Ursula Ferrigno, Lemons & Limes

Die besten Rezepte mit Zitrone und Limette

Aus dem Englischen von Julia Paiva Nunes
Mit Fotos von Claire Winfield
ars vivendi Verlag, Cadolzburg, 2018, 160 Seiten, 22.90 Euro
ISBN 978-3-86913-882-4
Vorgekostet

Heute reisen wir ins Land der ZITRONEN.

Im Gepäck einen Roman von Margaret Atwood. In diesem Roman – Lady Oracle – lässt die Protagonistin Joan ihren einstigen Liebhaber Paul aus London, sich nach Jahren in einem griechischen Lokal in Toronto wiedertreffen. ‘I am pleased I have discovered you,’ Paul said, as we sipped our lemon soup.’ Sie essen Avgolemono, eine typisch griechische Suppe aus einer Brühe, in die Eier und Zitrone gerührt werden. Eine sehr cremige Suppe und die vielleicht meist gegessene Griechenlands. In den Tavernen wird sie überall angeboten, oft mit Hühner- oder Gemüsebrühe, manchmal auch mit Rinderbouillon. Es gibt unzählige Varianten. Ich kenne sie mit Lauch, Karotten und Kritharaki, kleinen reisförmigen Nudeln. Nun stieß ich auf eine, die sehr gut gewürzt nur Eier und Langkornreis beinhaltet sowie Saft und Schalen von Zitronen. Diese cremige Avgolemono fand ich in Ursula Ferrignos Kochbuch Lemons & Limes, das im ars vivendi Verlag herausgekommen ist.

Ferrigno ist Köchin und Autorin mit über 18 Buchtiteln. Sie ist an der Amalfiküste aufgewachsen, da scheinen ihr die Zitrusfrüchte in die Wiege gelegt. Darüber ist sie aber nicht sauer. Nein, im Gegenteil. In vielen Rezepten Ferrignos steckt die Säure von Limetten und Zitronen. Sie weiß, dass ein Spritzer Zitrone einer langweiligen Sauce oder glanzlosen Suppe neues Leben einhaucht. Zitrusfrüchte intensivieren den Geschmack auf subtilere und gesündere Weise als Salz. Wie und dass das geht, davon zeugen 75 Rezepte, die sieben Kapiteln zugeordnet sind.

Es beginnt mit Häppchen, steigert sich zu Suppen und Salate, welchen dann die drei klassischen Hauptkategorien Fleisch, Fisch und Vegetarisch – in dieser Reihung – folgen. Die beiden letzten Kapitel widmen sich Süßem und Getränken.

Wir starten mit einer Mini-Spanakopita, die mit Feta-Zitronen gefüllt, uns nach Griechenland versetzt. Salziger Käse und erdiger Spinat wird umhüllt mit knusprig buttrigem Filoteig. Das Gericht verträgt mehr Zitrone, als Ferrigno ihm zugesteht. So gesehen, ein Imbiss mit Spielraum. Und anstelle des Spinats können die Teigtaschen auch mit Mangold oder Bärlauch gefüllt werden.

Ferrigno ist eine kulinarische Globetrotterin, mit grenzenloser Kreativität. Ihre Gerichte sind orientalisch, maghrebinisch, mitteleuropäisch wie auch mittel- bzw. südamerikanisch. Mexikanisch inspiriert ist das in Zitrussaft marinierte Ceviche. Für diese Vorspeise werden drei Arten weißfleischiger Fische zwölf Stunden in Zitronen- und Limettensaft gebadet. Im Einweckglas angerichtet, ist diese Köstlichkeit bis zu zwei Tage haltbar – ein feines Vorrats-Gericht.

Ein anderes, rundes Essen sind die Zucchinitaler. Sie haben nicht nur die Größe einer Goldmedaille – die goldbraunen Gemüselaibchen sind wahre Sieger-Naturen. Freunde und Nachbarn durften kosten und wollten mehr. Die Taler sind ein ideales Gericht vor allem für Gartenfreunde. Sie sind schnell gemacht, auch in großen Mengen und Knödeln nicht unähnlich. In Zucchini-Erntezeiten, wenn sich Berge dieses Gemüses auftürmen, dann empfiehlt sich eine Taler-Party. Falls die Konsistenz zu trocken gerät, dann entweder ein Ei mehr oder etwas von der aufgefangenen Zucchiniflüssigkeit einarbeiten. Auch Käse passt. Jedenfalls erhalten diese vegetarischen Rundlinge mit ein paar Tropfen Zitrone und Minzesowie Zitronenthymianblättern jene herbe Frische, wie mein Enkel Jakob und ich sie mögen.

Ein anderes wunderbares Gericht, das vor allem meiner Familie gut schmeckte, waren die Gnocchi aus Spinat, Erbsen und Ricotta. Die Nocken servierte ich anlässlich einer Geburtstagsfeier als Hauptspeise und keiner verließ voreilig den Tisch. Sie blieben sitzen, wie angeklebt, bis die letzte grüne Nocke verschwand. Ferrigno verwendet selbst produzierten Frischkäse. Ich kaufte fertigen Ricotta und verrührte ihn mit Zitronensaft; das war o.k..

Alle Rezepte werden mit einem kleinen Vorspann, eine Art Mini-Dossier, vorgestellt. So heißt es beim Gewürzhähnchen mit Kichererbsen, Karotten und eingelegter Zitrone: Nordafrikanische Rezepte inspirierten mich zu diesem farbenfrohen Gericht. Die würzigen Aromen sind an einem kalten Tag besonders wohltuend. Dieses Zitronenhuhn ist auch an nicht-kalten Tagen ein hoher Genuss, auch weil hier ein Element der levantinischen Küche zum Tragen kommt, die Salzzitronen, die bei uns immer noch sehr wenig bekannt sind. Diese eingelegten Zitronen sind kleine Kraftwerke, Pakete von konservierter Gesundheit und Aromen. Wer das nicht kennt, sollte die Salzzitronen unbedingt mal ausprobieren. Sie harmonieren in bestem Einvernehmen mit Fisch- und Geflügelgerichten.

Ein kulinarisches Highlight ist die rauchige Lammfleisch-Mole mit grünem Reis. Hier trifft Lammkeule auf mexikanische Schoko-Sauce und spinatgefärbtem Basmatireis. Eine ausgewählte Freundesschar kam in den Genuss dieser wunderbaren Eingebung. Sie waren nicht nur von der Farbkomposition überwältigt, sondern auch von dessen Geschmacksnoten. Schade, dass das Rezeptfoto nicht das Aroma wiedergeben kann. Wiewohl die meisten Abbildungen eine farbenreiche, kulinarische Leichtigkeit vermitteln. Meist in zarten Pastellfarbtönen mit viel Gelb, Blau und Grün; eben ganz Zitronenland. Das gefällt mir sehr.

Zwischen den Kapiteln eingearbeitet sind doppelseitige Beiträge, Exzerpte, die die Zitronen und Limetten aus verschiedensten Blickwinkeln betrachtet, vorstellen. Fünf Abhandlungen, in denen sich alles um die Geschichte, den Anbau, das Einlegen und Konservieren sowie die gesundheitlichen Aspekte als auch den Stellenwert der Zitrusfrüchte im Alltag dreht. Überhaupt sollte Letzteres zuerst gelesen werden, enthält es doch viele interessante Details, die eine Auffrischung verdienen. Die vielleicht wichtigste Botschaft lautet: Zitronen und Limetten beleben Aromen, indem sie den Säuregrad verändern. Sie klären den Gaumen.

Und warum die Zitronen sauer sind, lassen wir uns am besten von Heinz Erhardt erklären:

Ich muß das wirklich mal betonen:

Ganz früher waren die Zitronen

(ich weiß nur nicht genau mehr, wann dies gewesen ist) so süß wie Kandis.

Bis sie einst sprachen: „Wir Zitronen, wir wollen groß sein wie Melonen!

Auch finden wir das Gelb abscheulich, wir wollen rot sein oder bläulich!“

Gott hörte oben die Beschwerden

und sagte: „Daraus kann nichts werden! Ihr müßt so bleiben! Ich bedauer!“

Da wurden die Zitronen sauer . . .

Ferrigno ist fasziniert von Zitronen und Limetten, von den Möglichkeiten mit ihnen Speisen zu veredeln, in wahre Gaumenfreuden zu verwandeln. Deshalb hat sie sich von Gerichten aus aller Welt inspirieren lassen, auch, weil es kaum eine Kultur gibt, in der Zitrusfrüchte keine Rolle spielen. Die Auswahl fiel schwer, da es so viele Lebensmittel gibt, die hervorragend zu Zitronen und Limetten passen. Huhn bspw. Da fällt uns sofort das Zitronenhuhn à la Marcella ein, aber dieses Rezept suchen wir hier vergeblich. Das hängt wohl mit dem Anspruch der Köchin Ferrigno zusammen, eben Neues zu kreieren. Dafür unternimmt sie jahrelang Reisen durch die Küchen der Welt, greift Impulse auf, die sich in ihren Gerichten verdichten.

Nicht alle Rezepte entsprechen unseren eigenen Vorstellungen, weil zu ungewohnt oder fremd, aber sie sind allemal den Versuch wert, sie auszuprobieren.

Lemons & Limes ist eine Fundgrube, ein Kochbuch der Sonderklasse, eben weil es so spezialisiert ist und mit einigen überraschenden Ideen aufwartet. Es sind einfache, gut umsetzbare Rezepte, die die sauren Früchtchen in neuem Licht erscheinen lassen.