Shu Han Lee, Chicken & Rice

Frische und einfache Gerichte aus Südostasien

Aus dem Englischen von Sofia Blind
DuMont Verlag, München, 2017, 288 Seiten, 32.90 Euro
ISBN 978-3-8321-9918-0
Vorgekostet

Heute reisen wir nach SÜDOSTASIEN.

Nach Singapur, einer kleinen Insel vor Malaysia, die fast zur Gänze vom Stadtstaat Singapur vereinnahmt wird. Wahrscheinlich ist sie auch die sauberste Stadt der Welt, mit viel Grün, kilometerlangen Shoppingstraßen und Einkaufszentren. Der größte Hafen der Welt beschert dem Ministaat eine florierende Wirtschaft und der Bevölkerung einen relativ hohen Lebensstandard im Vergleich zu anderen südostasiatischen Ländern. Staatlich festgelegter Sozialwohnbau fördert das friedliche Nebeneinander der ethnischen Gruppen, die in Singapur zu Hause sind. Vor allem drei Nationalitäten prägen das multikulturelle und multireligiöse Stadtbild, was sinnlich wahrnehmbar wird in den Düften, die diese Stadt durchströmen. Die lokale Küche wurde erweitert durch Spezialitäten der Malaysier, Inder und Chinesen. Indische Gewürze geben bspw. den Currys nach malaysischen Stil eine besondere Note, wie auch die chinesischen Zutaten – etwa die Reisnudeln (Reisvermicelli) oder die gesalzene Sojabohnenwürze – in malaysischen Gerichten vielfach zu finden sind. Von dieser vielfältigen und abwechslungsreichen Küche von Kindheit an begeistert ist Shu Han Lee. Und wie es vielfach der Fall ist, wurden Shu und ihre Schwester von einer kochbegeisterten Mutter zwar verwöhnt, aber nicht in die Kochkunst eingeweiht. Das führte natürlich in weiterer Folge zu einer kulinarischen Katastrophe, als die 18-Jährige nach London umgezogene Shu ihre erste Mahlzeit selbst zubereiten musste. Der halb rohe, matschige Reis mit angebranntem Spinat vertrieb die Mitbewohnerin in Sekundenschnelle aus der Küche. Es war wohl dieser Misserfolg und die Verzweiflung und die Sehnsucht nach Mamas Küchenkost, die sie dazu brachte, in ihrer englischen Küche zu experimentieren und nach Rezepten zu suchen. Heute ist die freischaffende Foodstylistin und Köchin Shu Han Lee eine der besten Food-Bloggerinnen Großbritanniens und Chicken & Rice ihr erstes Buch, das bei DuMont erschienen ist.

Gutes Essen beginnt mit guten Zutaten, ist ein Leitmotiv. Das heißt zwangsläufig auch, dass die Gerichte entsprechend der Jahreszeit auf heimische Zutaten abgestimmt sind. Das heißt aber nicht, dass dieses Kochbuch ausschließlich mit europäischen, saisonalen Produkten auskommen wird. Nein, manche Zutaten sind nur im Asiashop oder in der Asiaabteilung bzw. übers Internet erhältlich. Die meisten sind aber in normalen Geschäften bzw. auf Märkten erhältlich, und die Autorin lässt auch individuelle Abweichungen zu, bspw. kann der Wasserspinat durch Mangold ersetzt werden. Ein sympathischer Zug wie auch ihre Aufforderung, zu improvisieren und das Daumenmaß – in Asien als Agak Agak bezeichnet – einzusetzen. Kurzweilig erzählt Shu im einleitenden Kapitel von den Auswirkungen übergreifender Länderküchen, wie es in Südostasien häufig der Falle ist, von Tanten die chaotisch bekritzelte Rezeptzettel für dieses Kochbuch beisteuerten und dass jeder und jede kochen kann – südostasiatisch natürlich. Wie sich diese Kochkulturen voneinander unterscheiden, zeigt Han Lee graphisch, auf einer stark vereinfachten Landkarte der südostasiatischen Küche, die geographisch einem Dreieck ähnelt, das von Indien bis nach Papua Neuguinea und den Philippinen im äußersten Osten reicht. In den Rezepten ist meist angemerkt, aus welchem Land sie stammen, wie auch, für wie viele Personen die Mengen gelten. Nur Koch-Zeiten fehlen, das wäre manchmal hilfreich.

Klug teilt die Autorin die Kapitel zunächst nach den wichtigsten Zutaten Südostasiens ein. Das sind Reis und Nudeln. Dem folgen Suppen, dann Fisch & Meeresfrüchte, weiters Fleisch und das Gottesgeschenk für schnelle Frühstücke, Eier & Tofu. Dem folgt ein Kapitel mit Gemüse, dann eines der Snacks und zum Schluss gibt es Süßes. Anschließend kommen nützliche Menüvorschläge für ein kleines Abendessen zu zweit, einen Wochenend-Brunch, eine Dinnerparty etc. Fast am Ende lässt sie uns einen tiefen Blick in ihren Vorratsschrank werfen. Auf zehn Seiten beschreibt sie recht ausführlich die wesentlichen Zutaten der Asienküche, beginnend mit Thai-Basilikum beginnt und endend mit Mais-, Tapioka- und Kartoffelstärke. Den Abschluss bildet ein ausführliches Rezeptregister, das nichts offen lässt.

Die Rezepte sind einfach aufgebaut, mit einem Vorspann versehen, in welchem die Autorin anekdotenhaft Allgemeines aber auch Privates einfließen lässt. Das wirkt entspannend. Die Ausführung der Gerichte ist klar in Arbeitsschritten strukturiert, ergänzt durch Tipps und Variationen.

Einige von den Rezepten habe ich ausprobiert. Der Reis im Tontopf mit Wildpilzen war ein guter Einstieg in die südostasiatische Küche. Wer die Austernsauce weglässt, erhält bereits ein veganes Gericht.

Für die gebratenen Hor Fun, das sind Reisbandnudeln, konnte ich den ersten Grünkohl aus eigenem Anbau verwenden. Das schmeckte dann noch besser.

Nicht vorbei kam ich an den selbst gemachten Fischbällchen. Schon deshalb, weil sie mich an die in Chinatown in New York erinnerten, wo ich sie zum ersten Mal gegessen habe. Und im Geschmack standen meine in nichts nach. Die Chinesen haben eine einmalige und effektive Methode, schöne runde Kugeln aus dieser feuchten, glatten Masse zu formen: Die Mischung wird in kleinen Portionen durch eine vom Daumen und dem gekrümmten Zeigefinger der linken Hand gebildete runde Öffnung gedrückt und mit dem Porzellanlöffel abgestochen. Das gelang mir nicht mal in Zeitlupe, deshalb machte ich es wie mit den Speckknödeln, die Portionen rollend zwischen den angefeuchteten Handflächen. Das funktionierte bestens. Viel schneller, als es entstanden ist, verschwand dieses kulinarische Vergnügen in unseren Mägen. Heute zehren wir noch vom geistigen Nachgeschmack.

Aus dem Eier-Kapitel hab ich mir die Schwiegersohn-Eier herausgepickt. Shu Han vermutet, dass die thailändischen Mütter ihren zukünftigen Schwiegersöhnen diese Eier als stille Drohung vorsetzen. Nach dem Motto: Wenn du nicht nett bist zu meiner Tochter, … Nur, ich kann mir das nicht vorstellen, denn das Aroma dieses Gerichts ist so einmalig, dass man gar nie auf schlechte Gedanken kommen kann. Es wirkte eher aphrodisierend, so mein Eindruck.

Wer Schweinebauch mag, und da vor allem die resche Kruste, wird mit Babi Assam enttäuscht werden. Denn dieser Tamarinden-Schweinebauch wird ganz langsam gegart und bekommt so feinstes Fleisch. Darüberhinaus beeinflusst die Tamarinde den Geschmack hin zu Süß-Säuerlichem und das hat seinen Reiz. Krusten-Puristen müssen hier über den eigenen Schatten springen, um das Terrain Schweinebauch auszuloten. Allein für diese Erfahrung bin ich Shu Han Lee dankbar.

Wer die thailändische Küche kennt, weiß um den Dessert-Klassiker Mango mit Klebreis. Aber Shu Han Lee hat weiter gedacht und die Mango durch Pfirsich ersetzt. So simpel, so wunderbar. Die Pfirsiche auf Klebreis schmeckten ausgezeichnet und sie werden wohl noch öfter zum Nachtisch gereicht.

Ein Nachtisch der besonderen Art ist das Rhabarbereis ohne Rühren das ich Ihnen am Ende vorstelle.

Ebenfalls dankbar war ich für die Anleitung zur selbstgemachten süßen Kondensmilch. Das klingt unsinnig, denken Sie, die kann man kaufen. Stimmt nicht. Wissen Sie, wie schwer es ist, gesüßte Kondensmilch zu bekommen? Und die selbstgemachte ohne Zusatzstoffe schmeckt wunderbar, leicht karamellig und ist auch vielseitig einsetzbar. Zudem hält sie sich problemlos bis zu zwei Wochen im Kühlschrank. Überhaupt finden sich in Lees Chicken Rice einige Grundlagenrezepte wie das für selbst ausgelassenes Schweineschmalz. Es ist keine Hexerei und es macht allen viel mehr Freude, mit selbst gemachtem Schmalz zu braten und zu backen. In ihrem Vorratsschrankkapitel gibt die Autorin einige einfache Anweisungen, um Knoblauch-, Ingwer- und Schalottenöl oder eine Garnelen-Chili-Paste oder diverse Dips und Soßen und einiges mehr herzustellen.

Sobald man Chicken & Rice aufschlägt und sich darin vertieft, vergisst man die Umgebung. Schön designt mit vielen lustigen Illustrationen der Autorin und wunderbaren Bildern von den Gerichten, ist dieses Südostasien Kochbuch eine wahre Fundgrube, die auch für Kenner der asiatischen Küche noch manche Überraschung parat hält. Dabei legt die Autorin mit ihrer Sammlung von südostasiatischen Rezepten den Fokus auf lokale, saisonale Zutaten – und die verführen geradezu zum Kochen.

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