Tine Giacobbo und Katharina Sinniger, Suppenkochbuch

Mit einem Portrait von Christian Seiler
Fotografien von Nadja Athanasiou
Echtzeit Verlag, Basel, 2014, 224 Seiten, 39.-- Euro
ISBN 978-3-905800-72-2
Vorgekostet

Heute geht es um die Suppe.

Graf Rumford hat im 18. Jahrhundert für die bayerischen Soldaten eine billige, nahrhafte Suppe aus Graupen und Erbsen erfunden und sie später als Arme-Leute-Essen propagiert. In einem Suppen-Essay offenbarte er, dass die „ordentliche Zubereitung“ darin besteht, wenig feste Nahrung mit möglichst viel Wasser zu mischen. Damit war Suppe, quasi flüssiger Brei, exakt definiert. 100 Jahre später findet die Arme-Leute-Suppe mit Fleischeinlage angereichert Eingang in die bürgerlichen Kochbücher. Heute sind Suppen raffiniertest zubereitete, wohlduftende Kraftbomben, die ihren Platz als Vor- oder Hauptspeise behaupten.

Auch behauptet – über viele Jahrzehnte – hat sich offenbar das Limmatlädele. Ab 2001 vor allem ein Suppenladen, das an der durch Zürich fließenden Limmat gelegen und auf dessen Türsturz ein wirkungsvolles Bittgebet prunkt: Unsere tägliche Suppe gib uns heute. Zwei Köchinnen, Expertinnen in Sache Suppe, schwingen hier die Kelle. Tine Giacobbo und Katharina Sinniger, deren Lebenslauf am Ende des Suppenkochbuches Christoph Seiler minutiös nachzeichnet und damit auch die Entstehungsgeschichte des Lädelis. Es, das Suppenkochbuch, beginnt aber mit einer kleinen philosophischen Betrachtung von Tine Giacobbo. „Wo die wilden Suppen wohnen“ ist auch eine Liebeserklärung an einen 30 Jahre alten Suppentopf, ein 20 Jahre altes Messer das gut in der Hand liegt und einer Offenbarung: Kochen Sie eine Suppe nur, wenn Sie Zeit und Lust haben. Eine Suppe braucht Geduld. Das ist zu beherzigen, ansonsten ist dieses schön gemachte Suppenkochbuch nichts für Sie, werte Leserinnen und Leser. Die Autorinnen verstehen sich auch als Ideengeber deren Rezepturen beliebig verändert und angepasst werden können. Sie fordern zum Mitdenken und zur suppochalen Eigenständigkeit auf.

Die Kapiteleinteilung spiegelt einen sehr persönlichen Zugang der Köchinnen. So ist das Kapitel Feld, Wald und Wiese dem ersten frühlingshaften Sprießen gewidmet. Bärlauch, Spinat, Sauerampfer, Lagergemüse etc. kommen in die Töpfe. Das Kapitel Kraut und Rüben erklärt sich von selbst. In Land und Leute werden die Autorinnen zu Volkskundlerinnen und kredenzen schweizerische Köstlichkeiten wie die Basler Mehlsuppe, ein Züricher Chatzegschrei, die Greyerzer Sennensuppe und einige andere. Über die Grenzen gleitet der Suppenblick dann in Freunde aus dem Süden und Befreundete Nachbarn. Und so erweitert sich unser Suppenhorizont über Entfernte Verwandte zu einer Spurensuche in Chuchichäschtli und weiter zu Frischer Fang, Es riecht nach Sonntag, Mit der grossen Kelle bis zu Süsses Ende, das tatsächlich dann mit Von Grund auf endet, wo es um die Basis, eben Gemüse-, Hühner- Fleischboullion und diverse Fonds geht. Breit gestreut, von bodenständig bis exotisch und einfach bis gewagt bzw. aufwändig sind die Rezepturen. Ob Vanillesuppe mit Kartäuserklössen, die Seufzersuppe, Kalte Gurkensuppe, Luzerner Buttersuppe um nur einige zu nennen; es ist eine schmackhafte Entdeckungsreise durch viel unbekanntes Suppenland. Ein großer Pluspunkt sind die unzähligen Kaltsuppen, die an hoffentlich vielen heißen Sommertagen eine kühle Abwechslung bringen. Ein erster Versuch für mich war Schawel die Kalte russische Sauerrahmsuppe, die an einem sonnig, heißen Tag erfrischend und abkühlend wirkte.

Generell zu den Rezepten: Klar, wie manche Suppen sind, ist der Aufbau. Übersichtlich und reduziert aufs Eigentliche: Ich mag diese – überspitzt – generalstabsmäßige Systematik. Zubereitungszeit und Menge der sich ergebenden Portionen stehen zuoberst. Dann folgt die Zutatenlistung sowie Zubereitungsbeschreibung und dazwischen eingebettet, groß, deutlich, ins Auge springend, der Suppenname. Am Ende – nicht immer – persönliche Tipps bzw. Variationsvorschläge die manchmal noch angedeutet anekdotisch angereichert sind. So erzählt Tina von der Kleinbauer Jeans Nüsslisuppe, dass sie sich vom titelgebenden Bauern am Helvetiaplatz-Markt in Zürich die Hauptzutat holt, den Nüsslisalat, einen Wintersalat, der in ihrer Heimat Schoofsmäule heißt. In Österreich nennt man ihn Vogerlsalat.

Hier wird eine kleine Schwäche dieses Suppenkochbuches sichtbar. Es ist auf den Schweizer Markt abgestimmt. Entsprechend sind auch die für österreichische Ohren lustig klingenden Bezeichnungen. Etwa Rüebli, bei uns Karotten, die in Rugeli – das sind Scheiben – geschnitten sind. Die Bratbutter ist Butterschmalz, die Wetterschmöckerli sind geräucherte Würste die bei uns gemeinhin als Schüblig bekannt sind, Randen sind auf gut österreichisch Rohnen oder hochdeutsch Rote Beete und so weiter. Hier wäre eine Übersetzung, ein Glossar vom Schweizerischen ins Deutsche eine gute Hilfe. Auch manche Feinheiten in der Zubereitung könnten ausführlicher erklärt werden.

Hervorzuheben sind die schönen, höchst ästhetischen ganzseitigen Fotos, die lose eingestreut das Gedruckte sehr auflockern. Sie geben Einblick in die Küche des Limmatlädele, mit Aussicht auf Schneidbrettaktivitäten vom Schälen bis zum Geformten, geben Zeugnis von Handarbeit bis zum edlen Besteck und feinstem Interieur. Sie sind auch ein Dokument des Arbeitsprozesses: Man sieht die vom Knödelformen klebrigen Finger oder die vom Rohnenschälen roten Hände.

Ausprobiert habe ich vor allem Suppen die dem Übergang von Frühling in den Sommer nahe stehen. Die Blumenkohl-Gorgonzola-Suppe, sämig in der Konsistenz überraschte mit der zurückhaltenden Gorgonzolanote. Die Kohlräblisuppe entlockte nicht nur mit ihrer weißlichen Farbgebung ein kleines Aha bei meinen Gästen. Die eingerührte kalte Butter, ließ das Schlürfen der Suppe zu einem unvergesslichen Geschmackserlebnis werden. Dieses Detail mit der Butter, in der Beschreibung eine Nebensächlichkeit, macht für mich dieses Suppenkochbuch zu einer wahren Fundgrube.

Eine völlige neue Erfahrung hinsichtlich Geschmack stellte für mich die Kalte Kartoffel-Rhabarber-Suppe dar. Ein Erlebnis das zu beschreiben mir schwerfällt, allerdings zum Vorsatz weiterer Experimente mit anderen Zutaten führte.

Abschließend sei angemerkt. Die Zeitangaben wurden grundsätzlich nicht überprüft. Hier halte ich es mit Tine Giacobbo, die meint: Eine Suppe braucht Geduld.

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