Tom Vandenberghe, Jacqueline Gossens & Luk Thys, New York Street Food

Kulinarische Reiseskizzen mit mehr als 60 Rezepten

Hädecke Verlag, Weil der Stadt, 2015, 216 Seiten, 18.50 Euro
ISBN 978-3-7750-0657-6
Vorgekostet

Heute reisen wir nach New York.

Im Mittelpunkt steht New York City. Im Jahr 2012 hat sich ein Belgier in die Neue Welt aufgemacht, um in die Street-Food-Szene der größten Stadt der USA einzutauchen. Tom Vandenberghe. Er ist passionierter Foodabenteuerer – eine schöne Berufung. Mit Unterstützung von Jacqueline Gossens und Luk Thys ist New York Street Food entstanden, ein Kochbuch mit kulinarischen Reiseskizzen, wie es im Untertitel heißt. Die Aufgabenverteilung des Trios ist klar festgelegt. Während Tom wie ein Scout durch New York streift, Ausschau haltend nach Street Food Ständen und Kontakte knüpft, bereitet Jacqueline, eine in dieser Stadt lebende Journalistin mit belgischen Wurzeln, Fakten und Hintergrundinformationen auf. Und Luk, der Dritte im Bunde, ist für die Bilder, die Sichtbarmachung eines kulinarischen Lebensgefühls zuständig.

Beginnen wir mit den Fotos. Sie geben diesem Buch eine eigene Note. Es sind Momentaufnahmen von essenden, herumalbernden, anstehenden, Straßen überquerenden, Essen bestellenden Passanten, Momente eines flüchtigen Augenblicks, die für diese Stadt typisch sind. Dann gibt es Bilder von städtischem Ambiente, das abseits von Touristenattraktionen ist, Backsteinhäuser, Imbissstände, Straßenzüge. Und dann die Foodfotos. Nicht gestylt, in ihrer Natürlichkeit belassen, ohne Kunstlicht, mit geringer Tiefenschärfe konzentrieren sie sich auf das Wesentliche, das abzubildende Essen. Zwar verlieren sie etwas an Aussagekraft, da nicht Hochglanz sondern matt ausgearbeitet. Das wiederum wirkt sich im Kontrast aus wie auch das verwendete Papier. Aber das scheint Kalkül zu sein und verstärkt letztendlich ein schwer beschreibbares Gefühl für diese City, die jeden Besucher dieser schnelllebigen Stadt befällt. Luk Thys fängt dieses besondere Kolorit bravourös ein.

Jacqueline Gossens ist die Geschichtenerzählerin. Sie schreibt über verschiedene thematische Zugänge Stadtgeschichte. So erfährt man von Food Trucks, salopp gesagt den Würstelbuden, vom Genießen in Red Hook, dem Dockarbeiterviertel in Brooklyn, aber auch davon, wie die Lunchzeit, das organisierte Chaos, diese Stadt prägt. Diese und weitere sozialhistorische Abhandlungen lassen uns eintauchen in ein unbekanntes New York und stehen immer in Beziehung zum Thema Essen. Sie werten dieses Buch zu einem Reiseführer der besonderen Art auf. Im Kapitel Sanktionen beschreibt Gossens den harten Kampf um die Genehmigungen für die Straßenverkäufer. So sind neben 5.700 offiziell genehmigten Essensverkäufern geschätzte 19.000 illegale auf New Yorks Straßen anzutreffen.

Nun zum Essen, dem Kern des Buches. Tom Vandenberghe Experte in Sachen südostasiatischer Kulinarik reist nach New York, um Inspirationen für sein neues Nudelbar-Konzept zu bekommen. Aber auch, um seinen bereits erschienen Street Food Büchern über Thailand und Vietnam ein drittes beizustellen. Und New York bietet sich an, ein Ort der Einwanderer, der vielen eine neue Heimat bietet. Ein Drittel der Stadtbewohner sind nicht in den USA geboren. Entsprechend viele Sprachen und Kochtraditionen sind dort anzutreffen. Diese Vielfalt ist also die Grundlage dieses Buches. 27 Street Food Standorte, davon befinden sich 2/3 in Manhatttan, sowie neun Märkte werden erfasst und beschrieben. Zwei Stadtpläne auf der Umschlagseite lassen die Orte sichtbar werden. Allerdings orientieren sich die Autoren an der Herkunft der Gerichte oder Kochtechnik, was sich in 12 Kapiteln niederschlägt, die mit Jacqueline Gossens Spurensuche korrespondieren. Darin eingebettet sind über 60 Rezepte, pro Kochvorschlag eine Doppelseite. Auffällig hier das verspielte Design mit unterschiedlichen types und einfachen grafischen Ornamenten, ein tolles Layout. Klar im Aufbau, das Wesentliche knappest dargestellt So etwa die Preisklassen in drei 5 Dollarabstufungen, d.h. das teuerste Mahl kostet maximal 15.- greenbacks. Auch angeführt ist immer die Adresse und nächstgelegene U-Bahn Station mit den dort verkehrenden Linien. Leider sind Letztere so klein geschrieben, dass sie nur mit Lupe lesbar sind. Überhaupt sind einige Textpassagen im Grenzbereich, was Schriftgröße und Farbe anbelangt. Lästig, weil sie mich, den Leser schnell ermüden, sind die in Rot gehaltenen Kapiteleinleitungen Vanderberghes. Knapp gehalten sind auch die Zubereitungsbeschreibungen, aber das mag ich, wenn auch weniger Geübte damit ihre Probleme haben könnten. Gelegentlich tauchen auch exotische, gar unbekannte Zutaten auf. Diese werden meist kurz erklärt und Ersatzmöglichkeiten angeboten, bspw. beim Pfannkuchen aus Osaka wird Karashi verwendet, ein japanischer Senf, der durch scharfen Dijonsenf ersetzt werden kann.

Generell hat sich mir die Rezeptauswahl nicht erschlossen. Vorgestellt werden viele asiatische und lateinamerikanische Gerichte, etwa Bulgogi, das ist koreanisches Rindfleisch, oder Papas Rellenas, die gefüllten Kartoffelbällchen. Weiters einige osteuropäische, etwa Pastrami, das ist gepökeltes und geräuchertes Rindfleisch, aber auch amerikanisches wie Red Beans and Rice oder Cole-Slaw, ein Weißkohlsalat mit holländischer Vergangenheit. Dann finden sich einige mit europäischen Wurzeln, so Bruschetta mit Aubergine und Parmesan, das eindeutig nach Little Italy weist. Afrika allerdings vermisse ich, oder habe ich da etwas übersehen? Einige Rezepte finde ich überflüssig, so die Tomatensauce oder den Kartoffelsalat, auch wenn er – so begründet – zum Standardrepertoire von Salatbar, Deli und jedem amerikanischen Grill und Sommerpicknick gehört. Angemerkt werden muss auch, dass ein Teil der Rezepte angenäherte Variationen der Autoren sind, denn, das ist klar, nicht jeder Straßenkoch gibt alte Kochtraditionen preis. Dennoch sind viele Rezepturen spannend und ungewöhnlich. So der Pfannkuchen aus El Salvador mit Weißkohl, die Limettentarte, die gedämpften Brötchen mit Schweinefleisch oder die Okraschoten mit Tomaten, die, dass muss ich zugeben, zumindest einen Hauch Ostafrikas erahnen lässt.

Street-Food-Liebhaber werden hier fündig und New York-Reisende. Ihnen sei dieses Buch empfohlen. Carpe diem, genieße den Tag, meint Horaz, auch wenn es nicht so leicht ist – und das glaubt man kaum – in New York ein gutes Esslokal mit erschwinglichen Preisen zu finden. Dieses Buch schafft Abhilfe.

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