Christina Wiedemann, Sabine Nimz, Das Aroma der Jahreszeiten

Vegetarische Rezepte und Geschichten aus den Alpen

Mit Illustrationen von Sabine Nimz
Fotos von Manfred Stromberg
Stiebner Verlag, München, 2024, 152 Seiten, [D] 26.- Euro | [A] 26.80 Euro
ISBN 978-3-8307-1077-6
Vorgekostet

Heute sind wir in den TIROLER BERGEN.

Mit zwei Frauen. Freundinnen, die sich von kleinauf an kennen. Christina und Sabine verbrachten als Kinder die Ferien auf einer einfachen Almhütte in den Wildschönauer Bergen. Mit dem Erwachsenwerden trennten sich ihre Wege. Es vergehen Jahre – beide Frauen haben inzwischen eigene Kinder, sind beruflich erfolgreich – bis sie wieder gemeinsam in den Bergen herumstreifen. War früher die Natur bloss Spielplatz ist sie jetzt ihr Rückzugsort, Beobachtungsraum und ‚Hexenküche‘. Während Sabine die Natur bis in die kleinsten Details mit ihrer Aquarellianerbrille betrachtet und wiedergibt, lässt Christina, die Ökotrophologin, aus den originären Zutaten der Alpenküche moderne vegetarische Gerichte und Klassiker entstehen, die nun in einem Kochbuch zusammengefasst sind. Das Aroma der Jahreszeiten, so der Titel, stellt Protagonisten in den Mittelpunkt, die sich nicht jederfrau und jedermann sofort erschließen. Eierschwammerl, Granten, Kletzen, Maroni und Rohnen werden zu Palatschinken, Salaten oder Brezenknödel mit Rahmschwammerln verarbeitet. Aber keine Angst, die wichtigsten Begriffe aus diesem alpenländischen Kauderwelsch werden ins Deutsche übersetzt, die Gerichte verständlich. Die Rezepte orientieren sich, wie aus dem Titel ersichtlich, an den Jahreszeiten. Dabei ist den beiden Autorinnen auch wichtig, dass Volkskundliches, Brauchtum und Feste als Teil der Kulinarik zu betrachten sind, was sich in vereinzelten Exkursen niederschlägt. Da geht es um das Binden von Kräuterbuschen und deren Symbolik, um die Preiselbeeren, die dann zu einem süß-sauren Chutney oder Marmelade eingekocht werden oder der Buchweizentorte als Füllung erst jene Note verleihen, die sie dann so einzigartig macht.

Also, tauchen wir ein in den Jahreszyklus, lassen wir uns überraschen, was Christina und Sabine im Frühling, Sommer, Herbst und Winter so mögen. Im Frühling erwacht die Natur aus ihrem Winterschlaf, beginnt frisches Grün zu sprießen. Für ein Picknick ist es noch zu früh, Schnee bedecken die Almwiesen. Aber die ersten Boten stecken voller Wirkstoffe und die wollen wir unserem Körper zuführen. Mit Gänseblümchen veredeln wir Salz, die Blätter von Bärlauch, Giersch, Löwenzahn, Spitzwegerich und Gundermann werden mit Essig und Honig zu einem Heil- und Würzmittel. Manchen bekannt als Oxymel, einem entzündungshemmendem und fiebersenkendem seit der Antike bekannten Arzneimittel. Auch aus der Versenkung des Vergessens hervorgeholt ist der Wiesenklee, mit der roten Blüte als Markenzeichen, der zum Rotkleesirup ein idealer sommerlicher Durstlöscher sein kann. Eine wunderbare Idee sind die Bärlauch-Kaspressknödel auf Blattsalat, ein Gericht, das sich nicht nur auf den Frühling beschränkt, sofern man ein wenig von diesem wilden Knoblauch vorrätig, sprich tiefgefroren hat.

Je weiter man durch das Kochbuch blättert, desto mehr fallen mir Rezepte auf, die das gewisse Etwas besitzen, kleine Überraschungen parat halten. Dazu gehören Kasspatzen mit Brennnesselspitzen oder die Garten-Focaccia. Da mutiert der Brotfladen mit viel aufgelegtem Gemüse zu einem verzehrbaren Gemälde. Die Karfiolpizza verblüfft mit einem Teigboden, der aus geraspeltem Blumenkohl besteht. Und die Moosbeernocken, nun, da werden Kindheitserinnerungen wieder wach. Und ich nehme mir vor, mit meinen Enkeln in die Beeren zu gehen, wie man früher sagte.

Der Kirschenmichl steht für Scheiterhaufen und ich muss gestehen, dass ich dieses Gericht so nicht kenne, da ich diesen immer mit Äpfeln mache. Also, warum nicht mal anderes Obst, etwa Rhabarber oder Pfirsich verwenden?

Jetzt im Herbst stoße ich auf die Kürbis-Birnen-Konfitüre, was mir als Kombination gut gefällt. Weniger, dass konzentrierter Gelierzucker im Verhältnis 3:1 zum Einsatz kommt. Aber Kochen ist auch Experimentieren und ich sehe das als Herausforderung, ein wenig an den süßen Stellschrauben zu drehen. Schauen wir, was dabei rauskommt.

Im Winterangebot gibt es einige interessante Gerichte. Mit dem  kräftigenden Süppchen aus geröstetem Karfiol mit Rohnen-Chips wie auch der Cremigen Polenta mit Wurzelgemüse und gerösteten Haselnüssen oder dem Sämigen Dinkelrisotto mit Kürbis und Knusper-Grünkohl können wir unsere Energiereserven auffüllen. Im Aroma der Jahreszeiten-Kochbuch finden sich auch bekannte Gerichte wie der Reiberdatschi mit Apfelmus oder ein Kaiserschmarrn mit Preiselbeeren und Apfelmus. Die Sparte Weihnachten wird mit Früchtebrot und Spitzbuben bedient, Letztere stehen wohl mehr symbolisch für alle Kekse dieser Zeit. Ultimativ am Schluss gibt es heißen Apfel-Fichten-Punsch, lassen die Autorinnen das Jahr mit Waldaromen ausklingen. Zudem haben die frischen kleinen Fichtenzweige im Getränk eine entzündungshemmende und schleimlösende Wirkung, womit der Start ins neue Jahr mit diesem Punsch nicht besser sein kann. 

Das Aroma der Jahreszeiten von Christina Wiedemann und Sabine Nimz ist ein wunderschön gestaltetes Kochbuch, das den Einklang des Jahresverlaufs ins Zentrum stellt. Die Gerichte orientieren sich an der zeitlichen Verfügbarkeit der Zutaten, was ihnen den Status nachhaltig verleiht. Eine Besonderheit ist die Illustrierung dieses Kochbuchs, denn jedes Rezept ist mit einem Aquarell bebildert, was das Herz jedes Kochbuchsammlers höher schlagen lässt. Die Bilder sind sehr farbenfroh und erwirken mit ihrem typischen Durchscheineffekt, dass die Gerichte sehr lebendig scheinen. Gefallen hat mir auch, dass die Rezepte nicht überladen sind, nur ein bis zwei Lebensmittel im Mittelpunkt stehen. Die Autorinnen plädieren für regionale und saisonale Produkte. Die entlasten nicht nur unsere Umwelt und das Klima, sondern sie schmecken auch besser – davon sind sie überzeugt.