Heute reisen wir nach SERBIEN.
Denk ich an Serbien, dann fällt mir zunächst nicht unbedingt Positives ein. Da wäre Slobodan Milosevic der erste Präsident Serbiens, der in Den Haag als Kriegsverbrecher angeklagt wurde. Dann Peter Handke, der mit seiner fragwürdigen pro-serbischen Haltung einem Nationalismus huldigte und muslimische Opfer des Bosnien-Krieges verhöhnte. Aber da gibt es auch Nadj Abonji, eine junge Schweizer Schriftstellerin, die noch in der Vojvodina geboren wurde und die ersten Jahre bei der Oma im pannonischen Dorf aufwuchs. Später, in den Sommerferien, wenn ihre Familie die Mamika besuchen, „wenn die (Wohn)Ebene um ein Stockwerk gewachsen ist, Sonnenblumen-, Mais- und Weizenfelder, wo du nur hinblickst“, lässt sie ihren Vater feststellen, „immer noch alles gleich“. Die pannonische Zeit scheint still zu stehen, Gänse watscheln auf den Dorfstraßen und Mamika kocht auf wie ehedem.
Auch Tatjana Petkovski kocht auf, dass sich die Tische biegen. In ihrem im Leopold Stocker Verlag erschienenen Kochbuch Die Serbische Küche stellt sie uns 60 traditionelle Rezepte vor. „Serben mögen das Feiern“, schreibt sie einleitend „und dazu gehört, viele leckere Mahlzeiten zuzubereiten und sie mit Rakija oder Wein in geselliger Runde zu genießen.“ In den serbischen Kochtöpfen köcheln vor allem fleischige Gerichte. Und an lauen Abenden oder am Wochenende qualmen die Grille und Duftnoten von Cevapcici, Racnjici und anderem Grilliertem durchwehen die Dörfer. Nicht fehlen in der serbischen Küche darf Ajvar, eine musartige Würze aus Paprika und Auberginen. Die Rezepte von Ajvar variieren von Dorf zu Dorf, unterscheiden sich sogar von Familie zu Familie. Ajvar schafft so etwas wie ein Wir-Gefühl, ist fixer Bestandteil der serbischen Identität. Zugegeben, das ist etwas übertrieben, aber in der Mitte der 1990er Jahre brach fast ein Ajvar-Krieg unter den Balkanländern aus, weil einige Nationen die Urheberschaft beanspruchten. Tatjana Petkovskis Ajvar ist einfach: Paprika und Auberginen werden mit scharfen Paprika, Öl, Salz, Essig und Knoblauch gewürzt und lager- bzw. wintertauglich gemacht. Die rumänische Variante bspw. ist erweitert mit Bohnen, Sellerie oder Pilzen – damit wird augenscheinlich, die Ajvar-Zubereitungsarten sind grenzenlos wie die menschliche Phantasie. Und Ajvar ist vielseitig. Die Autorin serviert es sowohl zum Frühstück auf heißem, selbstgemachtem Brot als auch als Beilage für eine Hauptspeise.
Die serbische Küche ist ein Potpourri verschiedenster Kochstile: im Norden beeinflusst von der österreichisch-ungarischen Küche, im Süd-Osten griechisch-mediterran und im Westen kroatisch-italienisch. Sarma od Blitve, das sind Mangoldrouladen, ist ein klassisches serbisches Gericht, das den griechischen Einfluss nicht verleugnen kann. Statt Mangold- kann man auch Weinblätter verwenden oder Kohl. Die Rouladen sind relativ rasch zuzubereiten: Nach einer knappen halben Stunde sind sie im Kochtopf verstaut und dürfen eine Stunde lang schmoren. Ausprobiert habe ich auch das serbische Bohnenpüree Papula. Den Tipp der Autorin beherzigt: Am Ende noch einmal kurz in einer Pfanne angebraten, war das Bohnenpüree mit Schnittlauch bestreut ein genussvoller kleiner Zwischengang. Als sehr gehaltvoll und eher kleine Hauptspeise denn Vorspeise erwies sich die Gibanica, ein Frischkäsekuchen mit Jukateig zubereitet. Alternativ kann auch ein Filoteig verwendet werden, dann wird das Gericht noch etwas feinblättriger.
Hier nun die fünf Hauptkapitel, klassisch eingeteilt nach: Vorspeisen und Beilagen, Suppen Eintöpfe und Salate, Hauptspeisen und Nachspeisen. Im letzten Kapitel widmet sich die Autorin dem Haltbarmachen von Speisen. Da geht es um eingelegte Paprika, Essiggurken, Sauerkraut und Ajvar natürlich, also alles, was bei uns landläufig gerne der slawischen Küche zugeordnet wird. Aber es gibt auch weniger Bekanntes zu entdecken wie die Feigen in Zuckersirup. Die, ähnlich wie auf Kreta zubereitet, mit Käse serviert, das Menü fein abrunden. Im Rezept-Ordner finden Sie die Anleitung, wie die zuckersüßen Feigen auf Vorrat zubereitet werden.
Ebenso reichhaltig wie in Abonjis Roman, in dem Mamika Hühnergulasch mit Nockerl auftischt, Paniertes vom Schwein mit frittierten Kartoffeln und Kürbisgemüse, an der Sonne gesäuerte Gurken und Tomatensalat serviert, ist die Fülle an Rezepten, die Tatjana Petkovski in ihrem serbischen Kochbuch versammelt hat. Einfach und gut. Vielen Rezepten ist ein Foto beigestellt, sodass man sofort eine Ahnung davon hat. Das Rezeptregister ist sehr knapp gehalten, das deutsch-österreichische Küchenlexikon ein direkter Hinweis des Einflusses der Donaumonarchie auf die serbische Küche.
Die Serbische Küche von Tatjana Petkovski lässt mich beim Durchblättern schnell die traurige Vergangenheit dieses Landes vergessen und nach einem Kochtopf greifen, um mir serbische Krautrouladen zu kochen.