Melissa Forti: Dolci, Tartes und zauberhafte Kuchen backen

Aus dem Englischen übersetzt von Werner Kügler
Mit Fotografien von Danny Bernadini
Prestel Verlag, München, 2017, 224 Seiten, 32.-- Euro
ISBN 978-3-7913-8382-8
Vorgekostet

Heute reisen wir nach ITALIEN.

Nach Sarzana an der ligurischen Küste, etwa 10 Kilometer im Landesinnern liegend, auf der selben Höhe wie La Spezia. Ein unbedeutendes Städtchen mit 22.000 Einwohnern. Heute ist dieses Sarzana, nicht wegen Papst Nikolaus V. oder dem Radrennfahrer Lorenzo Bernucci bekannt – beide sind dort geboren -, sondern wegen einer Reisenden, die in dieser Kleinstadt zum Stehen kam.

Melissa Forti verliebte sich offensichtlich in das historische Zentrum und eröffnete dort Melissa’s Tea Room & Cakes. Im Dolci verwöhnten Italien eine Kuchenstube zu eröffnen ist schon gewagt, aber den Espressi liebenden Südländern einen Teeraum vor die Nase zu setzen, finde ich, ist eine Herausforderung. In dem an der Magra liegenden Städtchen scheint beides gelungen und von den Sarazenen-Nachfolgern angenommen.

Tee und Kuchen sind Mitbringsel aus London und Los Angeles, erweitert, verfeinert und angepasst dem mediterranen Klima. Die Römerin Forzi konzentriert ihre Welterfahrung in ihrer Teestube als einen Ort, an dem Stil, Geschmack, Sorgfalt und Authentizität die wichtigsten Zutaten sind, wie sie in der Einführung anmerkt. Daran will sie uns teilhaben lassen und hat ihr erstes Backkochbuch geschrieben. Dolci, Tartes und zauberhafte Kuchen backen ist im Prestel Verlag erschienen.

Am Beginn steht eine Einführung, Aus ihr erfährt man ein wenig hintergründiges über die Autorin – dass sie vormittags bäckt und nachmittags verkauft, dass sie sich nicht schöneres vorstellen kann, als Gäste zu verwöhnen und einiges mehr. Auf der gegenüberliegenden Seite ist sie abgebildet. Eine schöne Frau, mit hochgeschlossenem Kleid und tätowierten Unterarm. Ein feines Lächeln umspielt ihre Gesichtszüge. Von dieser attraktiven Dame lässt man sich gerne auf Rosen betten. Dann kommt ein Vorwort von Tim Mälzer. Lobhudelnde Sätze auf die man verzichten kann – sie muss man nicht lesen; sie sind substanzlos, keine Auseinandersetzung mit Melissas Backwerk. Schade!

Aber dann geht‘s los. In drei Kapiteln entführt uns die Konditorin Forti in drei Welten der süßen Verführer. Zunächst präsentiert sie uns Rezepte aus ihrer Heimat Italien, dann geht es mit Dal Mondo hinaus in die weite Welt, um im dritten Abschnitt bei den Versuchungen aus ihrer persönlichen Sammlung anzukommen. Insgesamt sind es 100 Rezepte.

Der Aufbau ist einfach. Jedem Rezept sind zwei Seiten gewidmet, links der Text, rechts das Bild dazu. Die in einer Zierleiste eingefassten Rezepttitel, auf italienisch und deutsch, verleihen dem Ganzen eine gewisse barocke Erhabenheit. Fast schon jugendstilmäßig luftig und damit angenehm wirkt das Layout auf den Betrachter. Der Text ist übersichtlich dreispaltig. Zuerst gibt es immer einen kurzen Vorspann mit historischen und persönlichen Bezügen, dem Angaben zu den Zutaten und in der dritten Spalte der Zubereitung folgen. Klar und übersichtlich strukturiert sind die Zutaten in zwei Maßsystemen angegeben: der europäischen Gramm- und Teelöffel-Kultur ist die amerikanische cup-Kultur in Klammern beigefügt. Das hat seinen Vorteil. Für jene, die viel amerikanisch und Amerikanisches backen, sind die cup-Angaben ideal und zum anderen kann man immer die Mengenangaben überprüfen, vor allem wenn man das Gefühl hat, dass diese Angabe nicht ganz stimmt. Wie zum Beispiel bei der Schokoladen-Himbeer-Torte, bei der das Pflanzenöl in Gramm angegeben ist, aber Milliliter gemeint sind.

Auch interessant für mich war die Erfahrung, dass Forti fast ausschließlich mit Butter backt. Nachdem ich erfuhr, dass die gefüllte Mürbteigtorte aus Neapel, die einzige Köstlichkeit gewesen sein sollte, die der Kaiserin Maria Theresia ein Lächeln entlockte, kam ich nicht umhin, diese auszuprobieren. Die Zubereitung war aufwändiger, als ich mir gedacht hatte, die Einverleibung dann ein einziger Genuss. Wer den gekochten Weizen selbst herstellen will, muss fünf Tage vorausplanen. Alle die von dieser Torte gekostet haben, konnten sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen.

Sehr gehaltvoll ist der toskanische Kastanienmehlkuchen. Der Nussgeschmack passt wunderbar in die beginnende Winterzeit. Im Unterschied zu den übrigen Kuchen kommt dieser ganz ohne Fett aus. Da das Maronimehl kein Prolamin und Glutenin enthält, geht die Masse nicht auf, sondern bleibt kompakt und flach. Schmecken tut er ausgezeichnet.

Wer endlich die Cantuccini Kekse selber machen will, sei auf das Rezept der rautenförmig geschnittenen Mandelkekse verwiesen. Wenn man es einmal ausprobiert hat, kommt man der Versuchung, sie zu kaufen, nicht mehr nach, sondern backt sie selber. Umso besser schmecken sie dann zu dem Glas Rotwein mit Freunden, wo über das Unheil in der Welt diskutiert und jede untergangsschwangere Stimmung abgefedert wird durch das Grascheln beim Hineinbeißen in diese Kekse. Für die Ach so Guten Cantuccini werden sie dann gelobt, die Italiener.

Die Zabaione, jene urtypisch italienische Weinschaumcreme, besteht immer aus drei Komponenten und lediglich in den Mengenangaben unterscheiden sich die Köche und Köchinnen. So verwendet die Grande Dame der italienischen Küche, Marcella Hazan für ihren Weinschaum nur halb soviel Zucker wie Melissa Forti; in den restlichen Angaben sind sie deckungsgleich. Wie ich überhaupt feststellen musste, das Forti sehr stark süßt. Bei all meinem Nachgebackenen habe ich die vorgegebene Zuckermenge reduziert – manchmal mehr, manchmal weniger. Es hat nie geschadet.

Um den gewürzten Kürbiskuchen kam ich auch nicht herum. Einige sangesfreudige Mitglieder meines Chores versorgte ich mit dieser wohlschmeckenden Augenweide. Sie begannen unmittelbar nach dem letzten Bissen, hochzufrieden und leicht entrückt Paolo Contes Gelato al limone zu summen. Ich fasste das als Kompliment für meinen Kürbiskuchen auf. Noch gibt es Kürbis und deshalb werden Sie das Rezept erfahren.

Dolci, Tartes und zauberhafte Kuchen backen ist ein wenig extravagant in seiner äußeren Aufmachung. Das passt zu Melissa Forti, die eine Anhängerin tatoogeschmückter Körper zu sein scheint. Das passt auch zu dem von ihr kreierten Gebackenem, das von einfachen bis zu mehrstöckigen Gebilden mit creme- und fruchtverziertem Äußeren reicht. Das passt auch zu den inszenierten Fotos der Rezepte, die bereits einen bildhaften Vorgeschmack der Gaumenfreude abgeben. Zwei dicke Umschlagdeckel umklammern mit einem eleganten grünen Leinenrücken den Schatz italienischen und globalen Backwerks. Melissa Forti ist weltoffen und Italienerin, das merkt man auch in ihren Rezepten. Ob Torta della Nona, Chai Ingwer Torte , Zimtkuchen oder Bacci di Alassio, die Autorin ist überall zu Hause und in allen Backwerken steckt auch ein wenig von ihr. Vielleicht wurde sie bei den Alassio-Küssen von Ernest Hemingway inspiriert, der, ebenfalls ein Reisender wie sie, am Stadtparkmäuerchen von Alassio mit einer Fliese sich verewigte. Bei mir wird es noch eine überschaubare Ewigkeit dauern, bis ich mich durch all diese herrlichen Naschwerke gebacken habe. Jetzt wartet Tante Roses Apfelkuchen  auf mich!

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