mir auf den Teller gelegt. Der grüne Spargelsalat mit Erdbeeren ist eine Warm-Kalt-Geschichte. Der warme Spargel wird mit kalten Erdbeeren dekoriert. Im Baden-Württembergischen wird dieses Gericht ‚Breschdleng mit Spargel‘ genannt und mit Crêpes serviert. Breschdleng sind Erdbeeren und so nennt sich auch eine Rockband, aber das ist eine andere Geschichte.
Kindler versteht es auch, mit seinen Rezepten den Geschmack der Jüngsten anzusprechen. Dazu gehört das Rhabarberkompott mit Ingwerstreuseln, Burrata mit Pfirsich und Tomaten, die cremige Polenta mit Sommergemüse und Kräuterpesto und einige Gerichte mehr.
Auf die anderen Jahreszeiten gehe ich nicht ein, da ihre Produkte erst im Reifen sind und zu gegebener Zeit dann ausprobiert werden. Aber, aus den bisherigen Erfahrungen lässt sich ableiten, dass auch die Herbst- und Wintergerichte von regionalem Obst und Gemüse bestimmt sind, das Geldbörserl vom Einkauf der Zutaten nicht überstrapaziert wird und das, was auf den Tisch kommt, Jung und Alt schmeckt.
Die JAHRESZEITENKÜCHE von Ben Kindler ist eine anschauliche Rezeptesammlung, die alle Geschmacksrichtungen bedient. Selbst Fisch- und Fleischliebhaber kommen mit einem eigenen Uprade-Kapitel auf ihre Kosten. Die Rezepte sind übersichtlich aufgebaut, die Mengen der Zutaten überschaubar, nie überbordend und die Anleitungen mit Ergänzungen sowie Zeit- und Mengenangaben gut nachvollziehbar. Mit den 70 Wohlfühlrezepten Ben Kindlers – einem Mix aus europäisch, orientalisch und asiatisch – kann so gut wie nichts schiefgehen. Meine Chorfreunde werde ich heute mit Blaubeermuffins mit Schmand überraschen und ich weiß, dass sie mich danach nach dem Rezept fragen werden.