Samin Nosrat, SALZ FETT SÄURE HITZE

Die vier Elemente guten Kochens

Mit Illustrationen von Wendy McNaughton
Aus dem Englischen von Sofia Blind
Verlag Antje Kunstmann, München, 2018, 492 Seiten, mit zwei Lesebändchen, 37.10 Euro
ISBN 978-3-95614-262-8
Vorgekostet

Heute reisen wir zu den 4 ELEMENTEN.

Aber nicht Erde, Wasser, Feuer und Luft ist unser Reiseziel, wie Sie vielleicht denken, nein, wir reisen an jenen Ort, wo Salz, Fett, Säure und Hitze die zentrale Rolle spielen.

Ins Atelier oder Labor oder einfach Küche, egal wie Sie ihr heiligstes Refugium der Essenszubereitung nennen. Dort treffen wir Samin Nosrat zwar nicht persönlich, aber ihren Koch-Geist in Form eines 490-seitigen Kompendiums. Darin geht es um nichts anderes als um Salz, Fett, Säure und Hitze, also jene vier Grundfaktoren, die bestimmen, wie gutes Essen schmeckt.

SALZ FETT SÄURE HITZE ist auch der Titel von Nosrats erstem Kochbuch, das im Verlag Antje Kunstmann nun auf deutsch erschienen ist.

Die heute knapp 50-jährige Samin studierte zunächst englische Literatur, ehe sie zum Kochen kam. Erst verliebte sie sich in Johnny und dann ins Restaurant »Chez Pa- nisse«. Bei Alice Waters lernte sie kochen, das Schreiben bei Michael Pollan. Heute lehrt sie an der Universität Berkeley und ist Food-Kolumnistin beim New York Times Magazine. Das sind überspitzt formuliert die individuellen Ingredienzen, die die Rahmenbedingungen ausmachen, um ein Schlüsselwerk zu schreiben. Und das ist Salz Fett Säure Hitze zweifellos. Nasrim wagt hier den Versuch, auf einfache Weise die vier wichtigsten Prinzipien guten Kochens zu erklären.

Ehe es aber ums Eingemachte geht, ist noch das Vorwort von Michael Pollan zu erwähnen, der Samin zitiert, was gut als Motto dieses Buches gelten könnte: Es sind nicht Rezepte, die das Essen gut schmecken lassen. Es sind Menschen.

Inhaltlich in zwei Teile gegliedert – der Beschreibung der vier Elemente folgen Rezepte inklusive Ratschlägen – kommt das Werk ohne Fotos aus. Also keine gestylten Foodfotos. Dafür gibt es jede Menge gezeichnete Illustrationen und Beschreibungen von Wendy McNaughton, die sowohl selbsterklärend für sich stehen, d.h. Inhalte vertiefen, als auch die Textlastigkeit schön auflockern.

Im ersten Teil geht es also zunächst um die Theorie. Da werden Salz, Fett und Säure mit je 40 Seiten bedacht, während der Hitze mit 70 Seiten fast doppelt soviel Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen und es ist eigentlich egal, mit welchem man anfängt. Ich ziehe es vor, alles der Reihe nach durchzuarbeiten, und beginne mit dem Salz, das den Geschmack verstärkt. Eingangs steht natürlich die Frage: Was ist Salz? Zunächst ein Mineral, nämlich Natriumchlorid, ohne das wir nicht leben können. Dann aber ist es für die Autorin auch ein Stoff mit einem Geheimnis, der richtig dosiert und eingesetzt beim Essen oder Kosten Pling! macht. Diesem Pling! auf die Sprünge zu helfen, für alle erfahrbar zu machen, ist das Hauptziel der Autorin. Wie das Meer im Sommer soll es schmecken, wenn man davon probiert. Aber nicht jedes Salz schmeckt gleich. Fleur de Sel schmeckt anders als Tafelsalz oder koscheres Salz oder Meersalz, das zeigt sich bereits in der kristallinen Struktur. Koscheres Salz ist eher pyramidenförmig, plättchenförmig hingen das Fleur de Sel, kleine Kuben das Tafelsalz usw. Nosrat empfiehlt, dass man auf alle Fälle zwei Sorten im Haus haben, Meersalz und koscheres Salz, und dass man sich mit den Salzen vertraut machen sollte. Trial and error ist gefragt. Wie wirkt sich Salz auf das Aroma aus? Hier ein Versuch, für alle Mutigen leicht nachzumachen: Einem Löffel voll Campari, wegen seiner sowohl bitteren als auch süßlichen Note dafür gut geeignet, wird eine Prise Salz zugegeben. Die Veränderung, wie stark die Bitterkeit abnimmt, überrascht. Dem Versuch folgt die Erklärung, dass Würzen den Geschmack verstärkt, Salz aber verstärkt und verändert. Deshalb zählt Salz nicht wirklich zu den Gewürzen. In einem indischen Gewürzladen in Kalkutta stand: Würzen nicht salzen! Hier zaubert und zaudert die Autorin ein wenig, um fälschlicherweise beim Würzen zu bleiben, wenn es darum geht, mit Salz auf den Geschmack des Essens einzuwirken. Und sie vergleicht verschiedene Esskulturen in ihrer Salzverwendung. In Japan bleibt gekochter Reis ungesalzen als Kontrast zu den anderen Gerichten. Die Toskaner geben kein Salz in ihr Brot. Auch bei mir wird von Haus aus weniger gesalzen und bei jedem Teller steht ein kleines Salzfass. Spannend wird es dann, wenn es um die Frage der Wirkung von Salz geht. Da dekliniert die Autorin Auswirkungen von Salz auf Fisch, Fleisch, Fett, Eier, Gemüse, Obst, Pilze, Getreidefrüchte, Teig u.a. durch und erklärt ausführlich, warum und wie Salz mit diesen Lebensmitteln reagiert. Auch hier gibt es ein schönes Experiment mit Geflügel, wo sehr plastisch vor Augen geführt wird, welche Konsequenzen Salz und der Faktor Zeit haben. Nach diesen Seiten wird begreifbar, dass Überlegungen wichtig sind, wie und wann zu salzen ist. Orientierungshilfen bieten dabei ein Salz-Kalender und eine Richtwerttabelle, die die Salzmenge von sechs Salzsorten in Prozent und Gramm für ausgewählte Zutaten vorgibt. Interessant finde ich ihre Ausführungen über das Verhältnis von Salz und Pfeffer bzw. Zucker. Für Letzteres bietet Nosrat wieder einen kleinen Versuch an, der sich gerade jetzt, wenn die ersten Weihnachtskekse gebacken werden, auf das Backverhalten auswirken könnte. „Um zu erleben, wie gut Salz Süßem tut, teilen Sie ihren nächsten Plätzchenteig (Keksteig) in zwei Hälften und lassen Sie bei der einen das Salz weg. Vergleichen Sie beim Probieren die Plätzchen (Kekse) direkt. Das Salz hat seine duft- und geschmacksintensive Arbeit geleistet, und daher werden Sie staunend Nuss-, Karamell- und Butteraromen in Ihrem gesalzenen Plätzchen entdecken.“

Weitere Themen in diesem Kapitel sind Fragen des Schichtens, Ausbalancierens, Verdünnens und Improvisierens, bspw. wenn etwas versalzen wurde. Und last but not least, dass man sich in besonderen Härtefällen geschlagen geben muss.

Wer ein Gefühl für Salz entwickeln will, muss es wie die Profis machen: kochen, abschmecken, optimieren und immer wieder nachjustieren. Wenn Sie das beherzigen, dann gelingt Ihnen auch eines der ältesten Gerichte Roms, Pasta Cacio e Pepe perfekt. Dieses traditionelle Gericht mit salzigem Schafskäse ist eine Herausforderung, denn allzu leicht verklumpt die Sauce. Hier erfahren Sie das Rezept, an dem Sie sich beweisen können, dass Sie das Salzen der Speisen beherrschen.

Die anderen Kapitel sind ähnlich aufgebaut wie das erste zum Thema Salz. Die vier Elemente unterscheiden sich nur in ihrer Funktion. Das Fett trägt die Aromen, die Säure balanciert sie aus und die Hitze bestimmt gar die Konsistenz eines Gerichts. Wie die vier Musketiere: Alle für einen, einer für alle, garantiert ihr Zusammenspiel ein perfektes Essen.

Im Fett- und Säure-Kapitel zeigen zwei zusätzliche Kreistabellen sehr schön, welche Fette und Säuerungsmittel in der Welt eingesetzt werden. Im Hitzekapitel informiert eine Aroma-Kreista- belle darüber, welche Würzzutaten in Korea, Mittelamerika, Nordafrika usw. verwendet werden. Ein sehr nützliches Rad für alle, die die Küchen der Welt schätzen.

Ehe Nosrat dann zu den Rezepten kommt, gibt sie uns noch ein paar Basics der Küche mit auf den Weg. Da geht es um Fragen der Qualität, ums Schneiden, Hacken, Pressen, alles sehr nützliche Dinge, wenn man vom Kochen noch wenig Ahnung hat. Die Rezepte – es sind über 100 – sind eingeteilt in Salate, Dressings, Gemüse, Brühen und Suppen, Bohnen, Getreide und Pasta, Eier, Fisch, 13 Arten, ein Huhn zu betrachten, Fleisch, Saucen, Gebäck aus Butter und Mehl und zuletzt Süßes. Das Hühnerkapitel ist ein Ausreißer. Hier hätte noch gut das Zitronenhuhn von Marcella Hazan dazugepasst.

Auch im Rezeptteil finden sich nützliche Tabellen, erklärende Bildstrecken. Etwa, wie und wann wird welches Gemüse bzw. Obst über das Jahr verwendet oder wie zerlegt man ein ganzes (verflixtes) Huhn. In einem Tortendiagramm werden die Anteile der Zutaten in einem Pesto schlüssig aufgezeigt.

Fast nebenbei lässt die Autorin ihre Erfahrungen und ihr großes Wissen einfließen. In leichtem Plauderton, unkompliziert und gut verständlich quasi auf Augenhöhe mit uns Rezipienten, vermittelt Samin Nosrat Theorie und Praxis des guten Kochens. Ein über 20-seitiges Rezept- und Sachregister sowie das ausführliche Literaturverzeichnis lassen erahnen, wie sehr die Autorin sich mit den vier zentralen Grundlagen des guten Kochens auseinandersetzt. Ein großes Kompliment der Übersetzerin Sofia Blind, die den angelsächsischen Stil bestens rüberbringt!

Allerdings, wer dieses Buch in die Hand nimmt, muss bereit sein nicht nur Rezepte zu lesen. Wer sich darauf einlässt, wird es nicht bereuen. Selbst erfahrene Köchinnen und Köche können aus diesem Werk noch Kapital für ihre Küchenabenteuer schlagen. Für mich war die Lektüre von SALZ FETT SÄURE HITZE spannend wie ein farbenfroher Krimi.

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