Heute reisen wir nach KROATIEN.
Wie ein aufgeklappter überdimensionaler Kiefer liegt dieses Land am Mittelmeer. Während das Oberteil weit in die pannonische Tiefebene hineinragt, bis hinauf nach Ungarn, schmiegt sich die untere Hälfte an das Adriatische Meer. Fast zweitausend Kilometer lang ist dieser schmale Küstenstreifen, mit malerischen Orten und geschichtsträchtigen Städten wie Rijeka, Zadar, Split oder Senj. In Senj lebte die rote Zora, jene Jugendbuchfigur, die mit ihrer Bande gegen Unterdrückung und Armut aufbegehrte. Sie vermittelte wohl für viele Deutsche und ÖsterreicherInnen das erste Bild kroatischen Alltags von einem Küstenstreifen der Sehnsüchte, wo Fische und Schafe neben dem Gemüse, das in den Kleingärten angebaut wurde und heute noch wird, die Garanten des Überlebens waren. Im Laufe vieler Jahrhunderte überrannten Eroberer vom Westen nach Osten und umgekehrt dieses Land. Auch ihre Spuren sind heute noch sichtbar; bspw. die vielen venezianischen Löwen. Diese fremden Einflüsse sind aber auch anderweitig erfahrbar, auf angenehme Weise über die Küstenküche. Sie hebt sich ab von den Regionalküchen im kroatischen Binnenland. Die ursprünglich karge, traditionelle Küche entlang des Meeressaums nahm nach und nach auch italienische, französische, türkische und österreichische Elemente auf. So finden sich Makkaroni-ähnliche Nudeln italienischen Ursprungs, von den Türken übernommene Würste ohne Haut, den Cevapčići, oder eine Sachertorte aus dem habsburgischen Wien in privaten Haushalten und auf vielen Speisekarten wieder. Also eine Küchenkultur, die sich sehen lassen kann. Das dachte sich wohl auch Ino Kuvačić, ein Koch aus Split, der nach Australien auswanderte und in Melbourne das Restaurant Dalmatino gründete.
Dort, fernab der Heimat, lässt er jeden Tag die Wohlgerüche Kroatiens neu erstehen. Vielleicht war es Heimweh, sicher aber die Sehnsucht nach seiner Großmutter Tomica wie auch nach seiner Großtante Ljube und deren Kochkünsten, mit welchen Ino aufgewachsen ist und die ihn dazu veranlassten, eine Publikation über Die echte KROATISCHE KÜCHE zu verfassen. Das Kochbuch, mit mehr als 90 landestypischen Rezepten ist im Südwest Verlag erschienen.
Es ist eine Hommage an seine beiden Lehrmeisterinnen und ihrem Erbe, deren oberstes Prinzip immer war, nur die besten Zutaten zu verwenden. Und es ist eine Reise durch Inos verinnerlichte Landschaften, in die ureigenen kulinarischen Erinnerungen der kroatischen Küche.
Dieser Trip beginnt zunächst mit einem Gastbeitrag von Slavica Habjanovic. Die Journalistin vergleicht Kroatiens Küche mit einem Webteppich, dessen Muster von vielen Einflüssen geprägt ist. Eng mit dem Meer verbunden sind die Menschen und frisches Gemüse wie Mangold, Tomaten, Spargel und Bohnen prägend. Von ihr erfährt man auch, dass eine typisch kroatische Mahlzeit ohne Spirituosen niemals komplett ist.
Weil die kroatische Küche mit einfachen Zutaten auskommt, genügen Ino Kuvačić vier Kapitel, um seine Küche umfassend zu präsentieren: Gemüse, Meerestiere, Fleisch und Süßes.
Dass Mangold in Dalmatien das beliebteste Gemüse ist, überraschte mich, da ich dabei eher an die Zwiebel dachte. Wahrscheinlich ist die Zwiebel ein so starker Teil kroatischer Lebenskultur, dass sie als Gemüse gar nicht mehr wahrgenommen wird. Jedenfalls werden die Dalmatiner von den anderen Kroaten ‚Mangold‘ genannt wie die Deutschen vom Rest der Welt ‚Krauts‘. Und Blitva na damaltinski, also Dalmatischer Mangold, hat hervorragend geschmeckt. Eine feuchte Kombination von Mangold und Kartoffeln, die beliebig abänderbar ist, zum Experimentieren einlädt.
Sehr angetan war ich von den Zucchiniküchlein. In der Machart wie Fleischpflanzerln würden die Bayern sagen. Einfach und gut.
Ein Sommer- wie Winteressen ist der Auflauf mit Aubergine, Kartoffel und Tomate. Ein deftiges Essen, das im Sommer abends gerne kalt gegessen wird und im Winter zungeverbrennend heiß. Interessant dabei ist, wie Kuvačić die Aubergine bearbeitet. Mit der Gabel eingestochen, werden sie über einige Stunden ins Wasser gelegt, um der Eierfrucht die Bitterstoffe zu entziehen. Andere Länder andere Sitten, aber es funktioniert. Mir genügte das Gericht als Hauptessen, aber es passt auch gut zu gegrillten Fisch oder Fleisch.
An Kroatiens Küsten sind natürlich Fisch und Meeresfrüchte die kulinarischen Highlights. Es gibt unzählige Varianten von Fischsuppen, ja, jede Familie hat ihr eigenes Rezept, auf das sie schwört. Während Kabeljau vorwiegend aus Skandinavien importiert wird, sind die meisten verwendeten Fische heimische Arten. Für den dalmatinischen Fischeintopf wird vor Ort sogar der rote Drachenkopf verwendet, einer der schmackhaftesten Fische, der allerdings mit Vorsicht zu behandeln ist, weil er giftige Stacheln hat. Bei Kuvačić kommt er nicht vor. Sein Fischeintopf setzt sich aus mindestens drei Fischsorten zusammen, bevorzugt werden „weißfleischige Riff- und Felsenfische“. Leider erklärt Kuvačić manche Begriffe nicht, das ist ein kleines Manko. In seinem Brudet, so nennen die Dalmatiner ihren Fischeintopf, kommen Aal, Seeteufel, Seequappe, Plattkopf, Snapper und Wittling oder Kabeljau und dann nur mehr aromatisierende Zusätze wie Knoblauch, Petersilie, Zitrone, Tomate und Weißwein – fertig ist einer der wunderbarsten Fischeintöpfe. Mit Polenta gereicht, lässt dieses Gericht in mir jedes Mal den malerischen Hafen von Split mit dem Diokletian-Palast vor meinem inneren Auge erscheinen.
Ganz anders wirkt die Graupen-Bohnen-Suppe. Sehr bodenständig und kräftig ist sie und wärmend, also ideal an kalten Wintertagen. Deshalb verrate ich Ihnen das Rezept dieser aromatischen Suppe.
Das schöne an der echten kroatischen Küche ist, dass man viele der vorgestellten Gerichte auch auf den Speiseplänen kroatischer Restaurants wiederfindet. Manche Speisen kann man, finde ich, nur dort essen, wie bspw. den Peka. Dazu braucht es einen eigenen Peka-Topf, eine gusseiserne Glocke, die mehrstündiges Garen in der Glut ermöglicht. Naja, man kann das auch im Backofen mit einer schweren Auflaufform probieren. Und der von mir gemachte Versuch, zu dem einige Freunde eingeladen wurden, die immer in Kroatien urlauben, lässt mich meine obige Meinung ein wenig zurücknehmen. Es schmeckte wunderbar, wenn auch das typische Raucharoma des echten Peka fehlte. Aber die Stimmung war ausgelassen, es wurde viel über Kroatien erzählt … was will man mehr.
Ino Kuvačić stellt mit Die echte KROATISCHE KÜCHE vor allem bekannte und weniger bekannte Schmankerln der adriatischen Regionen – zwischen dem 42. und 45. Breitengrad – vor. Schöne, ausdrucksstarke Bilder heben nicht nur die kulinarische Seite, sondern auch die einzigartigen Landschaften, Buchten, Marktszenen, altehrwürdige Fassaden, Fischerdörfer, Inseln und Menschen in ihrem Alltag dieses Küstenabschnittes hervor – sie bringen Sonne und Urlaubsflair in die Küche. Nur an den neuen, tiefroten Ziegeldächern bei einigen Ortsaufnahmen ist erkennbar, dass hier noch vor wenigen Jahren ein Bürgerkrieg herrschte. Beim Durchblättern dieses Buches hat man den Eindruck, dass das Leben sich im Freien abspielt. Das trifft wahrscheinlich generell auf das mediterrane Lebensgefühl zu. Die Rezepte dieses Kochbuchs verstärken dieses Gefühl, erwecken manche Urlaubserinnerung. Ich muss jetzt in meine Küche um die Creme Caramel aus Dubrovnik auszuprobieren.