Sabrina Ghayour, Persiana

100 Rezepte aus den Küchen des Orients

Fotos von Liz und Max Haarala Hamilton
Illustrationen von Susan Brinkhurst
Übersetzung von Sabine Schlimm
Hoelker Verlag, Münster, 2015, 240 Seiten, 25.70 Euro
ISBN 978-3-88117-982-9
Vorgekostet

Heute reisen wir nach PERSIEN.

Von den Persern und anderen Orientalen behauptete Antonius Anthus in seinen Vorlesungen über die Esskunst, dass ihnen „der eigentliche Esssinn fast gänzlich fehlt. Reisende können ihr Erstaunen über die unglaublich geringe Quantität von Nahrung nicht genug ausdrücken, mit der jene Völker sich begnügen. Diese ist meist dazu noch pflanzlich und von der ermüdendsten, sterilsten Einerleiheit. Reis, Mais, Datteln! – Datteln, Reis, Mais!“ Weit gefehlt. Anthus, der diese Zeilen um 1838 schrieb, war nie in Persien – dem uralten Königs- und Hirtenland – das die Reisenden mit der Überraschung seiner unvergänglichen Gebirge empfängt. Persien bzw. der Iran überrascht aber auch mit seiner Kochkultur. Dies zu beweisen ist eine junge, in England lebende, Iranerin angetreten. Sabrina Ghayour hebt den Schleier der Geheimnisse etwas an und lässt uns einen Blick auf die exotischen Versuchungen der iranischen Küche werfen. In ihrem Kochbuch Persiana, das im Hölker Verlag erschienen ist, präsentiert sie uns 100 Rezepte aus den Küchen des Orients. Die räumliche Ausweitung, wie sie im Untertitel anklingt, lässt erahnen, dass die iranische Küche sich nicht gänzlich von den Einflüssen der Nachbarn abschottet. Indische, arabische und türkische Duftnoten entströmen der persischen Küche wie auch umgekehrt ihr Einfluss in den Nachbarküchen spürbar ist. Nicht so gewürzlastig wie in Indien und der Knoblauchanteil ist auch geringer als im arabischen Raum, um zwei – zugegeben subjektive – Unterscheidungsmerkmale anzuführen.

Sabrina Ghayour ist Autodidaktin, ihr Lebenslauf weist auf keine Kochlehre hin. In ihrer Familie konnte niemand so richtig kochen, die Mutter nicht und auch die Großmutter nicht, beschreibt sie in der Einführung ihren Werdegang. Erste Kocherfahrungen machte sie im Alter von sechs Jahren, richtig los ging es aber erst mit achtzehn, da begann sie sich mit der persischen Küche zu beschäftigen. Und berühmt wurde sie mit ihrem Blog, der sich, wie kann es anders sein, mit dem reichhaltigen Topf der persischen bzw. orientalischen Küche beschäftigt. Diesem morgenländischen Tischlein-deck-dich entstammen viele einfache, aber köstliche Gerichte, die – und das behauptet die Autorin – sich ohne Aufwand kochen lassen. Mit Einschränkungen ja, würde ich behaupten. Wer Lahmacun, das sind kleine Fladen mit Lammhack, also persische Minipizzen, oder das persische Fladenbrot Naan Barbari zubereitet, muss für die Teigherstellung einige Zeit investieren. Der Genuss, nun, der lässt den zeitlichen Aufwand schnell wieder vergessen.

Ghayours Einstellung zum Kochen ist wahrscheinlich auch ein Schlüssel ihres Erfolges: Einfache Speisen ohne komplizierte Zutaten und, in der Zubereitung muss man sich nicht sklavisch ans Rezept halten. Wer Kreuzkümmel mag, kann ihn dazugeben, wer ihn nicht mag, soll ihn weglassen. Auch sind die meisten Zutaten im normalen Lebensmittelgeschäft erhältlich, vielleicht mit Ausnahme bestimmter Gewürze wie Sumach oder Harissa. Nicht verkehrt ist, sich gewisse Zutaten auf Vorrat einzulagern. Denn kaum schlägt man dieses Kochbuch auf, entführen uns die Rezeptvorschläge und -abbildungen an Scheherazades Küchentisch. Kräftige Farben dominieren in der persischen Küche: Beeindruckend das Rot der Tomaten, das Orange des Kardamom, der safrangelbe Reis ebenso wie die lilaschillernden Auberginen. Und sie verführen zum Nachkochen. Die Auberginen à la Chermoula deuten bereits im Titel den Bezug zum Maghreb an. Chermoula, eine in Marokko und Tunesien beliebte Sauce, verfeinert das im Iran wohl beliebteste Gemüse, die Aubergine, zu einer unwiderstehlichen Vorspeise. Unwiderstehlich im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich konnte mich kaum sattessen. Auch der marinierte Feta im großen Bräter war ein Hingucker, allerdings von kurzer Dauer. Mit Naan Barbari, dem persischen Fladenbrot gereicht, war dieses Mezze-Gericht ein Hit unter meinen Gästen. Den Mezze & kleinen Gerichten ist auch das erste umfangreiche Kapitel gewidmet. Es sind Speisen, die zudem vielseitig einsetzbar sind, ob als Vorspeise, Picknick-Happen oder Wegzehrung. Die schnell zuzubereitenden Teigzigarren mit Fetafüllung überraschten nicht nur wegen ihrer Einfachheit, sondern auch mit dem Zitronenhauch, der von der Minze stammt. Die Fleisch- Kartoffel-Küchlein, auf Farsi einfach Kotlet, ähneln im Aussehen unseren faschierten Laibchen, entpuppen sich beim Hineinbeißen jedoch als etwas völlig anderes. Sie dürfen auf keiner persischen Festtafel fehlen, und für mich waren sie der ideale Proviant für eine spätsommerliche Bergtour.

In den weiteren fünf Kapiteln geht es um Brot, Reis, Getreide, dann Suppen sowie Schmorgerichte und natürlich Gebratenem, Gebackenem und Gegrilltem. Ausgiebig befasst sich Ghayour mit Gemüse und Salaten, um im Finale die Reichhaltigkeit an Desserts und Süßem der orientalischen Küche zu demonstrieren. Der Gewürzmöhrenkuchen mit Pistazien & Rosenwassersahne ist ein Beweis. Idiotensicher, wie Ghayour im Vorspann schreibt, und ich bestätigen kann. Es ist ein Kuchen, der ohne Mehl auskommt und wegen der Karotten keine trockene Angelegenheit ist. Auch die zwei angehäuften Teelöffel Zimt bleiben dezent im Hintergrund. Die Rosenwassersahne habe ich weggelassen, da es mich zu sehr an die Unart meiner heimischen Ausflugsküche erinnert, die Apfelstrudel, Kaffee und anderes immer mit Sahne serviert. Der Kuchen war auch so ein gelungener Nachtisch. Von den Salaten haben mich der sehr sinnliche Feigen-Bohnen-Salat mit Dattelsirup & Röstmandeln sowie der Blutorangen-Radicchio-Salat begeistert. Nicht nur wegen des Farbenspiels. Die Vinaigrette des Blutorangen-Radicchio-Salat war eine Wucht; sie zügelte auch die aufbegehrenden Bitterstoffe des Radicchio. Lamm und Huhn, Linsen und Melonen, Walnüsse und Granatapfelkerne, Safran und Kreuzkümmel sowie Rosenwasser und Reis in vielerlei Varianten sind die starken Vertreter der persischen Küche. Sie hervorzuheben ist vielleicht eher der zaghafte Versuch anzudeuten, was noch alles drin steckt in dieser Küche des Mittleren Orients. Hin- und hergerissen zwischen Lamm und Kürbis, entschied ich mich für Letzteres und serviere Ihnen am Schluss einen Butternuss-Kürbis mit Pistazienpesto, Feta & Granatapfelkernen. Darin steckt viel Persien, zudem ist jetzt Kürbiszeit. Last but not least beweist dieses moderne Gericht, dass Kürbis nicht langweilig sein muss. Wie man es macht erfahren Sie aus dem Rezept.

Mit wunderbaren Rezepten, vielfältig an Zutaten, Geschmack und Aromen, bezaubert dieses Kochbuch. Die vorgestellten Gerichte lassen Entdeckungsfreudige auf ihre Kosten kommen und hinterlassen dennoch geheimnisvolle Spuren beim Verkosten. Raumgreifend und auflockernd wirken die ganzseitigen Foodfotos wie auch die gelegentlich eingeschobenen Illustrationen; mit ihnen öffnen sich optisch die Pforten des lukullischen Paradieses. Verstärkt wird dieser Eindruck auch durch die Umschlaggestaltung: Es scheint so, als ob man eine ausgestreute orientalische Gewürzmischung, auf blauem Untergrund mit Strukturlack verarbeitet, real ertastet. Und man kann sie förmlich riechen: Safran, Zimt, Harissa …

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