Deb Perelman, Eine kleine Küche in New York

Das Kochbuch zum weltweit erfolgreichen Blog SMITTEN KITCHEN

Übersetzt von Ulrike Thiesmeyer
Berlin Verlag, München, Berlin, 2016, 336 Seiten, 22.70 Euro
ISBN 978-3-8270-1311-8
Vorgekostet

Heute reisen wir nach NEW YORK.

Stadt der Superlative trifft wohl am ehesten für diese Metropole zu. 5400 Hochhäuser, fast 170 Sprachen und der Centralpark, eine der schönsten und größten städtischen Parkanlagen der Welt. Für viele die Stadt der Träume aber keine Stadt der Träumer. Wer sich länger in dieser Stadt aufhält verändert sein Leben. Das trifft auch auf Deb Perelman zu. Die Kunsttherapeutin richtete 2003 einen Blog ein in welchem sie Geschichten über ihr Leben in New York erzählte. Smitten, so der Blogname, und übersetzbar mit Gequält, Geschlagen, Aufgeschmissen, lässt nichts Gutes erahnen. Aber im Laufe von neun Jahren änderte sich die inhaltliche Auseinandersetzung: was mit bad-news begann, mündete in good-news, ins Schreiben über Kochrezepte. Ohne dass Perelman je eine Kochlehre absolviert oder im gastronomischen Bereich gearbeitet hat, avanciert ihr Blog, der mittlerweile SmittenKitchen heißt, zu den besten der Foodblogs der USA. Über 150.000 Kommentare und fünf Millionen Besucher pro Monat. Was lag also näher, als ein Buch daraus zu machen? The Smitten Kitchen Cookbook war nicht das erste Kochbuch einer Bloggerin, aber möglicherweise das erfolgreichste im englischsprachigen Raum. Der Berlin Verlag hat es übersetzen lassen und als Eine kleine Küche in New York deutschsprachigen Kochbuchfans zugänglich gemacht.

„In Backöfen bewahrt man Pullis auf“, scheint eine New Yorker Redensart zu sein und auf die beengten Lebensverhältnisse in dieser Stadt hinzuweisen. Wer in New York lebt, weiß, wie klein Zimmer und Küchen sein können. Ich hatte in Harlem eine Küche, die so klein war, dass selbst Ameisen sie nur als Durchgangsstraße benutzten; an einem Ende der Abspüle tauchten sie auf, um am anderen Ende wieder in der Wand zu verschwinden. Perelman aber resigniert nicht wegen ihrer winzigen Küche. Im Gegenteil: Sie krempelt die Ärmel hoch, hier kommt ihr amerikanischer Pioniergeist zum Vorschein, und kocht, brät und backt auf minimalstem Raum. Jeder Quadratzentimeter dieser Hexenküche ist ausgenutzt und unzählige kulinarische Köstlichkeiten sind dort entstanden. Deb legt sich die Messlatte für ihre eigenen Kochkünste sehr hoch. Dabei geht es auch um die Frage: Lohnt es sich wirklich, dieses Rezept nachzukochen? Wie auch um ihren Anspruch, dass die Speisen weder zu teuer noch aufwändig an Zutaten und Zeit sein dürfen. Entscheidend für ihren Erfolg ist jedoch ihr konstruktiv kritisches Verhältnis zum Essen und ihre Pingeligkeit bzw. ihr Perfektionismus. Manch bemängeltes Restaurantessen wurde zuhause nachgekocht, an den Zutaten herumgetüftelt, verfeinert, bis es perfekt war. Und dann muss sie uns in ihrem Blog, bzw. Kochbuch davon berichten. Den Rezepten sind deswegen teils schnoddrig amüsante Geschichten und Anekdoten vorangestellt. So erfahren wir, dass Pancakes, der Ausdruck amerikanischen Frühstücksgefühls, mit ein Auslöser für ihre Kochleidenschaften sind. Mit Collegfreundinnen besuchte sie – um dem Mensa-Fraß zu entrinnen – ein Frühstückslokal, in welchem hauptsächlich Pfannkuchen angeboten wurden. Auf ihr niederschmetterndes Urteil: „Wie aus einer Fertigmischung.“  reagierten die Freundinnen mit Unverständnis. Rückblickend peinlich ist ihr diese Geschichte und doch so prägend, dass sie mit einer Variante, Pancakes mit Pfirsichen und sauren Kirschen ihr Kochbuch beginnt.

Dem Frühstück ist dann auch das erste und umfangreichste Kapitel gewidmet. Dem folgen in weiterer Folge die Salate, dann zusammengefasst Sandwiches, Tartes und Pizzen. Die Hauptspeisen sind gesplittet in vegetarisch und weiters in Fisch und Fleisch. Danach kommt Süßes, dann Kleingebäck, sehr amerikanisch die Pies und Obstkuchen, davon abgetrennt und eigenständig die Kuchen, wie auch die Desserts und Süßigkeiten und es endet mit Partysnacks und Getränke. Eine Einführung wie auch Anmerkungen und Tipps sind dem Rezeptteil vorangestellt. Nachgestellt ist eine Auflistung diverser Küchenutensilien und ein äußerst umfangreiches Register. Hochinteressant und nützlich, mit drei Seiten leider etwas kurz, sind die Anmerkungen und Tipps. So erfährt man, warum sie aluminiumfreies Backpulver bevorzugt, wie es leicht selbst herzustellen ist, welche Salze sie wie verwendet, wie sich Schlagsahne und Crème double im Fettgehalt unterscheiden, welche Eigrößen wofür verwendet werden und und und. Hier manifestiert sich ihr Perfektionismusanspruch. Ein Anspruch, dem sie nicht immer gerecht wird, etwa wenn sie Schmand mit 24% Fett dem Creme Fraiche ab 30 % Fett gleichsetzt. Aber das sind tolerierbare Kleinigkeiten und sie schreibt ja an einer Stelle, dass Schlagsahne und Crème double in ihren Rezepten unterschiedslos verwendet werden können, damit nehme ich an, auch Creme fraiche und Schmand.

Arme Ritter aus Zimttoast zum Brunch mit einigen Freundinnen und Freunden war so begehrt, dass ich mit dem Backen kaum nachkam. Obwohl ich Debs höchst effiziente Methode, die Zimtoasts in einer Auflaufform zuzubereiten, anwendete, kam es zu Nachschubproblemen. Diese buttrigen, karamelisierten Toasts sind für mich typisch amerikanisch wie auch die Verwendung von Vanilleextrakt. Hier, wie auch in einigen anderen Rezepten setzt Perelman gerne das Vanillearoma ein.

Die Kartoffel-Frittata mit Feta und Frühlingszwiebeln nicht zum Frühstück, sondern als kleines Abendessen einer hungrigen Schar Enkelkindern serviert, stillte sogar deren Unersättlichkeit. Ein delikates Wunder.

Persönlich sehr angetan war ich von der Galette mit Butternusskürbis und karamellisierten Zwiebeln. Schon die Teigzubereitung versprach Verheißungsvolles: ein Quicheteig mit Schmand und Weißweinessig ohne Eier. Nach kurzer Zubereitungszeit kam aus dem Ofen, wie nicht anders zu erwarten, ein pizzaähnliches Gaumenwunder. Das dürfen Sie auch erleben;  das Rezept ist geordert.

Ebenfalls originell und sehr schmackhaft sind die Pistazien-Masala-Lammkoteletts mit Raita aus Gurken und Minze. Ein gehaltvolles Essen mit wunderbaren Aromen, die es vor allem der indischen Gewürzmischung Chat Masala verdankt. Dieses Gewürz, das aus Mangopulver von unreifen Früchten, Chilipulver, Pfeffer, Salz und Garam Masala besteht, verleiht dem Gericht einen feinen frisch-säuerlichen Geschmack. Und sie sehen toll aus, die Lammkeulen im goldgelben Gewürzanzug.

Vom Süßen habe ich die Cranberry-Streuselschnitten mit Glühweingewürz ausprobiert. Köstlich, köstlich, mehr gibt es nicht zu berichten.

Über 100 nicht komplizierte Rezepte, mit schönen nicht allzu großen Fotos abgebildet und im Textfluss eingebunden, hat Perelman in ihrem ersten Kochbuch vereint. Süßes und Herzhaftes behauptete sie in einem Interview, halten sich die Waage. Die Zutatenliste ist randständig, in einer eigenen schmalen Spalte von der Rezeptbeschreibung abgekoppelt. Wichtiges wird generell rot gefärbt hervorgehoben. Locker formuliert, eben foodbloggermäßig, und angereichert mit unterhaltsamen Geschichten, entpuppt sich Eine kleine Küche in New York als tagebuchartige Lebensbeschreibung Perelmans. In ihrer Plauderei mit uns Lesern und Leserinnen bekennt sie manche kochtechnische Unwissenheit und Katastrophe ohne peinliche Details. Das macht Deb Perelman sympathisch und ihr Kochbuch zu einem Lesevergnügen mit interessanten Rezepten.

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