Heute reisen wir nach DEUTSCHLAND.
Zum Kaiserstuhl, einem kleinen vulkanischen Gebirge in der Oberrheinischen Tiefebene. Zu einem Ort der nahezu unbekannt ist – Oberbergen. Dort wurde in dem legendären Gasthof „Schwarzer Adler“ Kochgeschichte geschrieben. Irma Keller leitete dort viele Jahre die Wirtschaft.
Eine einfache Dorfkneipe, wo nur am Wochenende die Wanderer bekocht wurden.
Zu den Stammgästen zählten auch Franzosen, die irgendwann Irma mit ins Elsass nahmen, um ihr die französische Küche nahezubringen. Mit Erfolg, denn 1969 bekam sie als erste Deutsche einen Stern. Ihr Sohn Franz, um den es eigentlich heute geht, war zu diesem Zeitpunkt gerade 19 Jahre alt. Auf Drängen seines Vaters nahm Franz eine Kochlehrstelle an, obwohl er lieber Flugzeugtechniker geworden wäre.
Wie es aber in der Koch-Branche nun üblich ist, zog Franz Keller in die weite Welt hinaus. Nicht um das Fürchten zu lernen, wenn auch manch gestrenger Lehrmeister dies versuchte, sondern um seine kochtechnischen Fähigkeiten zu perfektionieren. Stationen waren die Zähringer Burg bei Küchenchef Hans Beck, das Restaurant Greuze im französischen Tournus, wo der begnadete Ducloux französische Kochkunst zelebrierte und wo Franz vor allem die Sprache lernte. Dann ging es weiter nach Lyon zu Paul Lacombe, der ihm die Wichtigkeit guter Grundprodukte vermittelte, um dann in den Küchenhimmel aufzusteigen und bei Paul Bocuse anzuheuern. Mit Fleiß und guter Arbeit verschaffte sich Keller den Respekt des Starkochs. Von ihm lernte er wahrscheinlich den absoluten Drang zur Perfektion. Dafür mussten damals wie heute noch alle Jungköche rund um die Uhr „buckeln“ bei geringem Salär.
Er schaffte es, nicht von Bocuse hinausgeworfen zu werden, was praktisch schon eine Auszeichnung ist. Im Gegenteil, der Starkoch vermittelte Keller an Michel Guerard nach Paris, der als ein Miterfinder der Nouvelle Cuisine gilt. Dann lockte ein Molteni, eine eigene Mannschaft und Kochlinie ihn an den Herd nach Hause. Das ging aber mit den beiden Alpha-Tieren Vater und Sohn Keller auf Dauer nicht gut. Franz verabschiedete sich nach Italien, gewillt die italienischen Kochtradtionen zu verinnerlichen. Die Italienreise war nur von kurzer Dauer. Schon ging es wieder zurück nach Deutschland, es gab Sterne, verschiedene Investoren und Lokale, Stammkunden aus allen Branchen und am Ende einen riesigen Schuldenberg. Die Schulden wurden – typisch Kölsch – in der Kantine der Stadtsparkasse abgearbeitet. Nicht nur Liebe geht durch den Magen, sondern auch gute Invest-Abschlüsse, war vermutlich die Meinung der Kölner Banker damals.
Vom Aufstieg und Niedergang eines Begnadeten handelt die erste Hälfte dieses biografischen Bekenntnisses eines Sternekochs. Unter dem Titel Vom Einfachen das Beste veröffentlichte Franz Keller seinen Werdegang im Westend Verlag. Eine turbulente und abenteuerliche Lebensgeschichte. Auch ein Stück weit Kochgeschichte, denn fast nebenbei erfährt man von den Irrungen und Wendungen der hohen Kunst des Kochens. Ein Eyecatcher am Buchumschlag spitzt es auf eine Kampfansage zu: Ein Sternekoch greift an, heißt es da. Und präzisiert im Untertitel mit: Essen ist Politik oder Warum ich Bauer werden musste, um den perfekten Genuss zu finden. Es ist ein Aufruf, ein Appell an die Menschheit für mehr Lebensqualität, die sich auch über Essen und Trinken und Zeitnehmen definiert. Es geht also um Qualität und das beginnt bei den guten Lebensmitteln. Auch um die restlose Verwertung wie sie Fergus Henderson in nose to tail propagiert. Aber Keller beruft sich auf die früheren Praktiken der Kleinbauern und Köche, die alles verwerteten. Konkret heißt das in seiner Biographie, zurück zu den Wurzeln und fort mit den Sternen. Eine Radikalkur, mit Briefen an die Michelin-Agentur und an seine Stammkunden, in denen er seine Beweggründe darlegt. Ein Aussteiger, der nur mehr kochen wollte, was ihm gefiel bzw. gerade einfiel. Da war er gerade 43 Jahre jung. Ausgangspunkt war allerdings die Erfahrung, dass die Sterneküche nicht finanzierbar und dass sie seiner Überzeugung nach überzogen ist. Auf seinem Kochhöhepunkt war, das muss man sich auf seiner Zunge zergehen lassen, in seinem Lokal in Hattenheim jede Menge Prominenz zu Gast; Franz Beckenbauer, Angela Merkel, Wladimir Putin und einige andere drückten sich die Klinke in die Hand. Die Sternenküche ohne Sterne im Rheingau machte er etwa 20 Jahre lang. Dann reichte es ihm. Er übergab das Restaurant an seinen Sohn und setzte seinen Rückzug auf einen Bauernhof als Programm für die letzten Lebensjahre fest. Auf dem Hof werden Rinder gezüchtet die von Olympus, dem imposanten Chefbullen, gezeugt sind, werden Hühner abseits der Mastfabrikation großgezogen, Kaninchen und Schweine nicht nur, aber auch, zum Erhalt alter Tierrassen gehalten. Die Bunten Bentheimer fühlen sich sauwohl und leben auf dem Falkenhof ein echtes Schweineleben. Sie dürfen richtig Fett ansetzen, ein fetter Schweinebauch ist sogar gewünscht. Keller schwimmt gegen den Strom industrieller Massentierhaltung. Er kann sich leisten, was viele Kleinbauern an den Rand der Existenz bringt, eine Landwirtschaft nach Bio-Standards zu betreiben. Auch, weil er mit dem Restaurant seines Sohnes einen Fixabnehmer hat, der faire Preise zahlt. Trotz dieses Wettbewerbsvorteils ist sein Engagement für gute, echte Lebensmittel mehr als bewundernswert. Es ist sein Kampf gegen jene Lebensmittel die seiner Meinung nach keine sind, sondern von ihm als Sterbemittel bezeichnet werden. Dazu kommt, dass die Leute nicht mehr kochen. Damit geht seiner Ansicht nach das Wissen um den Geschmack verloren. Auch dafür setzt er sich ein! Denn ohne Wissen ums gute Essen gibt es keine Lebenserwartung und kein Lebensgefühl, davon ist Keller überzeugt. Diese Angst vor dem Kochen will er bekämpfen. Im vorletzten Kapitel umgarnt er den Leser und schwärmt vom Spaß am Kochen. Dass wir für Dinge, die Freude bereiten, uns Zeit nehmen müssen. Beim Autokauf machen wir es, beim Wohnungeinrichten auch, warum nicht beim Kochen? Und so stellt uns der ehemalige Sternekoch noch acht Rezepte vor. Die haben es in sich, sind einfach und wunderbar. Mit dem Lauchgratin macht er uns mit einen Tausendsassa der Küche bekannt, der sehr unterschätzt und vernachlässigt wird. Das Rezept stelle ich Ihnen am Ende vor. Auch das Pot-au-feu ist eine Besinnung auf Hausmannskost vom Feinsten. Dazu gehören weiters die Linsensuppe, der Graupensalat und die Bratkartoffeln mit Garnelen – sie alle sind Teil einer schmackhaften und ausgewogenen Alltagsküche.
Das letzte Kapitel widmet er dann dem Weg zu einer ehrlichen Küche.
Vom Einfachen das Beste ist ein Weckruf. Weg von Massenabfertigung und industriell gefertigten Lebensmitteln. Hin zu einem glücklichen Leben, das im Einfachen begründet ist, so jedenfalls die Lebensphilosophie des Ex-Sternekochs Franz Keller. Er insistiert auf eine Rückbesinnung für die Küche als wichtigstem Platz im Haus. Und notabene, dass es Spaß macht ein, zwei Stunden in der Küche zu stehen, um ohne Überhöhung, ohne Zirkus mit dem Einfachen das Beste zu machen. Ein lesenswertes Buch, das die mitteleuropäische Kochkultur gehörig aufmischt, auch wenn es sehr stark auf eine einzelne Persönlichkeit zugeschnitten ist. Gewünscht hätte ich mir mehr Rezepte und grundsätzliche Überlegungen zu manchen Lebensmitteln. Im letzten Absatz heißt es: Essen ist die Essenz unseres Lebens. Das müssen wir uns immer wieder klarmachen. Und damit hat er 100%ig recht!