Shane McMahon, Jahreszeitenküche

Mit 60 saisonalen Rezepten durchs Jahr

Südwest Verlag, München, 2018, 192 Seiten, 30.90 Euro
ISBN 978-3-517-09408-3
Vorgekostet

Heute reisen wir nach MÜNCHEN.

Dort lebt der im irischen Limerick geborene Shane McMahon und betreibt Shane’s Restaurant. Zwar aufgewachsen in Irland, ist seine Mutter Österreicherin. Zudem übertrug sich die Leidenschaft für gutes Essen – beide Elternteile kochen professionell – auf den Filius. Dieser begann, so steht es in seiner Vita, mit 12 Jahren zu kochen; kann also mittlerweile auf 35 Jahre Erfahrung in punkto Essenszubereitung zurückblicken. Er bevorzuge eine europäisch-asiatische Fusionsküche, heißt es da weiter, und, er koche hemmungslos bodenständig, saisonal und mit absoluter Leidenschaft. Damit hätten wir ein Kochprofil, das gefällt. Auffällig sind allerdings die zahlreichen Superlative, die diese Kurzbiographie markieren, die Signale setzen, ohne dass ich/wir sie richtig bewusst wahrnehmen.

Aber beginnen wir von vorne, beim Cover des Kochbuchs. Das Titelblatt zeigt vier Speisen, entsprechend den Jahreszeiten: Für den Frühling eine Bärlauchcremesuppe mit Quinoa-Nockerln, die Bergamotte-Luftschokolade mit Lymoncellocreme und Physalis ein erfrischendes Sommerdessert, ein Medaillon vom Hirschkalbrücken mit Granatapfel wildem Brokkoli und Rote-Bete-Perilla-Sushireis für den Herbst, sowie ein Rote-Bete-Risotto garniert mit Radicchioblättern, deren weiße Stengelachsen – Eis- und Schnee versinnbildlichend – sich vom satten Reisrot abheben. Vier Rezepte, die bereits Regionalität mit wenigen Ausnahmen andeuten. Das Inhaltsverzeichnis spiegelt einen klaren dreiteiligen Aufbau: eine mehrseitige Einführung, der Hauptblock mit 60 Rezepten und ein ausführlicher Anhang, der küchentechnische Grundinformationen bereithält, von Produktbeschreibungen bis zu Grundrezepten. Der Rezeptblock ist nochmals in die vier Jahreszeiten gegliedert und stellt anfangs auf zwei Seiten kurz saisonal aktuelles Obst und Gemüse vor. Es sind sehr persönliche, im Plauderton verfasste Notizen. Da erfährt man bspw., dass Shane sich jedes Jahr im Frühling auf den Rhabarber freut, schälen oder nicht eine philosophische Frage ist, das Gemüse sich hervorragend für Vor- und Nachspeisen eignet und es zu garen eine Kunst ist. Diese glossenartigen Produktbeschreibungen enthalten sehr nützliche Informationen, die sich bereits beim Einkaufen auswirken, etwa wenn es um die Frage geht: Woran erkennt man eine frische und reife Feige? Nämlich daran, dass sie an ihrem Boden leicht schwitzt, somit Feuchtigkeit anzeigt. Auch eingestreut sind doppelseitige Beschreibungen von McMahons Zulieferern, die, wenn auch das Besondere und persönliche Verhältnis des Autors zum Gutshof oder der Großmarkthalle herausgestellt wird, für mich hart an der Grenze zu Werbung schrammen. Dazu kommen auch die vielen großformatigen Bilder, mit Shane vor einer Schafherde, mit Muskatkürbis im Arm usw., offensichtlich ein Kochbuchkonzept, das mit Köchinnen und Köchen kokettierend, diese hofiert. Ich benötige kein ganzseitiges Bild, das den Autor mit dem Fischer Birnbaum von hinten zeigt, offensichtlich auf dem Weg zu einem Fischbecken. Auch nicht gut angekommen ist bei mir, dass in McMahon einseitigem Vorwort viermal ‚ehrlich‘ auftaucht, ein Adjektiv, das im politisch-ideologischen Kontext gerne missbraucht wird. Bei Shane geht es um Tomaten, die ehrlich danach schmecken, ehrliche Überraschungsmenüs, ehrlichen Kochstil und, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, um „eine saisonale, hemmungslos ehrliche, Aromen-Baukasten-Küche nach dem Motto: Weniger ist mehr.“ Hier will jemand viel und hier hat eindeutig das Lektorat versagt. Auch weil seine Rezepte überwiegend sehr umfangreich von gängigen bis ausgefallenen Zutaten sind. Da werden eine Reihe von asiatischen und orientalischen Gewürzen sowie exotische Zutaten verwendet wie Albaöl, Affilakresse, Macawurzel usw. Viele dieser Ingredienzien bewahrt man nicht einfach so in der Vorratskammer auf. Hier heißt es, bevor es ans Kochen geht, das Rezept genau studieren und dann wahrscheinlich erst einmal einkaufen. Das kommt wiederum McMahons Anspruch von Frische sehr gelegen.

Die Rezepte sind in Vorspeisen, Hauptspeisen und Desserts kategorisiert sowie den Schwierigkeitsgraden leicht, mittel und anspruchsvoll. Generell sind die Rezepte McMahons interessante Schöpfungen, die Anlehnungen der asiatischen, irischen, mediterranen und österreichischen Küche enthalten. Wahrscheinlich noch mehr. Seinem Vorschlag, sie als Inspiration zu sehen, kommt man kaum aus und variiert und verändert nach Herzenslust.

Nachgekocht habe ich die Bärlauchcremesuppe mit Quinoa-Nockerln, wobei mich hier vor allem die Nockerln interessierten. Angerichtet in einer cremigen Erbsensuppe kamen die leicht körnigen, klassisch gewürzten Nockerln bei meinen Testessern gut an.

Das Kohlrabi-Carpacchio mit Granny-Smith-Äpfel und Sellerie war eine feine Verführung , die ich an einem heißen Tag in größerer Menge mit Brot als Hauptspeise kredenzte. Bei diesem Gericht zeigt sich bereits – noch zurückhaltend – McMahons spielerischer Hang, mit Aromanoten zu experimenten, denn da sollte seiner Meinung nach Sushi-Essig, Tabascosauce, helle Sojasauce, Waldmeistersirup und Zitronenöl rein. Es schmeckt fantastisch und halten Sie ein Baguette zum Auftunken der Soße bereit.

Der Brennessel-Risottto mit 50-Minuten-Ei war dann eine wirkliche Überraschung. Das langsam gegarte Ei zusammen mit den pelzig-nussigen Brennesseln bilden eine ideale Kombination. Zudem eröffnete dieser Risotto bei mir eine Versuchsreihe, in welchem ich die Brennnesseln durch Spinat, Ruccola und anderes Gemüse ersetzte. Und immer wieder war ich von Neuem entzückt von diesem Gericht und werde es wohl noch weiter ausreizen, mit Rhabarber ua. vielleicht.

Natürlich regten auch die Rhabarbertarteletts mit Buttermilcheis zum Nachahmen an. Das Buttermilcheis war eine neue Erfahrung und inspirierte mich zum Butter-Milch-Reis. Das Dessert war trotz Reduktion des Zucker immer noch sehr süß, aber hinsichtlich der Präsention eine kleine Augenweide.

Zwei vegetarische Hauptspeisen, die leicht zuzubereiten sind, bekamen von meinen verwöhnten, familiären Testessern ebenfalls gute Noten. Der Blumenkohl im Ganzen gebraten mit Goma-Dressing überzeugte mit der asiatisch angehauchten Vinaigrette. Der Wirsingrisotto mit schwarzem Trüffel, allerdings ohne Trüffel dafür mit Parmesan war einfach gut, ohne Wenn und Aber.

Etwas anspruchsvoller in der Zubereitung, aber ausgezeichnet gemundet, ist die Dorade vom Grill auf Orangen-Estragon-Risotto, ein feines Sommeressen – das Rezept ist eingestellt.

Shane McMahons Jahreszeitenküche ist kein Lehrbuch, wie im Vorwort angeführt. Curnonsky, der Restaurantkritiker behauptete, dass beim Kochen, wie in jeder Kunst, die Einfachheit ein Zeichen der Perfektion ist. Von der Einfachheit ist McMahon weit weg, was nicht heißt, dass er nicht perfekt ist. Die vorgestellten Gerichte sind inspirierend, für all jene, die sich darauf einlassen können und nicht sofort verzweifeln, wenn bestimmte Zutaten nicht vorrätig sind. Ich habe seine Rezepte auch als Herausforderung verstanden, mit anregend neuen kulinarischen Ideen und Erlebnissen.

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