Heute reisen wir in die USA.
Das fällt uns – mir und einem Großteil meines Freundeskreises – schwer, nachdem Mr. Trump zum Präsidenten gewählt wurde. Nicht, weil wir Schwierigkeiten hätten, ein Visum zu bekommen, nein, viel mehr ist das eine persönliche Angelegenheit, eine politische Haltung und vor allem unsere Vorstel- lungen von den USA, die da ins Wanken ka- men. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen. Ich mag die USA und die Ameri- kannerinnen und die Amerikaner. Und die, die ich kennengelernt habe, waren nicht wie Trump. Manchmal etwas verschroben, aber immer sehr freundlich, ja liebenswert. Mit dem Essen in den USA hatte ich teilweise die viel größeren Schwierigkeiten als mit den Menschen und auch schlechte Erfahrungen gemacht. Gerade mit amerikanischem Brot, das zum … – na, Sie wissen schon – ist. Anders erging es mir mit dem amerikanischen Frühstück und Brunch. Das war immer kol- losal, ein Ausdruck amerikanischer Lebens- freude und -fülle. Da konnte ich mich ein wenig mit dem Labberbrot anfreunden, in geringster Dosis. 93 % der Amerikaner halten das Frühstück für die wichtigste Mahlzeit des Tages. Und wer schon einmal die Haupt- und Einfallsstraßen der amerikanischen Cities entlang gefahren ist, weiß um die vielen Cafés, die den typischen Coffee to go anbieten, mit und ohne Pancakes. Und es verwundert nicht, dass Amerikaner, wenn sie sich im Rest der Welt aufhalten, am meisten das amerikanische Frühstück vermissen.
So mag es auch Carrie Solomon ergangen sein, als sie nach Paris zog. Aber Carrie ließ sich ihre kulinarischen Heimatfreuden nicht nehmen und zelebrierte weiterhin Breakfast for Din- ner, etwas überspitzt formuliert. Und, sie hat ihrer amerikanische Esskultur ein Kochbuch gewidmet; auf französisch. „Une Américaine à Paris“ ist ins Deutsche übersetzt als Carrie‘s Kitchen im Knesebeck Verlag erschienen.
Einleitend macht sie darauf aufmerksam, dass die amerikanische Küche reich und vielfältig ist. Mehr als nur Burger und Cookies. Die regionalen Küchen sind geprägt vom meltingpot einer bunt zusammengewürfelten Bevölkerung und von den unterschiedlichen geographischen sowie klimatischen Bedingungen. Schön übersichtlich dargestellt mit einer Karte, auf welcher knappest die unterschiedlichen Kochausprägungen angeführt sind. So erfährt man, dass im Nordwesten die Pazifikküche viel Fisch hat, im Nordosten finden sich Hummer- und Muschelgerichte, auch Sandwiches, im mittleren Westen sind es Hochrippen vom Rind und Coffee Cake, im Süden die Tex-Mex Küche, im Südwesten indianisch beeinflusste Essen mit Kürbis, Mais und anderen Zutaten usw. Diese Auflistung findet sich dann zum Teil wieder in den folgenden Rezepten.
Solomon gliedert ihre amerikanische Kochexpedition in fünf Bereiche, die auch die Kapitel sind. Sie beginnt mit Breakfast and Brunch, das ist das ausführlichste Kapitel. Dann fährt sie mit den Sandwiches fort, legt einen Zwischenstopp bei den Soups and Salads ein, kommt nun zu den Dinners und beendet ihre Reise im Desserts. Nicht in den Wüsten, sondern im süßen Land der Kekse und Kuchen. Am Beginn dieses Streifzugs gibt es aber treffliche Ratschläge, die die amerikanische Übermäßigkeit auf ein ernüchterndes Maß reduzieren. Eine Skillett wird zum wichtigsten Werkzeug erkoren und die Produkte, die unbedingt vorrätig sein sollten, lassen sich an einer Hand aufzählen. Dazu gehören eine Gewürzmischung, die Old Bay Seasoning, die Worcestersauce, Backnatron und Liquid Smoke. Auf Letzteres könnte man m. E. auch verzichten, aber fürs Lagerfeuerfeeling in gewissen Speisen ist es eventuell für manche Köche unentbehrlich. Die Skillett, für jene, die nie davon gehört haben, ist eine gusseiserne Pfanne, mit dem Hang zur Patina, je länger sie im Gebrauch ist. Und wer mit Carrie kocht, wird sie häufiger benötigen als jedes andere Kochwerkzeug. Aber keine Angst, normale Pfannen und Töpfe, eventuell ein Wok, genügen völlig.
Über 80 Rezepte stellt uns die Autorin in ihrem Kochbuch vor, darunter viele Klassiker. Und sie beginnt mit Pancakes. Sie gehören zu einem richtigen amerikanischen Frühstück wie die Butter auf das Brot. Pfannkuchen gibt es in unzähligen Varianten – die einen mögen sie mit Maplesirup (Ahornsirup), die anderen mit Bacon (Räucherspeck) serviert. Ich mag sie gerne mit Obst, bspw. mit Apfelspalten. Ein richtiges amerikanisches Frühstück ist sehr vielfältig und auch üppig. Viele Eier, viel Butter und Sahne sowie Ba- con, sind die wohl häufigsten Grundzutaten. Daraus werden kleine Leckereien gezaubert wie Bagels, Donats, Hash‘n Egg, Biscuits & Gravy, Oatmeal der zeitlose Haferbrei, den die Engländer Porridge nennen, und natürlich Blueberry Muffins. Für Schwerarbeiter, wie Holzfäller und Cowboys oder Truckerfahrer, gibt es als Zugabe noch Grits and Eggs, das ist eine Art Polenta-Ei-Auflauf, im Ofen herausgebacken – gut aber deftig. Dieser Polenta-Ei-Auflauf wie auch die Biscuits & Gravy (Seite 50), das sind Brötchen mit einer Fleischsoße, sind an und für sich kleine, sättigende Mahlzeiten. Und so sind wir schon in der nächsten Ebene angelangt, die der Zwischenmahlzeiten. Dazu gehören Gerichte wie Meatball Sub Sandwich, das sind kleine mit Gemüse und Hackfleischbällchen belegte U-Boote, weil Sub für Submarine steht. In New York heißt es Hero. Die gesunden mit viel Grünzeug belegten mehrstöckigen Kalifornischen Clubsandwiches habe ich Freunden vorgesetzt. Es gab viel Gelächter bei den kieferverrenkenden Versuchen, Herr über die Sandwiches zu werden. Geschmeckt hat es allen. Wie auch die Broccoli Beer Cheese Soup, die ich ihnen auch zum Probieren vorsetzte. Ein feines wärmendes Süppchen in der kalten Jahreszeit. Ausprobiert habe ich auch das Backhähnchen nach Südstaatenart, das nicht nur wegen der Old Bay Gewürzmischung eine wunderbare Aromanote bekam. Auch die Marinade mit Buttermilch war eine kleine Überraschung und der Kartoffelsalat mit selbstgemachter Mayonnaise ließ schöne Erinnerungen an die USA wach werden.
Im Dessertkapitel findet sich Bekanntes und weniger Bekanntes. Pumpkin Pie und Karottenkuchen gehören zu Ersteren, während der Peach Cobbler – ein Pfirsichauflauf – in dieser Art eine süße Entdeckung war. Das Rezept ist im Ordner abgelegt.
Am Ende gibt es noch Rezepturen für drei Getränke sowie für Saucen und diverse Dressings. Ein ausreichendes Rezeptregister und eine umfangreiche, z. T. kommentierte Adressenliste für amerikanische Lebensmittel runden den kulinarischen Roadtrip ab.
Carrie Solomon versteht es, mit ihren Rezepten zu verführen. Das hängt unter anderem mit dem verspielten Layout zusammen. Anders gesagt: Die Autorin vermittelt mit den schönen Illustrationen amerikanische Lebensfreude in kulinarischen Häppchen.