Kamal Mouzawak, Libanesisch essen

Mit Fotos von Ayla Hibri und Illustrationen von Zeina Abirached
Aus dem Französischen von Birgit van der Avoort
Knesebeck Verlag, München, 2018, 256 Seiten, 32.90 Euro
ISBN 978-3-95728-209-5
Vorgekostet

Heute reisen wir in den LIBANON.

Der Libanon, am südöstlichen Rand des Mittelmeeres liegend, ist um rund 200 qkm kleiner als Nordtirol. Allerdings leben 10 mal soviel Menschen auf levantinischem Boden als in den Tiroler Bergen. Und wer denkt, dass es im Libanon keine hohen Berge gibt, der irrt. Immerhin zwei Dreitausender warten auf die Besteigung. Das Libanongebirge ist im Winter schneebedeckt. Von den weißen Gipfeln leitet sich der Landesname ab.

Krieg war bis vor Kurzem das alles beherrschende Thema, Zerstörung ist immer noch überall sichtbar. Bis 1990 herrschte Bürgerkrieg; mit Israel befindet sich der Libanon im Kriegszustand. Dennoch hat dieses Land viel zu bieten. Sanft schmiegen sich die Dörfer an die Flanken der Hügelketten. In den fruchtbaren Tälern wird Obst- und Weinanbau betrieben, Getreide und Gemüse angepflanzt. Die Küste liefert die Fische und von der fruchtbaren Bekaa- Ebene kommen Milch und Käsespezialitäten. Damit war bisher kein Vermögen zu machen, aber das ändert sich langsam. Die FAO, die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen, fördert die Landwirtschaft betreibenden Familien, die zu den ärmsten Bevölkerungsgruppen des Landes gehören. Aber es gibt auch Privatinitiativen. So gründete Kamal Mouzawak im Jahr 2004 im Zentrum Beiruts einen wöchentlichen Bauernmarkt, den „Souk el Tayeb“. Mit Kamal werden wir diese Reise durch den Libanon machen. Entdecken werden wir ein kleines kriegsgebeuteltes Land und seine Regionen, vor allem seine Frauen und seine Küche. Denn nichts erzählt besser von der Tradition, der Geschichte und den Wurzeln eines Landes als seine Küche. Das behauptet zumindest Kamal in seinem Vorwort von Libanesisch essen, das im Knesebeck Verlag auf deutsch erschienen ist. Und wir wollen ihm das glauben.

Yalla!* – Los! Los! Begeben wir uns auf einen Roadtrip durch die Regionen Libanons, schauen wir in die Kochtöpfe des Landes. Auf der Besuchsliste sind die Adressen von Köchen und Köchinnen, Bauern und Produzenten von Souk al Tayeb, dem Bauernmarkt in Beirut, sowie von Tawlet und Beits, das sind Initiativen und Küchen lokaler Märkte. Das Motto lautet: Make food not war, und meint Kochen statt Krieg führen. Eine simple Idee mit großer Wirkung. Auf den Bauernmärkten werden nicht nur Nahrungsmittel feilgeboten, dort wird auch gegessen. Tawlet ist der Inbegriff libanesischer Esskultur. Es ist ein Projekt, eine Gemeinschaftsküche, in der Hausfrauen ihre Alltagsküche anbieten. Essen wie bei Muttern zuhause, d.h. landestypische, traditionelle Speisen werden aufgetischt. Von 50 toughen Frauen, die abwechselnd aus allen Regionen, sechsmal die Woche auf dem Bauernmarkt kochen, legt dieses Kochbuch Zeugnis ab. Das stärkt das Selbstbewusstsein der Frauen, der Landbevölkerung und schafft menschenverbindende Identität. Wir lernen einige dieser Frauen kennen, ihren Humor und ihre Kochkünste. In zehn Kapiteln, von Beirut aus startend, wird uns eine Küche präsentiert, die ihresgleichen sucht. Sichtbar werden die besuchten Orte auf einer Libanonkarte die jeweils am Anfang des Abschnitts eingeblendet wird.

Beginnen wir in Beirut und mit Roula Hachach, die 28 Jahre in Kalifornien lebte und mit 50 zurückkehrte, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Und da das Haus immer voller Gäste war, die gewohnt waren, bewirtet zu werden, musste sie wieder kochen lernen. Ihre Spezialität ist die Beiruter Küche und so serviert sie uns Reis mit Hähnchen, eine der beliebtesten Sommerspeisen des Libanon. Das Hähnchen ist gut versteckt im kieloben treibenden Reisschiff.

Rima Khodor lebte ihr ganzes Leben in der Hauptstadt und entdeckte mit etwa 40 Jahren ihre Leidenschaft fürs Kochen. Sie hasste den Geruch der gedünsteten Zwiebeln, zwang sich aber das durchzustehen und jetzt gehört er zu ihren Lieblingsaromen. Ihre ganze Energie steckt Rima ins Kochen und ist dabei glücklich. Nachdem ich das Gericht Daoud Pascha nachgekocht habe, verstehe ich ihr Glück. Die Hackfleischbällchen in einer Soße, die mit Granatapfelmelasse verfeinert ist, schmecken so was von lecker (sagt meine Liebste, die eine Piefkin ist)! Dieses schnell zu zubereitende Gericht ist ein Tipp, der auch Sie glücklich machen wird. Deshalb erfahren Sie auch das Rezept von Daoud Pascha, das ein Geheimnis in sich birgt: 1861 war David Pascha Gouverneur über das Libanongebirge, das damals zum osmanischen Reich gehörte. Er bestellte jeden Tag diese Speise, sodass im Laufe der Jahre der richtige Name vergessen wurde. Seither heißen diese Fleischbällchen Daoud Pasha. Diese Geschichte des Daoud Pasha wie auch die Frage, wie man Eintöpfe mit Reis im Libanon serviert, ist als Cartoon ausgeführt. Dieses und weitere Cartoons sind sehr originelle und lustige zweiseitige kurze Geschichten rund ums Essen, in loser Folge eingestreut. Da erfährt man zum Beispiel, ob Kibbeh mit Joghurt oder mit Tomaten serviert werden oder was es mit dem Mouneh – dem Eingelegten und somit Vorläufer der Konserve – auf sich hat. Die schönen Schwarzweiß-Illustrationen mit dem Hang zur Aufklärung schuf die libanesisch-französische Comiczeichnerin Zeina Abirached. Die Illustrationen wie auch die Fotos von Ayla Hibri beleben dieses Werk ungemein, lassen auf mehreren Ebenen einen Blick auf Libanons Landschaften, Städte, Menschen und kulinarische Köstlichkeiten zu.

In der libanesischen Küche vereinen sich Aromen und Kochtraditionen des Orients und Okzidents. Hier findet man osmanische, französische wie auch italienische Einflüsse ebenso wie persische und maghrebinische. Die Basis bildet aber die rustikale, herzhafte, traditionelle Bauernküche vieler Bergdörfer, die reich an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreide ist. Beide, die arabische, einfache ländliche Esskultur wie auch die moderne europäische – als Ausdruck der Zeit des französischen Mandats von 1920 bis in die 1940er Jahre – finden sich in den Gerichten des Libanon wieder. Allerdings, das muss betont werden, sind es überwiegend Gerichte mit Lokalkolorit. Zum Beispiel wird in Tripoli viel Koriander und Knoblauch verwendet; dort ist die Küche sehr würzig und gehaltvoll. Der Beweis ist das Schmorgericht Mangold mit Bohnen von Josephine Ghaleb. Hingegen findet sich in den süßen Speisen Beiruts die Essenz der Aromen des gesamten Mittleren Ostens, behauptet Nada Ghandour. Sie muss es ja wissen, war doch ihre Großmutter Wadad eine der besten Konditorinnen des Landes. So erhält Sfouf , ein einfacher Kuchen aus Zucker und Mehl, durch Kurkuma eine gelbe, verführerische Farbe, sodass man nicht aufhören kann, davon zu naschen. Am meisten aber erfreute mich der Gebackene Milchreis, weil dafür ein sehr seltenes Gewürz – Mastix – verwendet wird. Dieses Baumharz gibt dem Milchreis einen leicht herben Geschmack, der ein wenig an Tannennadeln erinnert; ein himmlisches Gericht.

Libanesisch essen von Kamal Mouzawak ist im übertragenen Sinne ein Himmel voller Rezepte. Auch äußerlich ein kleines Kunstwerk hinsichtlich Design und inhaltlichem Zusammenspiel – ausgewogen und nicht überbordend. Es stellt uns engagierte Frauen und ihre Kochkünste des Landes vor. Wer sich darauf einlässt, wird überrascht werden, wie wenig es braucht, das Glück auf dem Teller zu finden.

* Yalla wird häufig gesagt und bedeutet wörtlich übersetzt „Beeil dich“, „Lass uns gehen“.

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