Malin Elmlid, The Bread Exchange

Vom Reisen und Tauschen mit einem Sauerteig im Gepäck - Geschichten und Rezepte

Aus dem Englischen übersetzt von Volker Bach und Sofia Blind
Prestel Verlag, München, 2016, 240 Seiten, 30.80 Euro
ISBN 978-3-7913-8211-1
Vorgekostet

Heute geht es um einen reisenden Sauerteig.

Man nehme Mehl, Wasser, Salz und Malin Elmlid, presse dies zwischen zwei Buchdeckeln und fertig ist eine Geschichte, die unwahrscheinlicher nicht sein könnte. Allein schon der Vorname lässt Geheimnisvolles, Magisches ahnen und sofort an Merlin den Zauberer denken. Dabei ist Malin Elmlid alles andere als jenseits realer Tatsachen. Sie ist eine junge Frau, Model, studierte Betriebswirtin und hungrig nach Leben und Brot. Letztere bestimmen ihren Lebensalltag. Elmlid reist viel und einige dieser Reiseerlebnisse sowie ihr Einstellung zum Lebensmittel Brot sind in The Bread Exchange, das im Prestel Verlag in deutscher Übersetzung erschienen ist, zusammengefasst. „Teile mit mir. Und ich werde mein Brot mit dir teilen.“ Das könnte als Leitspruch für dieses Brotprojekt gelten.

Ihr wichtigster Reisebegleiter: die Mini-Backstube im Koffer. Darin enthalten: Ein Schraubglas mit einem Sauerteigstarter, Salz, Tuch aus Leinen, Holzbrett, Gärkorb, Brotbackstein, Teigschaber, Thermometer, Waage und eine große Schüssel. Man ahnt es – sie ist besessen vom Brotbacken. Und sie tauscht Brot gegen irgendwas, nur nicht gegen Geld. Für ihr Brot erhielt sie Gitarreunterricht, ein 22-gängiges Menü in der Basler Beyeler Foundation – da werde selbst ich neidisch, aber auch Konzertkarten, Handgefertigtes, viele Kochrezepte und einiges mehr. 2007, als alles begann, war nicht abzusehen, wohin diese Obsession führt. Mittlerweile sind weltweit mehr als 1.400 Brote getauscht. Und um diese Begegnungen und Tauschgeschäfte ranken sich viele Geschichten.

In ihrem Buch erzählt sie von Begegnungen mit Menschen, die Brot wertschätzen. Ihre TauschpartnerInnen traf sie in der Wüste Sinai, in Berlin, in Stockholm, in Bayern, in New York, in Kabul und vielen anderen Destinationen. Brot verbindet Menschen unabhängig vom Glauben, von sozialem Stand und Kulturkreis. Tauschen mit Fremden ist nicht nur friedensstiftend, sondern schafft auch Gemeinschaft. Und was ist persönlicher, als jemand Fremden an seine Tafel zu bitten und am Essen teilnehmen zu lassen? Da verwundert es nicht, dass Malin einzelne Personen, Familien und Institutionen hervorhebt und die damit verbundenen kulinarische Erlebnisse uns nahe bringen will. In Form von Rezepten und schönen Fotos. So gibt es im Brottausch bspw. traditionell bayerische Schmalznudeln, ein Doughnut-ähnliches Gebäck, auf das Nicky Stich die Brottauscherin am Viktualienmarkt in München einlud. Matthias Dahlgren verwöhnte sie in seiner Food-Bar in Stockholm mit einer Västerbotten Quiche. Der Västerbotten ist ein würziger schwedischer Hartkäse. An einem Nachmittag auf einer Dachterasse im New Yorker Brooklyn wurde sie mit dem perfekten Burger überrascht, davor gab es einen Hibiscus-Ingwer-Cocktail und einen Trauben-Soda-Cocktail. Lauras magische Mittsommertorte bei einem Mittsommernachtsfest sollte helfen die Liebe zufinden. Die Torte enthält Tonkabohnen, die eine aphrodisierende Wirkung haben. In Kabul wurde Malin im Tausch gegen ein Walnussbrot Ashak, das sind Frühlingszwiebeltaschen mit einer Knoblauch-Joghurtsauce serviert. Diese Begegnungen sind geographisch gebündelt und die Rezepte Ausdruck lokaler bzw. nationaler Kochtraditionen. Es gibt keinen einheitlichen Aufbau im klassischen Sinne von Vorspeise, Hauptspeise und Nachspeise. Am ehesten könnte man alles als Dokumentation kulinarischer Begegnungen beschreiben, deren Speisefolgen von lokalen Gegebenheiten und Situationen geprägt sind. In Antwerpen sind es Waffeln aus Lüttich, in Warschau eine Saure Brotsuppe usw.. Elf Kapitel, also der Hauptteil, ist den Begegnungsstätten gewidmet. Im ersten Kapitel geht es aber um das Brot selbst. Dem Ausgangspunkt von The Bread Exchange, das man sowohl mit Brottausch als auch Brotbörse übersetzen kann. Beides ist richtig. Auf über sechzig Seiten legt die Autorin ihre Gedanken und Überlegungen über unser wichtigstes Lebensmittel dar, bis hin zu ihren Rezepten vom Sauerteigstarter und diversen Brotsorten. Da ist das einfache Sauerteigbrot genauso vertreten wie ein finnisches Wohlfühlbrot und natürlich The-Bread-Exchange-Sauerteigbrot, das mir wegen seiner grau-schwarzen Färbung schon äußerlich imponiert. Das Rezept für Malins Brot mit gerösteten Walnüssen finden Sie im Rezept-Ordner. Wer sich auf dieses besondere Buch einlässt, muss sich im Klaren sein, dass sowohl das Lesen als auch das Brotbacken Zeit braucht. „Aber die Freude, die du beim Backen und Servieren deines Brotes empfinden wirst, ist unglaublich,“ schreibt Malin im Brotkapitel. Und recht hat sie!

Lustig finde ich ihre Gedanken zur Sauerteig-Starterkultur, wo sie lapidar anmerkt, dass diese bei richtiger Pflege älter als wir werden könnten. Und, „vielleicht würden sie eines Tages mit uns ins Altersheim umziehen“. The Bread Exchange ist ein Lesebuch mit wunderbaren Brotgeschichten und stimmungsvollen Fotos.

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