Heute reisen wir in die PO-Ebene.
Il Po ist der Titel des gewichtigen Werkes von Michael Langoth. Gewichtig in doppeltem Sinne: Nicht nur bringt der großformatige Bildband knappe 2 kg auf die Waage, er beschäftigt sich auch ausgiebigst mit Land, Leuten und Küche der oberitalienischen Poebene.
Über drei Zugänge führt Langoth uns in diese kulinarisch reiche Region, die von der Adria bis zu den Ausläufern der Alpen reicht.
Zunächst das Grundlegende:
Ausführlich und ausreichend informativ behandelt der Autor einige kulinarische Produkte, die typisch sind für die Poebene: den Parmigiano, den Prosciutto, den Salame, die Polenta, den Aceto Balsamico aus Modena und anderes, um dann – etwa ab der Hälfte des Buches – überzugehen zum Eigentlichen, der regionalen Küche. In einer kurzen Einführung in die Kochtechnik erfahren wir, dass die Küche der Padana, wie die Poebene auch genannt wird, vor allem Butter verwendet, die eigentliche Würzzutat Parmesan ist, aber die Grundbedingung exzellenten Essens die ausgezeichneten Zutaten sind. Was wir brauchen (die Basis, die Pasta, Aromen etc.) wird bildhaft vorgestellt sowie auf das hingewiesen, worauf man achten sollte. (Übrigens) ein schön gestalteter Abschnitt, in dem jedes Nahrungsmittel als Miniatur abgebildet und nicht nur auf deutsch sondern auch auf italienisch benannt ist. Mir, dem staunenden Leser, erweitert sich die Farbpalette des Gemüses um das Lila eines Karfiols aber auch um die Artenvielfalt. Zum Beispiel werden auf Seite 108 sechs Radicchiosorten abgelichtet.
Und bei der Frage nach den Kochprinzipien geht es dann um das Wesentliche. Gemeint sind die Kochschritte von battuto, also dem Kleinhacken der Zutaten wie Zwiebel, Karotten bis zum Pancetta dem italienischen Bauchspeck hin zu insaporire, dem Anschmoren und damit Erzeugen des guten, typischen Aromas eines Gerichts. Spätestens hier taucht man ein in das Mysterium guten italienischen Essens, vermittelt durch wunderbare Illustrationen und nachkochbare Rezepte.
Der Rezeptteil füllt auch die Hälfte des Buches und weicht in seiner Einteilung von herkömmlichen Kochbüchern ab. Zum Beispiel, behandelt das Kapitel vegetarische Meisterwerke, das Erbe katholischer Fastengebote, Köstlichkeiten wie die Parmigiana di Melanzane, das ist ein Auflauf aus Melanzani, Tomaten, Mozarella und Parmesan. Oder das Kapitel „Auf den Punkt gebracht“ bietet diverse, besondere Risottigerichte. War der Birnenrisotto mit Gorgonzola noch etwas gewöhnungsbedürftig begeisterte mich der Risotto al Radicchio di Treviso nicht nur vom Geschmack sondern auch von der violetten Farbgebung.
Vor kurzem erst habe ich Freunden die Minestrone alla Romagnola mit großem Erfolg serviert. Am Ende stelle ich ihnen das Rezept vor.
Vorher jedoch noch ein paar Sätze zu den wunderschönen Fotos. Langoth ist nicht nur Autor sondern auch Fotograf.
Ausgehend von der Vorstellung, dass große Kochkulturen entlang von großen Flüssen gewachsen sind, setzt er diese wassergeprägte Tiefebene mit eindrucksvollen Bildern in Szene. Die seitenfüllenden Aufnahmen eröffnen dem Betrachter einen geographischen Raum Italiens, der wenig beachtet und bekannt ist.
Er beginnt mit Landschaften von sattgrünem Buschwerk, das sich in leichten Wellenschlägen spiegelt, altem Mauerwerk an einsamen Ufern, einem Fischer beim Tagwerk, von Pinien gesäumten Kanälen und endet mit einem Foto, auf welchem zwei Herren unter den Lauben einer oberitalienischen Kleinstadt sich angeregt unterhalten: man verspürt förmlich das Flair des italienischen „dolce vita“. Dazwischen Bilder von verlassenen Industrieschloten, Eisenbahnbrücken über den Po, von Märkten und Marktständen mit üppigen Auslagen, Händlern und Käufern, Federvieh, Käselaiben und vielen Menschen. Die Bilder sprechen für sich und sind knappest kommentiert.
Ein Bild auf Seite 174, auf dem Teller, Löffel, geschnittenes Gemüse, Weinglas samt Inhalt und diverse Zutaten durch die Lüfte fliegen, weist auf paradiesische Zustände und sinnliche barocke Esslust hin.
Dieses Buch macht richtig Lust sofort in die Poebene aufzubrechen.