Heute reisen wir nach SCHOTTLAND.
Manch einer erzählt von seinen
Verführungen im Abendrot,
doch ich erzähl von dem kleinen, aber tapferen Haferbrot. (S. 64)
Sie ahnen es, heute geht es um ein Literatur- und Länderkochbuch. Der Mandelbaum Verlag führt die schöne Reihe ‚Feine Gourmandismen‘, die sich der Kulturgeschichte des Essens, Trinkens und Kochens widmet. Die Bandbreite ist entsprechend und reicht von „Tafelspitz & Fledermaus“, über die „Wilden Genüsse“ einer Enzyklopädie der essbaren Wildpflanzen bis „Bayou“ der Cajun- und Creolenküche der Südstaaten der USA. Und so verwundert es nicht, dass der in Wien beheimatete Verlag sich auch der Küche Schottlands annimmt. Gründe gibt es genügend, bewegen wir uns in Wien doch über viel Schottisches, wie den Schottenring, oder durch die Schottenfeldgasse, besuchen eventuell die Schottenbastei oder das Schottengymnasium und nehmen vielleicht zum Ausklang des anstrengenden Tages ein Fiakergulasch ein, das nach dem schottischen Königssohn und Mönch Fiacrius benannt ist. „Haggis, Whisky und Co“ ist das Destillat einer vierköpfigen Autorenschaft, die sich lange schon mit dem schottischen Nationaldichter Robert Burns aus der Mitte des 18. Jhdts. beschäftigt. Er ist es auch, der uns Leser und Leserinnen als Reisegefährte, Geschichtenerzähler und Lyriker durch die Küche Schottlands begleitet. Einleitend halten die Autoren fest: Wir würden uns freuen, wenn wir Sie gemeinsam mit Robert Burns dazu animieren können, das eine oder andere Rezept nachzukochen bzw. eigene Varianten kreieren.
Im ersten großen Kapitel geht es zunächst um Grundsätzliches. Die Getränke und Speisen Schottlands werden ausreichend beschrieben. Ein gewagtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass allein das Thema Whisky ganze Bibliotheken füllt. Aber, und das muss den Autoren bezeugt werden, sie schaffen es, das Wesentliche schottischer Nahrungsmittel herauszusteichen, sodass auch Nichtschottlandkenner eine gute Vorstellung davon bekommen. Hier werden beschrieben: Alte schottische Kartoffelsorten wie die Blue Salad Potatoes, die Shetland Black und die Highland Burgunds Red, oder der Lanark Blue, ein aus Schafmilch hergestellter Blauschimmelkäse, aber auch der Caboc, ein gelblicher Frischkäse mit 67% Fettgehalt. Darüberhinaus auch diverse Mehlsorten, neben den bekannten Roggen-, Hafer- und Gerstenmehl das in unseren Breiten weniger verwendete Erbsenmehl und viele weitere wichtige Lebensmittel. Am Ende jeder dieser Zutatenbeschreibungen werden Bezugsquellen angegeben, sodass das Beschaffungsproblem für typisch schottische Produkte verschwindend gering wird. Erstaunlicherweise gibt es auch österreichische Adressen.
Der Hauptteil sind 16 Kapitel und ein abschließender kulinarischer Epilog, der ganz dem Kärntnerisch-schottischen Freundschaftsmenü gewidmet ist. Die Kapitel sind überschriftet mit Auszügen aus den Gedichten Robert Burns und heißen „Mein Vater war Bauer“, „Sei‘s Wassersuppe oder Kohl“, „Mit einem Lord zu speisen“, „Oh, dort wachsen Limonen, Orangen …“ oder „Mit Whisky pfeifen wir auf den Teufel …“ usw. Da Burns, trotz seines kurzen Lebens – er wurde gerade mal 37 Jahre alt – Schottland ausgiebigst bereiste, erfahren wir über ihn viel von der schottischen Kultur. Er war ein genauer Beobachter seiner Zeit, Freimaurer und scharfer Kritiker der weltlichen und geistlichen Obrigkeit, die sich in vielen Gedichten niederschlägt. So spottete er
Ein Pfui auf die, die‘s Gesetz beschützt! Die Freiheit ist ein großes Fest!
Von Feiglingen werden die Hofe genützt, Kirchen erbaut als Pfaffennest! (S. 32)
Er war aber auch ein Schürzenjäger, der die „Lassies“, die schönen Töchter Schottlands, in unzähligen Liedern besungen hat. Diesem schottischen Casanova verdankt die Weltliteratur einige berührende Liebesgedichte.
Ein Roggenfeld, ein Gerstenfeld, Ein Kornfeld und wir beide:
Die eine Nacht vergess‘ ich nie, Mit Annie im Getreide.
Ob dieser schönen Gedichte dürfen wir uns nicht allzu weit verführen lassen. Denn, wir haben es ja eigentlich mit einem Kochbuch zu tun. Und so folgt den Burns‘schen Zugängen immer ein Bill o‘ Fare, ein Menüvorschlag, der sich einem Thema widmet. So gibt es Das Menü für Verliebte, Das Menü des armen Dichters, Das Highland-Menü, Das Festtags-Menü, Das Karibik-Menü, Das Whisky-Menü um einige zu nennen. Den drei- bis fünfgängigen Menüvorschlägen, ist immer ein Whiskytipp zum Hauptgang beigestellt und, das ist wichtig, der Malthinweis ist auf das Menüthema abgestimmt.
Überraschend ist die Vielfalt der Rezeptvorschläge, deren englische Originalname auch angegeben ist. Im Verliebten-Menü gibt es Rote Bete & Brie auf Blätterteig mit Orangen-Walnuss-Preiselbeer-Salat, als Hauptgericht Kaisergranate, das ist Hummer, auf Fenchelpüree mit Muschelsauce und abschließend ein karamellisierter Apfelkuchen. Das war auch der Menüvorschlag den ich nachkochte und dafür höchstes Lob von den Gästen bekam. Auch wenn das karamellisieren nicht ganz einfach ist, allein die Vorspeise war die Mühe wert und ein wahrer Leckerbissen.
Das typisch schottische wird auch beschrieben und lässt sich nachkochen, wenn auch – da stimme ich den Autoren bei – das nicht jedes Magen bekömmlich ist. Etwa der Haggis dessen Rezept auf Seite 195 nachzulesen ist. Der schottische Kochbuchautor Paul Harris merkte dazu nur an, „das folgende Rezept ist nichts für Zartbesaitete“. Und wenn wir uns die Zutaten anschauen, Schafsmagen, Haferflocken, Rindertalg, Leber, Herz und Lunge vom Schaf, dann bleibt nur mehr ein erstauntes Kopfschütteln übrig.
Versucht habe ich auch die Entenbrust mit Vanille-Pastinaken-Püree und Whisky-Birnen (S. 178), ein Gericht das mich bezüglich der Aromenvielfalt sehr faszinierte und das ich Ihnen am Ende genauer beschreiben werde.
Sehr gelungen finde ich die Rezeptvorschläge, die einiges Überraschungspotenzial beinhalten. Erstaunlich ist die Bandbreite an Nachspeisen. Die Vorschläge sind anregend und genussvoll. Das Vorlesen ausgesuchter Gedichte und Geschichten aus diesem Schottlandbuch zwischen den Gängen erheiterte uns so sehr, dass meine Freunde beschlossen haben weitere Schottlandabende bei mir zu konsumieren, sowohl lukullisch als auch literarisch.
Mehr Lob kann ich den Autoren gar nicht geben. Ein schön gemachtes Buch, das mit passenden alten Stichen begeistert.