Heute reisen wir ins BASKENLAND.
Also in jene Grenzregion am Atlantik, die, in der Kniekehle des Golf von Biskaya gelegen, die Staaten Frankreich und Spanien vereint. In ein von Bauern und Fischern geprägtes Land, dem allzu leichtfertig die Txapela (tsapela), die Baskenmütze, als identiätstiftendes Merkmal zugeordnet wird. Letzteres stimmt so nicht; lediglich die Polizisten im spanischen Teil des Baskenlands tragen diese Mützen und dann gleich in kalligem Rot. Das sehen vor allem die Pilger, wenn sie hurtig die baskischen Dörfer und Städte durcheilen auf dem Weg nach Santiago de Compastella. Aber kommen sie erst einmal mit Basken ins Gespräch, dann lernen sie eine wenig bekannte Seite dieses Landstrichs kennen, gesellige und gastfreundliche Menschen, die gerne und außergewöhnlich gut essen und trinken. Ein Baske isst wie drei Andalusier zusammen, ist ein geflügeltes Wort. Seit rund 30 Jahren erlebt die baskische Küche einen kulinarischen Höhenflug. Inspiriert von der französischen Nouvelle Cousine entwickelte sich im Baskenland die Feinschmeckerhochburg Spaniens mit unzähligen Sternerestaurants und internationalen Spitzenköchen. Juan Mari Azak und Tono Perez gehören dazu wie auch der in London lebende José Pizarro. Ihm verdanken wir das längst überfällige Kochbuch zur baskischen Küche. Baskisch, so der Titel, ist im Hölker Verlag herausgekommen und fokusiert sich auf – so im Untertitel -, Rezepte aus San Sebastian, Bilbao und Umgebung.
Im Vorwort beschreibt Juan Mari Arzak den Koch und Autor José Pizarro als kulinarischen Eroberer, der mit seinen Kreationen die Herzen und Mägen der Briten einnehmen konnte. Wir werden, nachdem wir uns durch das baskische Kochbuch durchgekocht und -gebacken haben, neidlos anerkennen müssen, dass auch unsere Geschmacksknospen eingenommen wurden. Ein Geheimnis liegt im Bekenntnis zur Frische der Zutaten. Sie stehen für baskische Traditionsgerichte, die von Pizarro vorgestellt und maximal behutsam ergänzt bzw. neu interpretiert werden. Reduziert aufs Wesentliche, trifft es ziemlich genau und findet sich auch in der Kapiteleinteilung. Die vier Kategorien über Fleisch, Fisch, Gemüse und Desserts werden ergänzt um vier baskische Menüvorschläge sowie die Anschrift einiger Lieblingsrestaurants, die der Autor besuchte, und einem ausführlichen Indexverzeichnis. M.E. fehlt ein Glossar, das zum besseren Verständnis der baskischen Küche und Kochkultur beigetragen hätte. So wird bspw. der Idiazabal zwar beiläufig als typischer baskischer Schafskäse beschrieben, aber das diesen Käse Kennzeichnende völlig ignoriert. Die zarte, butterartige Konsistenz mit leicht säuerlichem Geschmack und einem Fettanteil von mindestens 45 Prozent wird durch 2- bis 5-monatige Reifung erzielt. Und, ganz wichtig, er ist traditionell geräuchert. Die fehlenden Hintergrundinfos sind zwar verschmerzbar, aber hilfreich wären sie doch.
Was mir an Baskisch so gefällt, ist die fast puritanische Einfachheit, sowohl der Gerichte als auch des gestalterischen Aufbaus des Kochbuches. Ein sich durchziehendes Prinzip ist die duale Struktur, d. h. dass die Rezepturen entweder als Hauptgerichte oder Pintxo, das sind tapasartige Kleinigkeiten, angelegt sind. Und so ist es jedem selbst überlassen, nach Lust und Laune die Mengen zu verdoppeln oder zu reduzieren. Alles ist erlaubt! bestätigt José Pizarro. Nicht jedem Rezept ist eine Abbildung beigestellt, die das Gericht wiedergibt. Manchmal ist es eine Zutat im Detail, manchmal Personen bei einer Tätigkeit, aber immer wieder werden die Rezeptseiten von Fotoseiten unterbrochen, die Land und Leute – kommentarlos, in archaischer Schönheit und Schlichtheit – vorstellen. Hier zeigt die englische Fotografin Laura Edwards, was sie kann. Weitere gestalterische Elemente sind die wunderbaren Illustrationen von Jenny Bowers, die erst beim Durchblättern voll zur Geltung kommen und dem Ganzen eine gewisse sonnige Leichtigkeit verleihen, wie auch der in Meeresblau eingefärbte Buchschnitt.
Pizarro verpasst jedem Rezept einen Vorspann, in welchem er – auch humorvoll – ergänzende Informationen verpackt. Ergänzt um die Zahl, die davon satt werden sollten, ist es wohl der Übersetzerin Sabine Schlimm zu verdanken, dass sich die Rezepte so problemlos in der Küche umsetzen lassen.
Nachgekocht habe ich die Chicken Wings mit Kartoffeln, Oregano & Knoblauch, die nicht nur mir sondern auch meinen Söhnen so gut geschmeckt haben, dass die Aufforderung dieses Essen in absehbarer Zeit zu wiederholen sei, unabdingbar war. Dieses Gericht ist fast schon von verbotener Einfachheit, sodass es einen schmerzt, nicht diese findige Kreativität zu besitzen, wie sie Spitzenköchen eben eigen ist. Jedenfalls erfahren Sie am Ende der Sendung das Rezept.
Nachdem die ersten Pfifferlinge bereits auf Märkten angeboten wurden, konnte ich auch die Entenleber mit Pfifferlingen ausprobieren. Den Idiazabalkäse ersetzte ich durch einen heimischen milden Räucherkäse und war mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Begeistert war ich von den marinierten Sardellen mit Tomaten-Schinken, die wegen des maßgeblichen Serrano-Schinken-Aromas im Fleischkapitel angesiedelt ist. Eine wahrlich tolle Idee, die in Öl eingelegten Sardellen mit dem salzigen Schinken zu kombinieren. Himmlisch gut war auch die Tomatensuppe mit Schinken & Idiazabal. Erstaunlich, dass es immer noch Gerichte zu entdecken gibt, die mit der Zutatenkombination und daraus resultierenden Geschmackserlebnis überraschen. Dazu gehört auch das in Sidra geschmorte Hähnchen mit Äpfeln, aber auch der gebratene Seehecht mit Pfifferlingen & Salbei. Dabei ist anzumerken, dass im Fischkapitel einige interessante Gerichte zu entdecken sind wie der Sepia Risotto mit Garnelen oder die Tintenfischbällchen in Safran-Mandel-Soße. Aus der Gemüseabteilung sprechen die Rezepttitel bereits für sich: Tortilla mit Aubergine & Blauschimmelkäse und langsam gegarte dicke Bohnen mit pochiertem Ei sind einfach köstlich.
Pastel Vasco ist einer der süßen Verführer, die das Baskenland anbietet. Etwas aufwändig, aber ein Wahnsinn. Von diesem gedeckten Kuchen gibt es unzählige, auch einfachere Variationen. Es ist für Anfänger aber nicht leicht, den Teigdeckel ohne Komplikationen aufzulegen. Jedoch der Pastel Vasco gehört in die Schatztruhe baskischer Konditoreien und ausprobiert.
José Pizarro spürt mit 85 Rezepten dem lukullischen Geist des spanischen Baskenlandes nach. Mit Baskisch verfasste er ein wunderbares Kochbuch, das sich der tradionellen und neuen kreativen baskischen Küche widmet.