Heute geht es um die Herbst- und Wintergemüseküche.
Eintönig, langweilig, fad sind Attribute die häufig genannt werden, wenn es um die Gemüseküche in der 3. und 4. Jahreszeit geht. Nicht so für Meret Bissegger. Die leidenschaftliche Köchin und Buchautorin aus dem Tessiner Ort Malvaglia liebt Gemüse. Mehr noch! Wurzeln, Stengeln und Blätter dominieren auf ihren Tellern ob als Happen zum Aperitif, Vorspeise, Zwischen- oder Hauptgang sowie zu manchem Dessert gereicht. In ihrem zweiten Kochbuch Meine Gemüseküche für Herbst und Winter, zeigt Meret Bissegger was in saisonalem, heimischem Grünzeug alles steckt. Dabei beschränkt sie sich aber nicht nur auf das Kochen. In der Einleitung macht die Autorin klar, das es ihr wichtig ist zu wissen, woher die Produkte kommen und dass sie nach den Prinzipien ökologisch, nachhaltig, fair einkauft. Damit werden Qualitätsstandards vorgegeben die näher erläutert werden müssen. Im ersten Kapitel geht es daher um Fragen zur ökologischen Landwirtschaft. Kurz und prägnant wird die biologisch dynamische bzw. biologische Landwirtschaft erklärt. Werden einige Biobetriebe mit ihren Erzeugnissen und Vermarktungsstrategien vorgestellt, sowie schweizerische Konsumenten-Produzenten-Bündnisse etwa ConProBio oder Slow Food. Hochinteressant ist dann der Vergleich von Richtlinien sowohl privater Biolabel, bspw. demeter, Bioland, Naturland und anderer als auch nationaler Bio-Verordnungen zwischen der EU und der Schweiz. Gedanken zur Biodiversität, also Pflanzenvielfalt, Saatgutzüchtung und -erhalt runden das Kapitel ab. Das ganze mag im ersten Moment sperrig erscheinen, drückt aber letztlich eine vorbildliche Haltung der Autorin aus. Für sie ist die Lust auf Essen und die Lust auf Kochen aufs engste verknüpft mit einer ganzheitlichen Betrachtungsweise und der Fragestellung: Wie, wo und wer baut mein Gemüse an?
Ehe die Autorin aber die eigentlichen Protagonisten dieses Werkes, die heimischen Gemüse beschreibt und kocht, schiebt sie noch eine kurze Passage zur Küchenpraxis ein. Darin werden einige grundsätzliche Anmerkungen zu Einkauf, Lagerung, Rüsten und Gemüsefond, Zubereitungsarten, Tipps und zu den Rezepten preisgegeben.
Dann lässt Meret Bissegger ihrer Leidenschaft freien Lauf. An die 40 Gemüsesorten, zum Teil zusammengefasst zu Pflanzenfamilien, werden ausführlich beschrieben. Bekannte und häufig verwendete Gemüse wie Mangold, diverse Kürbisse, Kohle, Karotten, Sellerie, Lauch etc. finden sich darin genauso wie die im Küchenalltag weniger häufig genützten roten Rüben, Zichorie, Topinambur oder der kaum bekannte Knollenziest und Kardy um einige aufzuzählen. Die Autorin setzt dabei die Beschreibungen der einzelnen Gemüse in den Kontext der Verarbeitung und ergänzt welche Zutaten dazu passen. Da erfährt man bspw. bei der roten Rübe wie man das schöne Rot im Inneren erhalten kann. Welche Öle und Milchprodukte zur rohen Rübe passen, oder wie Garzeit eingespart werden kann. Auch, dass Meerrettich, frischer Ingwer, Nelken, Holundersaft etc. passende Zutaten der roten Rübe sind. Diese ausführlichen Beschreibungen sind ein wahres Schatzkästlein. Hierin offenbaren sich großes Wissen und jahrelange Erfahrungen. Den einzelnen vorgestellten Gemüsesorten sind überwiegend unkomplizierte Gerichte angehängt. Vergleichsweise wenige Rezepte, jeweils vier, sind dem Mangold und Kardy zur Seite gestellt. Wesentlich mehr sind es bei den Karotten, die allein schon von der Farb- und Formgebung viele Verarbeitungsmöglichkeiten zulassen. Einfach, gut und schnell waren die gedünsteten Karotten mit Ingwer und Honig zubereitet. Mit Honig verfeinert, bekamen die Karotten ein anderes Aroma. Bei einigen Rezepten aber wird der im Gemüse enthaltene Zucker durch langsames Garen karamellisiert. Dieser Tipp der Gemüseexpertin lässt einzelne Gemüsearten besonders gut zur Geltung kommen. Manchmal genügt eine Prise Salz darüber gestreut oder ein Schuss Weißwein zum Ablöschen um neue Geschmackswelten heraufzubeschwören. Ein solch wunderbares Erlebnis war für mich der Risotto mit Kürbis und Peperoni. Hier wird zuerst das Gemüse angebraten und karamellisiert und dann erst der Reis zugegeben und mit viel Weißwein abgelöscht. Ich musste mich zwingen den Risotto so zuzubereiten, aber das Ergebnis überzeugte und der Topf war in kürzester Zeit leer. Das i-Tüpfelchen aber waren der Sherry und der Rahm die vor dem Servieren noch eingerührt, dem Risotto eine unvergleichlich cremige Konsistenz und besondere Geschmacksnoten verliehen. Den Kürbiskuchen mit Quitten buk ich mit Äpfeln. Ganz dem Ratschlag Merets entsprechend, mit ihren Rezepten spielerisch umzugehen und sich von den Produkten inspirieren zu lassen.
Unzählig sind die lukullischen Versuchungen in diesem Kochbuch, wie das spitztürmige Filderkraut mit Lammfleisch gefüllt, oder die Rüben aus dem Ofen mit Weißwein und Pilzen, oder die Kastanientaler mit verschieden Zichorien, oder … Randen mit Orange (das Rezept befindet sich im Rezept-Ordner). In Österreich würde dieses Gericht Rohnen oder Rote Beete mit Orange heißen.
Die gelungene Gestaltung dieses Gemüse-Kochbuches muss unbedingt erwähnt werden. Wunderbare Fotos, das fängt mit dem Titelbild an, durchlüften die vielen Textseiten und lassen das Gelesene vor dem geistigen Auge neu entstehen. Merets Begeisterung für eine in sich geschlossene Gemüseküche ist ansteckend. Wer sich neuen vegetarischen Wintergenüssen hingeben will ist mit Meret Bisseggers Herbst- und Winter-Gemüse-Kochbuch und den etwa 150 Rezeptvorschlägen bestens bedient.