Heute reisen wir nach SCHWEDEN.
In ein Land, in dem die jüngste Klimaschutzbewegung einen Namen hat: Greta Thunberg. In ein Land mit atemberaubender Natur, mit Städten, die die Radnetze ausbauen und den Trend des Urban Gardening fördern. In ein Land, in welchem bekannte Köche und Köchinnen wie Magnus Nilsson, Kille Enna, Tina Nordström, Malin Elmlid und weniger bekannte wie Annette Dieng oder Ingela Persson den Wunsch nach gesunder Ernährung in ihren Küchen umsetzen. Hier müssen wir einschränkend festhalten, dass fast alle behaupten, gesund zu kochen. Verstanden meist als jene neue Food-Bewegung: nur Bio, kein Fleisch, keine Kohlehydrate, keine tierischen Produkte, nur Obst, nur Gemüse. Auf Letzteres konzentrierte sich Annette Dieng und gründete Ekolådan, eine Öko-Box, die die schwedischen Haushalte mit Gemüse und Obst von höchster Bio-Qualität beliefert. Diese Bio-Box ist vergleichbar mit der Tiroler Bauernkiste, die als Plattform für Direktvermarktung die Produzenten unterstützt. Aber Ekolådan ist mehr, wird als gemeinnützige Stiftung betrieben und der Gewinn fließt in Projekte wie die Rettung von Schwedens ältestem und größtem Obstgarten oder in die Forschung des ökologischen Landbaus oder in ein Kochbuch. Unter dem schwedischen Titel Skörd, übersetzt heißt das Ernte, haben Annette Dieng und Ingela Persson eine Sammlung von Rezepten herausgegeben, die sich nicht nur an die Bezieher der Öko-Box wendet, sondern an alle, die mit Gemüse kochen wollen, dazu aber wenig oder keine Ideen haben. Der Gestalten Verlag hat das Kochbuch Junges Gemüse nun dem deutschen Publikum zugänglich gemacht. Darin werden etwa 800 Rezepte vorgestellt. Sie sind ein Plädoyer für mehr Grünzeug auf dem Teller, wie es im Untertitel heißt.
Die äußere Aufmachung, Buchdeckel mit grauem Leinengewebe, demonstriert Öko. Holzschnittartig aufgedruckt in sattem Grün, einige Gemüsesorten. Diese schönen einfachen Illustrationen, einem Kartoffeldruck nicht unähnlich, sind von Katy Kimbell und ziehen sich durch das ganze Buch. Inhaltlich gliedert sich Junges Gemüse in fünf Hauptkapitel, in welchen dann jeweils einzelne Gemüsesorten, insgesamt sind es 40, als Unterkapitel zusammenfasst sind. So finden sich im Abschnitt Blattgemüse alle namhaften Kohlsorten, vom Weißkohl, Grünkohl, bis zum Rotkohl und darüber hinaus Chicorée, Mangold, Spinat und Pak Choi. Unter dem Wurzel- und Knollengemüse sind Kartoffeln, Rote Bete, Knollensellerie und diverse Wurzeln wie Karotte oder Pastinake zusammengefasst. In der Abteilung Blüten-, Samen-, Stängel-, Zwiebelgemüse finden sich Artischocke, Brokkoli, Spargel, Fenchel, Bohnen und anderes. Das Hauptkapitel Fruchtgemüse vereint Avocado, Gurke, Kürbis, Aubergine, Paprika, Tomate wie auch Zucchini, obwohl diese zu den Kürbissen zählen. Am Ende werden Dips und kalte Saucen in unzähligen Varianten in Kürzestform präsentiert.
Jede Gemüsesorte wird vorgestellt, mit Eckdaten ergänzt, geben sie Auskunft, wie es zu lagern ist, in welchem Zeitraum es angeboten wird und welche Nahrungsmittel dazu passen. Schauen wir uns das am Beispiel Mangold näher an. Da erfährt man, dass Mangold mit Rote Bete verwandt ist, die Blätter aber eher dem Spinat vergleichbar sind, auch in der Zubereitung. In weiterer Folge gehen die Autorinnen auf Farbe, Stiel- und Blatt-Charaktristika ein, auf Kocheigenschaften, zum Beispiel dass die Farben dabei verblassen können, auf Rüst-Merkmale, die Verarbeitung und Kocheigenschaften. Mangoldblätter welken, wenn sie länger liegen, und können eingefrischt in kaltem Wasser wieder schön knackig werden. Daher empfiehlt es sich wenn Mangold nicht sofort gekocht wird, diesen im Kühlschrank zu lagern oder einzufrieren.Geerntet von April bis November passt er zu Zitrone, Knoblauch, Parmesan, Nüsse, Ziegenkäse, Eiern, Fisch, Huhn und anderem. Dann werden 19 Möglichkeiten, Mangold zuzubereiten aufgelistet. Hier danach unterteilt ob roh, gekocht, in der Pfanne gebraten, im Ofen gebacken oder gegrillt. Die Rezepte sind minimalistisch formuliert, ohne Mengen- und mit spärlichen Zeitangaben.
Wer für 800 Rezepte ein sehr umfangreiches Kompendium erwartet, der irrt, denn es genügen rund 180 Seiten dafür. Das ist möglich, weil die Rezepte sehr kurz, in einem Absatz abgefasst sind. Auch dafür gebe ich Ihnen ein Beispiel. Für Pak Choi, das dem Mangold ähnliche Gemüse aus Asien, in der Pfanne gebraten, benötigen Sie: Sojasauce, Ingwer, Zitrone und Sesam. Und wie wird es gemacht? Helle Sojasauce, geriebenen Ingwer und Zitronensaft in einer Schüssel mischen. Pak Choi in Streifen schneiden und kurz in Öl anbraten. Die Sauce über den Pakk Choi geben und mit geröstetem Sesam bestreuen. Passt zu Reis und Tofu oder zu Hähnchen. Und für die Sojasauce müssen Sie zu gleichen Teilen helle Soja- und süße Chilisauce und eventuell etwas Fischsauce mischen. Das ist eine von zwei in diesem Buch vorgestellten Sojasaucen.
Hier wird die Stärke wie auch Schwäche schlagartig sichtbar. Diese minimalisierten Rezeptbeschreibungen können Anfänger ohne Kocherfahrung, sofern sie nicht experimentierfreudig sind, ziemlich fordern. Andererseits lassen die dieser Art komprimierten Rezepte uns eine Vielzahl von Zubereitungsmöglichkeiten schnellsten erfassen, ohne dass wir viel zu lesen und zu blättern haben. Die Autorinnen verstehen ihre Rezepte denn auch mehr als Tipps, die uns AnwenderInnen viel Freiheiten lassen. Wir können, d. h. müssen, selber entscheiden, ob wir rote oder weiße Zwiebeln oder gar Schalotten, ob wir Weißwein- oder Apfelessig oder welche Brühe wir verwenden. Viele der vorgestellten Rezepte sind Beilagen, die auch zu einer Hauptmahlzeit aufgewertet werden können.
Junges Gemüse von Annette Dieng & Ingela Persson ist ein sehr kompaktes Kochbuch, das mit seiner komprimierten Form der Rezeptbeschreibungen einzigartig ist. Die eingestreuten, wunderbaren Fotos von Erik Olsson geben nicht nur Zeugnis einer großen Artenvielfalt, sie lockern dieses textdichte Werk sehr benutzerfreundlich auf. Ein detailliertes Inhaltsverzeichnis fehlt, weil auch die Rezepte nicht benannt und nur über die Zutaten sich definieren, beziehungsweise nur über die Hauptzutat erfassbar sind. Aber dieses Manko ist verschmerzbar angesichts der Rezeptfülle. Je öfter man Junges Gemüse zur Hand nimmt, sei es um darin zu schmökern oder etwas auszuprobieren, desto vertrauter werden uns die Zubereitungsformen der verschiedensten Gemüsesorten. Ja, sie fördern gar unsere Experimentierfreude und Lust zu Kombinieren mit den Gemüsen, jedenfalls ist es mir so ergangen.