Heute machen wir eine Weltreise.
Es sind harte, verrückte Kerle. In erster Linie Kerle, also richtige Männer, wenige Frauen, die es umtreibt in den Hallen des Olymp, genannt Küche. Sie liefern sich Wettkämpfe mit Kochtöpfen als Waffe, bestreiten Fernseh- Kochshows, bekochen Präsidenten, betuchte Scheichs und Adabeis. Sie gehören zu jenem fröhlichen Völkchen, das hart arbeitet – 14-16 Stunden am Tag ist keine Seltenheit – und getrieben ist von Ehrgeiz und Besessenheit, das perfekte Menü zu zaubern. Ihr Ziel ist, in Reichweite der Sterne zu kommen. Mancher bezahlte diese Jagd auf den Lorbeerkranz mit dem Leben. Bernard Loiseau oder Benoit Violier, zwei Köche von Weltruf.
Nicht gescheitert, nein, im Gegenteil; höchst erfolgreich ist Joseph Peter. Wie, Sie kennen ihn nicht? Peter gründete vor 26 Jahren das Restaurant Mangostin in München. Aber das ist eine andere Geschichte. Denn nun hat er ein Buch geschrieben, über seine Lehr- und Wanderjahre, quasi der Zeit vor seiner Sesshaftwerdung. Von Küchenluft und Frauenduft, so der Titel, ist bei Piper erschienen. Damit arbeitet er eine Lebensspane von 20 Jahren auf. Lässt uns teilhaben an Höhenflügen und Abstürzen, gemeisterten Herausforderungen, Angstmomenten und alles überstrahlend, seiner übermächtigen Freude am Kochen. Damit werfen wir einen Blick hinter die Fassade eines Top-Kochs. Seinen langen Weg mit Stationen in der Schweiz, in Frankreich, Belgien, in Tunis, dem Königreich Bahrain, Venezuela, in Bangkok, Australien und Neuseeland, um am Ende wieder in München zu landen und eine neue Herausforderung anzunehmen.
Frühkindlich geprägt, von den Aromen aus Mutters Küche, ergreift er den – für ihn schönsten – und vielleicht ältesten Beruf der Menschheit und beginnt die Ausbildung zum Koch. Der Duft von Mutters Milchreis oder Reisauflauf ließ ihm, und das kennen wahrscheinliche viele Mitteleuropäer, das Wasser im Mund zusammenlaufen. Deshalb ist das erste Rezept ein Reisauflauf á la Mama. Ein süßes Gericht, verfeinert mit Zitrone und in Rum eingeweichten Rosinen, das die Herzen aller Milchreis- und Reisauflauffans höher schlagen lässt. Die Mutter als Josephs erste Lehrmeisterin führt ihn ein in die Geheimnisse der Bratensoßen und anderer bodenständiger Schmankerln. Mit 14 Jahren bekommt er seine erste Kochkluft, wird nach Garmisch in die Lehre geschickt. Maul halten und dienen heißt dieses Kapitel. Und noch etwas erfahren wir da: „Je besser das Haus, in dem du arbeitest, desto schlechter das Personalessen“. Auch eine alte Kochweisheit und seine Lehrstelle, der Partenkirchener Hof, macht da keine Ausnahme. Peter ist ehrgeizig, gewinnt als Lehrling die Silbermedaille bei der Europameisterschaft der Jungköche. Dann gibt es kein Halten mehr. Es drängt ihn hinaus in die Welt. Na ja, die Schweiz, über die Grenze, nach St. Margarethen nahe am Bodensee. Hier bekommen wir von ihm Berner Rösti und Züricher Geschnetzeltes sowie Eis-Soufflé mit Grand Marnier serviert. Diese erste Auslandserfahrung dauert eine Saison. Mit dem Ersparten erfüllt er sich seine erste Südostasienreise. Bangkok, der Traum vieler Köche. Deshalb bekommen wir LeserInnen bereits jetzt schon – sein langer Thailandaufenthalt kommt einige Jahre später, also erst weiter hinten im Buch vor – einen Vorgeschmack auf die asiatische Küche mit Peters scharfsaurer Garnelensuppe Tom Yum Goong. Wer Thailand kennt, liebt diese dort allgegenwärtige Suppe, die die meisten Thais einfach thom yam nennen. Ihre Bandbreite ist von einfach bis hoch komplex. Sie schmeckt nach Zitronengras, gleichzeitig sauer, scharf und salzig, weil diese Suppen mit Limettensaft, Chilis und Fischsauce gewürzt wird. Peter verwendet für seine Garnelensuppe eine Limone d.h. eine Zitrone, aber da merkt man keinen Unterschied.
Peters Walzjahre ist ein Eintauchen in fremde Kulturen. Ein Parcours mit charmanten und weniger charmanten Begegnungen, lästigen, hochnäsigen und liebenswerten Zeitgenossen und viel Prominenz. Es werden Freundschaften geschlossen, Frauenherzen erobert und immer wieder begegnet er Menschen, darunter vielen Küchenchefs, welchen er höchsten Respekt zollt. Von ihnen erlernte er spezielle Küchenfeinheiten und den richtigen Umgang mit den MitarbeiterInnen. Letzteres lässt sich mehr zwischen den Zeilen herauslesen. Eine Respektsperson, die für Peter zu einem Vorbild wurde, ist bspw. Jaques Le Divellec, ein Koch, der sein unglaubliches Wissen über alle Spielarten von Seafood weitergab. Und so erfahren wir von einer französischen Fischspezialität, der Mouclade „La Rochelle“, die wir so nur noch bei seinem Meister im Restaurant Divellec in Paris bekommen.
Fast wäre ich versucht, Joseph Peters zu Papier gebrachte 20-jährige Wanderschaft mit Wilhelm Meisters Lehrjahren zu vergleichen. Gemeinsam ist ihnen vielleicht die Lebensbeichte und das biographische Mosaik, das sich aus vielen kleinen Erlebnissteinchen zusammenfügt. Amüsant und genüsslich zu lesen, noch einmal mehr, wenn man die Seitenblickegesellschaft mag. Aber auch die kulinarische Seite kommt zwar nicht üppig aber vor, immer wieder eingebettet in Geschichtchen und garniert mit Details. Nun, es ist ja auch eine Biographie eines Kochs, mit 16 Rezepten. Im Rezept-Ordner ist hinterlegt, wie man ein Pandanus-Hühnchen Gai Hor Bai Toey zubereitet.