Christoph Rüffer, Zuhause kochen und genießen

Meine Lieblingsrezepte aus der Sterneküche von einfach bis raffiniert

Fotografiert und herausgegeben von Jan-Peter Westermann
Mosaik Verlag, München, 2021, 192 Seiten, 20,10 Euro
ISBN 978-3-442-39391-6
Vorgekostet

Heute reisen wir nach HAMBURG.

Auf der Suche nach den Sternen, Restaurantsternen, durchstreifen wir unser Nachbarland bis hinauf zum nördlichsten geografischen Ort, der Stadt Flensburg. Zählen dabei 323 Restaurants mit 1 bis 3 Michelin-Sternen. Von letzterer Gattung gibt es bundesweit nur neun. Aber so hoch hinauf in den Himmel wollen wir gar nicht, wir begnügen uns auch mit 2 Sternen. Auf diesem Niveau kocht Christoph Rüffer im Hamburger Restaurant Haerlin und wohl auch bei sich zu Hause. Letzteres ist gar nicht so selbstverständlich, will man doch seinen Beruf nicht unbedingt in den privaten Lebensraum hinein tragen. Und doch: Christoph Rüffer kocht auch zu Hause top auf, und das sehr gerne. Für sich, seine Freundin und den zwei gemeinsamen Kindern. Dahinter steckt natürlich in erster Linie der Anspruch auf ausgewogene Ernährung und fast nebenbei ein pädagogischer. Was und wie im Hause Rüffer gekocht wird, gibt Christoph in seinem Kochbuch Zuhause kochen und geniessen wieder, das im Mosaik Verlag erschienen ist.

Allein die Vorstellung, einem exzellenten Koch in seiner privaten Wohnung über die Schulter zu schauen, hat mehr als Charme. Hier springt das Seitenblicke-Gen an und das ist natürlich gewollt, zugegeben, auch eine gute Idee. Rüffer lädt uns also dazu ein, seine Lieblingsgerichte aus der Sterneküche kennenzulernen, die von einfach bis raffiniert reichen, das verspricht der Untertitel. 

Bereits der Aufbau weicht vom klassischen Kochbuch ab. 20 Zutaten bilden das Grundgerüst und damit auch die Kapiteleinteilung. Nun werden jedem Produkt drei Rezepte zugeordnet, wobei der Autor hier noch einmal in Schwierigkeitsgrad bzw. Anlass differenziert. Das heißt: pro Zutat bzw. Produkt gibt es je ein Rezept auf drei Zuordnungen bezogen – Für den Alltag, Für das Wochenende und Für den besonderen Anlass.

Die Produkte, die von Salat, Tomate, Eier über Schwein, Kohl, Hülsenfrüchte bis zu Nüsse, Käse, Beeren und Quark reichen, werden  mit einem kurzen, meist persönlichen Statement eingeleitet. Bei einigen wird auch die Besonderheit des Produkts herausgestrichen. Am augenfälligsten und beeindruckend aber  sind die Fotos, die mich immer wieder dazu verleiten, auch einfach so durch das Buch zu blättern, um dann wieder zu verweilen, bei einem Gericht oder Produkt, das mich eingefangen hat. Der Fotograf und Herausgeber Jan-Peter Westermann versteht es, die Gerichte und Produkte so realistisch abzubilden, dass man fast danach greifen möchte. Eine fotografische Handschrift, die nur wenige Foodfotografen so beherrschen. Die kongenialen Arrangements der Speisen spielen in der obersten Kochbuchliga; muss ja so sein bei einem 2-Sterne-Koch.

Die Rezepte zu beurteilen und einzuschätzen fällt mir diesmal schwer. Das hängt einerseits mit der Vorstellung zusammen, dass wir hier eine Spitzenküche erleben, und andererseits dieser Anspruch nicht wirklich mit der Alltagsküche vereinbar ist. Das fängt damit an, dass viele der spezielleren Zutaten höchsten ein- oder zweimal vorkommen – bspw. Panko Panierbrot, Walnussöl, Limettenblätter, Zwergorangen usw.. Das andere ist die Perfektion, die bei allen Rezepten durchscheint und die nicht wirklich mit meinem Küchenalltag, der auch von drei Enkeln geprägt, vereinbar ist. Aber blende ich diesen Anspruch aus und reduziere ihn auf meinen Zweipersonenhaushalt, dann finde ich in Zuhause kochen und geniessen eine Vielzahl an Rezeptideen. Zudem sind die Gerichte wirklich alle auf zwei Personen abgestimmt, das erspart das lästige Umrechnen.

Der rote Salat mit Walnüssen & Quinoa macht mir schlagartig wieder einmal bewusst, dass man das Rezept immer vorher durchlesen muss. Es könnten ja längere Vorbereitungszeiten anfallen wie hier mit dem Kochen der Roten Bete. Der rote Salat war nicht nur in seiner farblichen Abstimmung eine Wucht. Da vergisst man auch gerne den nicht so adäquaten Kochaufwand, etwa dafür nur 30 g Quinoa zu garen.

Auch beim Sauerteigbrot ist es ratsam, die Hausaufgabe Lesen zu machen, denn die Teigführung schreibt eine 12-Stunden-Rast vor. Die Qualität des Brotes erkennt man dann an der Krume und dem Geschmack.

Interessanterweise haben mich die Tomatenrezepte eher weniger angesprochen, am ehesten noch der Bowl mit geschmolzenen Tomaten, Basmatireis & Frühlingslauch.

Die Eier-Abteilung versorgt uns mit höchst eigenwilligen Kreationen. Das Röstbrot mit indischem Eiersalat & Frühlingslauch oder der gebackene Blumenkohl mit Ei-Kapern-Vinaigrette. Es erstaunt mich immer wieder, wieviel Möglichkeiten es gibt, Karfiol zuzubereiten. Hier kommt Rüffers Freude an Aromen voll zur Geltung. Das trifft übrigens auf alle Rezepte zu. Es gilt, die aromatische Dichte und die harmonische Verbindung der einzelnen Aromen herauszuarbeiten, wie er es in seinem Essay Einblicke in meine Sternenküche formuliert. 

In seinem Element ist Rüffer, wenn es um Kräuter geht. Die Spaghetti mit 5-Kräuter-Pesto & Ofentomaten sind einfach in der Zubereitung, etwas aufwändiger beim optisch perfekten Anrichten und zuguterletzt ein himmlischer Genuss. Derart einfache Kombinationen gibt es in diesem Kochbuch gar nicht so viele. Das Zitronenhuhn fällt für mich auch darunter. Rüffer bereitet das Huhn hier ganz anders zu als bspw. Marcela Hazan. Die Zitronenscheiben in den Bräter neben das Huhn zu legen war für mich eine neue aber auch inspirierende Erfahrung. Auch die Kartoffel-Kabeljau-Kroketten mit Limettensauerrahm wie auch das Bircher Müsli oder die Mozarella-Bruschetta mit scharfem Tomatensalat und die Quarkkeulchen mit Apfel-Zimt-Kompott fallen in die Kategorie einfach und sehr gut. Was aber nicht heißen muss, dass für diese unscheinbaren Gerichte – mit Vorbehalt – wenig Arbeitszeit anfällt.

Zwischen den Rezepten eingebettet sind – wie schon angedeutet – Exkurse, die Tipps für das Anrichten geben oder Einblicke in die Sterneküche wie auch in die Welt der Pasta, die es verdient hätte, mit eigenen Rezepten in den drei Kategorien vertreten, zu sein. Nun gut, die Pastazubereitung taucht versteckt im Käsekapitel als Ravioliteig auf in Rucola-Ziegenkäse-Ravioli mit Oliven in Salbeibutter.

Im Exkurs Familienzeit merkt Rüffer an, wie wichtig ihm Zeit und  Aufmerksamkeit für seine engsten Angehörigen ist. An Sonntagen gibt es bei ihnen traditionell immer eine Wohlfühlküche, was gar nicht so leicht ist, denn die Vorlieben seiner Töchter sind sehr unterschiedlich. Ich habe die Kartoffelernte mit meinen Enkeln Jakob und Ylvi zum Anlass genommen, anschließend Quarkkeulchen mit Apfel-Zimt-Kompott auszuprobieren. Mit tatkräftiger Unterstützung natürlich. Es war gut, dass ich die vierfache Menge genommen hatte, und es blieben auch einige Quarkkeulen über, die aber sofort von meinen Lieblingen eingepackt wurden als Jause für den Kindergarten.

Zuhause kochen und geniessen ist ein anspruchsvolles Kochbuch, das einiges abverlangt, vor allem Zeit. Die Rezeptbeschreibungen sind hervorragend, klar und präzise. Allerdings sind nicht alle Zutaten in normalen Lebensmittelläden erhältlich, so die exotischen Zwergorangen, besser bekannt als Kumquat. Auch die Beschreibung mancher Produkte hätte ich mir etwas ausführlicher gewünscht, bspw. die Mehle. Auch fehlen mir gelegentlich Querverweise. Beim Röstbrotrezept mit indischem Eiersalat & Frühlingslauch wäre ein Seitenverweis zum Sauerteigbrotrezept hilfreich.

Zugegeben, das sind Marginalien angesichts der hervorragenden Rezeptvorschläge. Auch die vorzüglichen fotografierten Gerichte auf schönstem Steingut-Geschirr präsentiert, gefallen. Das Register ist zweigeteilt, sowohl thematisch als auch alphabetisch geordnet, und erleichtert so die Suche nach einem Wunschrezept sehr.

Christoph Rüffers Zuhause kochen und geniessen ist mir  Inspirationsquelle und Ideengeber geworden und wird in diesem Sinne wohl noch sehr lange in Gebrauch sein.