Max + Eli Sussman, Kochhelden

Rezepte für das wahre Leben

Aus dem Englischen übersetzt von Bettina Snowdon
Callwey Verlag, München, 2014, 160 Seiten, 24.95 Euro
ISBN 978-3-7667-2001-6
Vorgekostet

Heute geht es um ein Kochbuch sehr junger höchsttalentierter Köche.

Kochhelden, so der deutsche Titel, ist ein sehr amerikanisches Kochbuch. Das merkt man am Äußeren, eine verspielte Gestaltung, die m. E. amerikanische Kochbücher häufiger kennzeichnen als deutsche. Das merkt man an den bestens gelaunten Protagonisten auf good-feeling-Fotos, das merkt man an deren Drauflosmachen Mentalität und natürlich an den Rezepten.

Da machen sich also zwei Brüder, jung und gut ausgebildet, auf, dem Rest der Welt zu zeigen, dass kochen total easy ist und neue Gerichte ausprobieren das höchste der Gefühle. Und über dieses Ausprobieren von neuen Gerichten lernt man etwas über andere Kulturen. So das kochphilosophische Credo von Max und Eli Sussman. Sie sind die Helden, eben mit jenen besonderen herausragenden Fähigkeiten bzw. Eigenschaften, welche Sie an uns, an mich weitergeben wollen.

Der inhaltliche Aufbau ist ungewöhnlich. Sechs Kapitel fixieren bestimmte gemeinschaftliche Ereignisse bzw. Kategorien, wie Sonntagsbrunch, Grill Futter, ein Abend daheim, Dinnerparty, Mitternachtssnacks und Süßkram. Darin eingebettet sind an die 60 Rezepte sowie Projekte die sich eines bestimmten Themas annehmen. Erklärt werden Grundrezepte und was man daraus mehr noch machen kann; angefangen mit Speck machen, über Gemüse einlegen, Pasta machen, Cocktails mixen bis zu Sandwich-Variationen.

Lockere Sprüche unterstreichen die Kochambitionen der Sussmans. So fordern Sie auf, den Brunchsonntag offiziell zum Feiertag zu erklären, um auszuschlafen, im Pyjama herumzuhängen den Rest des Tages in trauter Zweisamkeit auf dem Sofa zu verbringen. Oder zur Erfüllung eines sommerlichen Grillfestes einen Freund mit Pool heimzusuchen. Oder um eine erfolgreiche Dinnerparty durchzuziehen, lassen Sie die Gäste für Getränke sorgen und legen selbst Soul auf. Überhaupt sind übers ganze Buch verteilt kurze Geschichtchen, Gedanken, Erklärungen zu den Gerichten, manchmal in Sprechblasen meistens nicht. Da heißt es bei der ‚Bluttransfusion‘, einer Bloody-Mary-Interpretation etwa: ‚Nach einer durchzechten Nacht gibt es nur zwei Wege wieder ins Lot zu kommen: eine Bluttransfusion oder weiter trinken.‘ Beim Gegrillten Romana-Speck-Salat meinen die Sussmans, dass ‚Speck alle persönlichen und religiösen Überzeugungen und Diät-Vorschriften mit einem einzigen Bissen verändern kann.‘

Klar und übersichtlich sind die Rezeptbeschreibungen. Vielen ist ein Foto gegenübergestellt.

Mit ganz wenigen exotischen Ausnahmen sind die Zutaten normal erhältlich. Auffällig viel Sahne, Butter, Ölivenöl wird verwendet. Auch an Zucker und Eiern wird nicht gespart. Einige Gerichte sind für Schwerstarbeiter ausgelegt, zwar sündhaft gut aber extrem energiereich. Die von mir nachgekochte Polenta mit Käse, pochierten Eiern und sautiertem Spargel gehört dazu, auch wenn sie traumhaft von Geschmack und sehr sättigend war.

In vielen Rezepten scheint die Experimentierfreude der beiden Köche durch. Die Wassermelonen-Gazpacho ist ein schönes Beispiel dafür, dass mit dem Austausch einer Hauptzutat – einfach die Tomaten durch eine kernlose Wassermelone ersetzt – etwas völlig Neues an Geschmack entsteht. Zudem ist sie auch schnell zuzubereiten. Spannend sind auch einige Grilllvorschläge mit Nahrungsmitteln, die nicht zwingend auf einen Grillrost gehören. Neben dem gegrillten Romana-Speck Salat war es der gegrillte Pfirsichsalat der mit seiner Aromenvielfalt überraschte. Worauf hier wirklich zu achten ist, die Pfirsiche müssen unbedingt reif sein. An einem Grillabend mit Freunden war dieser Pfirsichsalat die Krönung. Mir vorgenommen aber noch nicht ausprobiert habe ich den gerösteten Blumenkohl mit Röstzwiebeln und Tahinisauce (das ist Hummus bzw. Sesampaste mit Wasser, Salz, Knoblauch und Zitrone angerührt), auch so eine quergedachte Rezeptidee, wo man von vornherein annehmen kann, dass das schmecken muss. Auch die Ingwerkeks–Eiscreme–Sandwiches, der geschmorte Rotkohl mit Karotten und Speck, die Birnentarte und die Schweinskoteletts mit Apfelcutney weisen auf interessante Kombinationen hin. Sie stehen in der Warteschleife und werden demnächst nachgekocht. Mit Olga, meinem 11-jährigen Leihenkel, machte ich die gegrillten Fleischklops-Sandwich auf gut österreichisch faschierte Leibchen-Sandwich, wozu Eli Sussman anmerkt: Dieses Sandwich kann ziemlich schwierig zu essen sein, wenn Sie beim Essen keine Sauce im Gesicht haben, dann essen Sie es nicht richtig. Wir verzichteten auf Messer und Gabel und alle hatten Pestospuren im Gesicht, denn wir wollten keinen Ärger mit Eli. Geschmeckt hat es groß und klein, am Ende erfahren Sie das Rezept dieses Riesensandwiches.

Die Autoren sprechen mit ihren kreativen Rezepten und ihren Versuch, mit den Kochbuchanwendern in Dialog zu treten, vor allem die jüngere Generation an. Ihr ehrenwertes Ziel: Benützern dieses Kochbuchs Impulse zu geben und wegzuführen von Junkfood und Tiefkühlkost. Einige der vorgestellten gehaltvollen Gerichte erfordern einen 100-prozentig funktionierenden Stoffwechsel. Auch die Aufmachung, unkonventionelle peppige Schrift, aufgelockert mit einfachen, liebevollen Zeichnungen diverser Ingredienzien und sehr gelungenen Fotos erfreut alle Altersgruppen und insbesondere aufgeschlossene Junggebliebene. Max und Eli Sussman gelingt es, mit ihren ambitionierten Rezepten die klassische Küche ein wenig zu entmystifizieren. Wer sich darauf einlässt erweitert auf genussvolle Art seinen Kochhorizont.

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