Heute reisen wir nach ZYPERN.
”Wo die Götter Urlaub machen…” ist eine Anspielung der zypriotischen Fremdenverkehrswerbung auf die mythologische Vergangenheit der Insel. Aphrodite bzw. Venus, die im Meer geborene Göttin, wurde auf Zypern an den Strand gespült, wo sie das Land zu blühendem Leben erweckte. Im 15. Jahrhundert malte sie Botticelli, wie sie nackt, auf einer Muschel stehend, vom Windgott Zephir übers Meer gepustet, auf der drittgrößten Mittelmeerinsel anstrandet. Der Ort ist heute beliebtes Ausflugsziel für Sonnenanbeter und jenen, die an die ewige Liebe glauben. Wer dreimal um den Aphrodite-Felsen in einer Vollmondnacht herum schwimmt, dem ist ewige Liebe sicher. Seit fast 40 Jahren aber ist der Gürtel Aphrodites ein Stacheldraht, das Land geteilt. Der Norden ist türkisch, der Süden – 2/3 ausmachend – griechisch. Nikosia die weltweit einzige geteilte Hauptstadt. Die Türkei, Syrien, Israel und Ägypten liegen weniger als 100 km entfernt. Zypern ist seit Jahrtausenden ein unruhiges Biotop der Geschichte. Abendländische und morgenländische Kulturen prallen hier aufeinander. Und so ist die Küche naturgemäß der griechischen und türkischen ähnlich, aber auch arabische und afrikanische Seefahrer haben ihre Einflüsse hinterlassen. Diese interessante Tatsache war acht Foodies die Mühe wert, sich auf eine kulinarische Spurensuche zu begeben. Herausgekommen ist der opulente Bildband Verführerisches Zypern. Eine kulinarische Reise, der im Callwey Verlag erschienen ist.
In sechs Kapiteln erkunden die AutorInnen den griechischen Teil Zyperns. Ausgangspunkt ist Nikosia, die Hauptstadt. Von dort führt die Route ins Troodos-Gebirge zu den Weinbauern und weiter an die westliche Südküste nach Pafos, dort hin, wo Aphrodite an Land stieg, um sich dann mit Adonis zu vergnügen. Die Reisenden bleiben in dem Afrika zugewandten Küstenabschnitt und fahren zunächst ostwärts nach Limassol, der zweitgrößten Stadt des Landes, und dann weiter nach Larnaka. Diese Region ist bekannt für ihre geographische Vielfalt; goldene Strände trennen das türkisblaue Meer von den Kulturflächen mit der typisch roten Erde, die reiche Ernten beschert.
Von den Zyprioten heißt es, dass sie einen besonderen Wesenszug besitzen, den sie filotimo nennen. Gemeint ist damit Wertschätzung und Respekt vor der Familie und Freunden. Ein weiterer wichtiger Begriff ist filoxenia, was mit Gastfreundschaft zu übersetzen ist. Diese beiden Begriffe charakterisieren die Zyprioten. Und wer dieses Eiland besucht, erlebt herzliche, großzügige Menschen, zauberhafte Landschaften und eine multikulturelle, der Insel angepassten Küche. Das verführerische Zypern wird uns Leserinnen und Lesern vor allem mit Geschichten von und über Menschen, die in Nikosia, in Bergdörfern und Küstenorten wohnen, nahegebracht. Und natürlich darf das Kafenion, Rüchzugsort, männerdominiert und in jedem noch so kleinen Kaff angesiedelte Kaffeehaus, nicht fehlen. Wir lernen Yiannos kennen, den letzten Stuhlmacher seiner Zunft. Besorgen uns Lountza, das sind magere Schweinsfilets, und eine ortstypische Loukanika(-wurst) vom Räucherfleisch- und Wurst-Spezialisten Chrysostomos. Miroula ist für Rosenwasser zuständig. Das Destilat aus den Blüten der rosa damascena darf in keiner Süßspeise fehlen. In abgelegenen Gebieten werden die Gäste heute noch zur Begrüßung mit Rosenwasser besprengt. Mit Yiorgos geht es hinaus aufs Meer zum Auslegen der Netze. 15 Kilogramm mit Sardinen, Oktopus, Barben, Makrelen wären ein guter Tagesfang, meint er und lächelt. Dann sind da noch Dimitra und Elena, die Käsemacherinnen, Sofia, die Brotbäckerin, George, der Töpfer, Androula, die Makaronia-Dreherin, Despoula, die karamellisierte Früchteketten herstellt, und einige Zyprioten und Zyprotinnen mehr, die uns mit ihren Geschichten ein wenig an ihrem Alltag teilhaben lassen. Schön aufgemacht mit Fotos, die das Gelesene plastisch vorführen. Dazwischen eingebettet sind Rezeptblöcke, die uns die ganze Bandbreite dieser Inselküche aufzeigen.
Die Okraschoten mit getrockneten Aprikosen waren eine Entdeckung. Dieses Gericht ist auch ein schönes Beispiel für die Beeinflussung von außen. Die Okraschote stammt ursprünglich aus Äthiopien während die Kaisia-Aprikose eine lokale Frucht ist, vor allem aus den Dörfern nahe Nikosia. Der bittersüße Geschmack dieses Gerichts ist etwas ganz Besonderes. Großartig auch ist das Spinat-Pie. Ungewöhnlich in diesem Fall ist der ungesüßte Rührteig, dessen Rezeptur aus einem kulinarischen Notizbuch einer lieben, alten Dame aus Mourfou stammt. Das Rezept verrate ich Ihnen am Ende.
Bewährt an heißen Tagen hat sich der Zitrusfrüchte-Salat. Eine Kombination von frischen und kandierten Früchten – auf alle Fälle ein ungewöhnlicher Salat. Angetan war ich auch von den Griesschnitten, die den libanesischen Einfluss nicht leugnen können. In den Teig wird Mastix eingearbeitet, das die wenigsten zuhause haben werden. Dieses Gewürz ist ein Harz der Pistazienbäume und besitzt ein herbes, harzig-säuerliches Aroma. Leider wird im Buch dieses Gewürz nicht näher erklärt. Wie auch andere Wörter etwa ophiolithisch oder Anari nicht oder nicht direkt erklärt werden. Manchmal erschließt sich ein nicht geläufiges Wort dann aus dem Text. Hier wäre ein Glossar sehr dienlich.
Im Troodos-Gebirge wird Schweinefleisch mit Rote Bete zubereitet. Überliefert ist, dass die schöne Aphrodite reichlich Rote Bete aß. Jedenfalls ist diese Kombination ungewöhnlich. Zu einer wahren Gaumenfreude wird dieses Gericht erst mit Kreuzkümmel und Zitronensaft.
Für den Halloumi-Strudel fehlte mir die wichtigste Zutat, der Halloumi. Dieser zyprische Ziegenkäse ist etwas Besonderes. Zyprioten essen ihn morgens, mittags und abends. Man kann ihn schmecken und man hört ihn, denn er ist der einzige Käse der Welt, der quietscht. Man beißt rein und es quietscht. Eine weitere Besonderheit dieses Käse ist, er schmilzt nicht. Der Grund dafür: Der Käse wird mitten im Reifungsprozess noch einmal aufgekocht, dadurch die Aktivität des Labs gestoppt, wodurch er seine gummiartige Konsistenz erhält. Mein Halloumi-Strudel mit Grillkäse als Ersatz schmeckte, naja, es war akzeptabel. Wenn man den Geschmack von Halloumi kennt, dann weiß man, was einem fehlt.
Und was gibt es noch in diesem Kochbuch? Ein Nudelauflauf, der einer Lasagna ähnelt und üppig schmeckt, Mittelmeerflair mit Tintenfisch in zweierlei Wein, ein würziges Osterbrot mit historischen Wurzeln, zum Entrücken in andere Sphären Engelshaar mit Anari und noch einiges mehr.
Wenn man davon absieht, dass jüngste Zeitgeschichte ausgespart wird, wie die Teilung der Insel, Bankenskandale oder der hohe Anteil an Russen in Limassol – die Zyprioten nennen diese Stadt unter sich Limassolgrad -, so ist dieser schöne Bildband eine Bereicherung der mittlerweile unüberschaubaren Mittelmeerliteratur. Ein weißer Fleck auf der Mittelmeerkarte getilgt. Einfühlsam werden die Zyprioten und ihre Insel vorgestellt, zudem mit einer Fülle unbekannter, kulinarischer Schmankerln. Jedesmal, wenn ich das Zypernbuch in die Hand nehme, entdecke ich Neues. Eben habe ich Fisch mit Tomaten im Ofen aufgeschlagen …
Nachtrag zu Halloumi-Käse:
In türkischen Geschäften wird in der Regel Hellim-Käse angeboten. Das ist Halloumi-Käse, der aus dem türkischen Norden Zyperns stammt und dort Hellim-Käse heißt.