Eva Rossmann, NO / STRESS MIRA KOCHT

Folio Verlag, Wien - Bozen, 2021, 248 Seiten, 28.-- Euro
ISBN 978-3-85256-835-5
Vorgekostet

Heute reisen wir nach WIEN und von dort ins WEINVIERTEL.

Das Markenzeichen unserer Wegbegleiterin sind struppige rote Haare und sie ist blitzgescheit. Kurz war sie als Verfassungsrechtlerin im Bundeskanzleramt. Ob sie damals schon parteitreuen Mitarbeitern weichen musste glaube ich zwar nicht, obwohl mich das heute mit dem Bekanntwerden der Postenschacher mancher volksnahen Partei fast vermuten lässt. Jedenfalls schlug Eva Rossmann nach dem Staatsdienst die Journalistenkarriere ein. Politischer Journalismus, vor allem zu Frauenthemen, war angesagt. Allerdings hatte sie auch andere Interessen, wobei hier die Betonung auf ‚auch‘ gelegt ist. Auch Kriminalgeschichten, auch Essen und Kochen, auch Reisen, auch Köchin werden. Das Kochen – mit Lehrabschluss zur staatlich geprüften Köchin – lernte Rossmann im Gasthaus ‚Zur Alten Schule‘ im Weinviertel, beim Haubenkoch Manfred Buchinger. Dort geht es international zu mit Verankerung im Bodenständigen. Und das prägt.

Mit den Krimis rund um die Journalistin Mira Valensky wurde Rossmann einem breiteren Publikum bekannt. Mira ist das Alter Ego von Eva. In Mira verankert Eva ihre Leidenschaft und Passion: Essen und Kochen.

Vor 15 Jahren legte Rossman zum ersten Mal Miras Kochambitionen offen. Nun ist ein Folgeband erschienen: NO / STRESS MIRA KOCHT ist so wie das erste im Folio Verlag publiziert. Darin nimmt die Autorin mit den Rezepten immer wieder Bezug auf die neuen 11 Mira Valensky-Krimis, die in der Zwischenzeit erschienen sind. In 21 Kapiteln, Zutaten orientiert, d.h., auf einzelne Nahrungsmitteln aufbauend, gibt uns Rossmann alltagstaugliche Rezepte an die Hand. Man schaut im Kühlschrank, in der Speisekammer nach, was vorrätig ist, und sucht sich ein Rezept. In Anlehnung an Mira, die auch immer nachschaut, was da ist, und mit dem Vorhandenen etwas Schnelles kocht. In den Rezepten ist auch notiert, in welchem Krimi-Band das schon zubereitet wurde.

Jedes Kapitel wird mit einem kurzen Text eingeleitet. Rossmann erzählt dabei, was es mit Blattsalaten, Zucchini, Tomaten, Fisolen, Kartoffeln, Meeresfrüchten, Lamm, Schokolade usw. auf sich hat. Im Plauderton, wie in einem Gespräch, erfährt man so Hintergründiges und Neues. Im ersten Kapitel, Blattsalate + Spinat heißt es bspw. ‚Ich kenne einen Koch, der nennt Salat despektierlich „Futter für Kuh“ … dabei gibt es kaum Pflanzen, die man so vielfältig einsetzen kann wie die grünen, roten oder auch gelb gesprenkelten Blätter. Dressings sind Geschmackssache. Ich finde, dass dicke Saucen nichts auf Blattsalaten zu suchen haben, aber das ist natürlich kein Dogma.‘ Dabei ist für Rossmann ein ‚Salat ohne irgendetwas nahezu obszön‘. Mit einem sardischen Rezept öffnet sich der Reigen des Genusses. Gebratener Salat mit Sardellen und knusprigem Brot ist ein Zugeständnis an die Küche Sardiniens. Auf Pane Carasau, dem gerösteten Hirtenbrot, werden ein Salatherz, Kirschtomaten und Sardellenfilets geschichtet und so zu einer bekömmlichen Vorspeise. Als Beilage entdeckt habe ich den Endivien-Stampfpot, in diesem Fall ein Rezept von Renske Buchinger, das sie aus Holland mitgebracht hat. Eva Rossmann ist weit gereist und dementsprechend sind auch die Rezepte global ausgerichtet. Die Karibik, Mexiko, Vietnam, Griechenland, Friaul und natürlich Ostösterreich sind mit Kochanleitungen vertreten. Länder, die die Autorin länger bereiste und in irgendeiner Form auch in ihren Krimis einfließen ließ. Oder war es umgekehrt? Aber so genau muss man das gar nicht nehmen. Jedenfalls sind die in den Mira-Krimis vorkommenden Rezepte am Ende extra aufgelistet. Und keine Angst, man muss die Krimis nicht gelesen haben.

Die Qualität von Rossmanns Kochbuch liegt zum einen in der Einfachheit der meisten Rezepte, zum anderen im exotischen Mix. Auch im Ansatz aufklärerischer Warenkunde, die jedes Kapitel einleitet. Hier fließt Wissen aus der Profiküche ein. Vom Karfiol erfahren wir: ‚Nur mit schlechtem Dünger gezogener Karfiol stinkt. Der andere duftet … Gerade bei den Blütengemüsen empfiehlt es sich, Bio-Ware zu nehmen – oder die Produzentin und ihre Methoden gut zu kennen.’ Saurer Karfiol mit Apfel und Ingwer gab es als Amuse-Gueule oder Sakuska, das ist die Vorspeise für ein festliches Essen in Russland, das Freunde an einem Russenabend zu kosten bekamen.

Interessant sind die Ausführungen zu dem Verwandten des Karfiols, konkret Cima di rapa. Der häufig als Wildbrokkoli – wegen des brokkoliähnlichen Aussehens – bezeichnete Stängelkohl ist eine Rübenart und ein enger Verwandter der Speiserübe. Botanisch aber, und das ist wiederum kurios, zählt Cima di rappa – wörtlich übersetzt ‚Rübenspitzen’ – zu den Kohlsorten und schafft es erst langsam in die heimischen Gemüseläden. Den Wildbrokkoli mit Kurkuma und Chili  anzurichten, ist eine hervorragende Idee für eine Vorspeise.

Im Kraut + Rüben-Kapitel sinniert die Autorin über die heilige Ordnung. Dort erfährt man, dass die Zutaten in diesem Kochbuch nach ihrer Wichtigkeit gereiht sind. Und, dass die richtige Vorbereitung No / Stress heißt, wird bereits im Buchtitel angedeutet. No Stress aber auch hinsichtlich des Vorrätigen. Und so kam vor Kurzem gebackener Sellerie mit Räuchersalz und pochiertem Ei auf den Tisch. Die ausführliche Beschreibung, pochiertes Ei zuzubereiten, wird mit einer Fotostrecke ergänzt. Klar und gut nachvollziehbar. Überhaupt sind Rossmanns inhaltliche Formulierungen hervorragend. Hier ergänzen sich die Profession des Schreibens mit dem des Kochens auf elegante Weise. Dass dabei der Wortwitz nicht zu kurz kommt, kann nachgelesen werden bspw. im Rezept von gefüllter Tofu . ‚Ausnahmsweise ein Tofu-Rezept, das nicht vegetarisch ist. Vielleicht etwas zum Überzeugen „eingefleischter“ Mitmenschen.‘ Ein Gericht, das mit Faschiertem zu einem Sandwich ergänzt, selbst meinen Enkeln Jakob und Ylvi hervorragend mundete.

Mit diesem Kochbuch wird man zum Weltenbummler. Der Risotto milanese entführt uns in die Po-Ebene, und der Seafood Chowder erinnert mich an Moby Dick, an die Besatzung des Walfangschiffes Pequod, wie sie ihre Muschelsuppe schlürft. Weit hergeholte Assoziationen denken Sie; mag vielleicht stimmen. Aber für das steirisch-mexikanische Huhn mit Schokolade wurde die Köchin Mira vom österreichischen Chocolatier Josef Zotter inspiriert. Ein Mahl, das übrigens etwas aufwändiger an Zutaten ist als die anderen. Den würzigen Schweinsschopf im Ganzen wünscht sich meine Schwiegertochter Vroni zum Geburtstag, nachdem ich ihr aufgezählt habe, was da alles in der Marinade drin ist. Zum Nachtisch gibt es Rhabarbertörtchen, auf die ich mich jetzt schon freue.

NO / STRESS MIRA KOCHT ist ein handwerklich solides Kochbuch, das fast alle Essenswünsche erfüllt. Mit über 200 Rezepten steht dieses Werk bei mir in jener kleinen Reihe von Kochbüchern, die immer wieder herausgezogen werden zum Nachschauen, die mir als Inspirationsquelle dienen. Einziger Wermutstropfen sind einige schwache Foodfotos, die meine Begeisterung etwas einbremsen. Zum Beispiel die fettspiegelnden Gnocchi auf Seite 27. Oder die Artischocken-Fotostrecke, die verschiedene Arbeitsschritte zeigen ohne jede Erklärung. Dennoch ist der zweite Mira-kocht-Band ein kleines Meisterwerk. Fast beiläufig entführt uns die Köchin Rossmann in die mediterranen Kochwelten wie auch die heimischen Küchen mit böhmischem Hintergrund. Für mich ist es zu einem unverzichtbaren Nachschlagewerk geworden, wenn es darum geht, ein Rezept zu finden für Produkte, die ich gerade im Hause habe.