Waltraud Jäger, Norbert Janesch, SPARGEL ZWISCHEN ALPEN UND ADRIA

Erde | Wachstum | Ernte | Küche

42 Rezepte von Ami Scabar und Sissy Hochleitner
Fotos von Norbert Janesch
Mit einem Vorwort von Veit Heinichen
Verlag Johannes Heyn, Klagenfurt, 2014, 224 Seiten, 29,90 Euro
ISBN 978-3-7084-0522-3
Vorgekostet

Heute reisen wir nach KÄRNTEN.

Der Winter liegt noch auf den Bergen, mahnend, dass er jederzeit wieder zuschlagen kann. Doch der Lenz ist da, meinte Erich Kästner und reimte:

Es ist schon so. Der Frühling kommt in Gang.
Die Bäume räkeln sich. Die Fenster staunen.
Die Luft ist weich, als wäre sie aus Daunen.
Und alles andere ist nicht von Belang. …

Aber nein, hier irrt Herr Kästner. Das erste zarte Grün im Jahr ist von großer Bedeutung, es kündigt die Spargelzeit an. Im Lavanttal, auf dem Kammerhof, gibt es von Mitte April bis Ende Mai nur ein Thema: Spargel. Das bereits über Generationen.
Asperagus officinalis, wie der Gemüsespargel wissenschaftlich genannt wird, wächst wild in allen warmen und gemäßigten Zonen der Erde. Als Heimat der Kulturform des Spargels wird der östliche Mittelmeerraum angenommen. Der größte Produzent ist China. Von dort kommt viertausendmal mehr Spargel auf den Markt als von Österreich. Die österreichische Jahresproduktion bewegt sich zwischen zwei- und dreitausend Tonnen. Im oberösterreichischen Marchfeld und dem niederösterreichischen Tullnerfeld liegen die größten Anbaugebiete. Auch im burgenländischen Seewinkel wird Spargel geerntet und natürlich im Lavanttal.
Mathias Jäger, ging in den 1920er Jahren ins Baden-Württembergische zum Geldverdienen, weil der Hof zu wenig abwarf. Dort lernte er diese weißen Sprossen kennen, und weil sie ihm auch mundeten, brachte er seiner Frau Erna Spargelpflanzen mit. So kam der Spargel nach Kärnten. Und weil seine Enkelin Waltraud Jäger mit Spargel aufwuchs, ihn quasi verinnerlichte, lag es für sie als Journalistin mehr als nahe, darüber ein Buch zu schreiben. Spargel zwischen Alpen und Adria, so der Titel, ist im Klagenfurter Heyn Verlag erschienen.
Anfangs ging es nur um eine Familiengeschichte, die dann ständig erweitert wurde, über die Grenzen hinaus. Es handelt vom Leben auf dem Kammerhof, von Freundschaften und geschäftlichen Beziehungen, die in der Verarbeitung der Kulturpflanze gipfeln. Der in Triest lebende Krimiautor Veit Heinichen schrieb das Vorwort, auch, weil seine Liebste, Ami Scabar, ihn losschickte, den Lavanttaler Spargel für ihre Küche zu holen. Er brachte ihr Blumen in Kisten, denn der Spargel gehört zu den Lilien. Ami, die das Restaurant Scabar in Triest führt, revanchierte sich mit Rezepten, brachte so mediterrane Aromen ein. Und eine zweite Köchin wurde eingeladen, ihre Erfahrungen mit Spargelgerichten einzubringen. Sissy Sonnleitner vom Gasthof Kellerwand in Kötschach-Mauthen. Sie ist eher der traditionellen, der alpinen Kochkultur verpflichtet. D. h. aber nicht, dass sie nicht über den Tellerrand schaut und manches Gericht überraschende Noten aus anderen Kochkulturen preisgibt. Ihre Kochkunst, bekennt sie, „lebt im Herzen – als ein Duft, eine Erinnerung, ein Gefühl …“ Und so war die Spargelkaltschale eine Vorspeise die ich nicht so schnell vergessen werde. So sparsam sie mit den Zutaten ist, so wirkungsvoll ist deren Zusammenspiel. Die Sargelcarbonara mit Brennnesselfleckerln, als Hauptspeise serviert, kam bei meinen Gästen bestens an. Auch der Aufwand war weniger groß als befürchtet. Die Nudeln mit Brennnesseln gingen schnell von der Hand, entpuppten sich als eine schöne Bereicherung für den Gesamtgeschmack. Deshalb werde ich diese Beilage noch für andere Gerichte einsetzen. Als etwas besonderes erwies sich Spargel mit Gorgonzola, Tomate und Buchweizen. Kalt und heiß fährt es mir allein bei der Vorstellung durch den Körper, dass eine 5 cm breite Spur kalter Tomatenstücke mittig auf das Spargelfloss aufgetragen wird und so wie eine Grenzlinie quasi die Spargelköpfe vom heißen Käse abschirmt. Und jeder Bissen ist ein Genuss. Fast schon sinnlich wirken die drei weißen Spargelköpfe, die aus dem gefrorenen Rahmsee ragen auf mich, den Betrachter. Das Dessert Spargel-Creme-Brulée mit Gewürzkruste ist ebenso gehaltvoll wie auch Augenweide. Eine Komposition, die Giaccomo Rossini gefallen hätte, der neben der Musik gerne kochte und auch Spargelrezepte entwickelte. Der Vergleich mag zwar überspitzt sein, aber die Spitzenköchin Ami Scabar kreiert neue Spargelgerichte virtuos wie eine Musikerin. Sie lässt sich von der Vielseitigkeit des Spargels verführen, ihm immer wieder neue Geschmackskompositionen entlocken. Ihre Rezepte sind wunderbar, leicht und überraschend. Während Spargel mit Butter und Orange für ein erfrischendes Erlebnis sorgte, erstaunte mich das Rezept vom Spargel in Senfsoße um so mehr. Eine schnörkellos schöne Kombination die sich anmutig auf dem Teller präsentiert. Klassisch einfach und wunderbar der Spargel alla Parmigiana! Allerdings verwende ich viel weniger Butter als von Scabar angegeben. Mit der Hälfte kommt man locker aus. Das Resultat des aus nur drei Zutaten bestehenden Gerichts ist ein wahrer Genuss. Sehr überzeugend auch die maritim angehauchten Gerichte mit Sardellen, Branzino oder Krabben! Voll lustig dagegen und mehr einer Wundertüte ähnelnd ist die Blätterteigtorte mit Spargel. Eine Katze im Sack und nur wir wissen, was drin ist. Richtig … Spargel!
Erstaunlicherweise fehlen klassische Spargelgerichte. Das ist gut so.
Spargel zwischen Alpen und Adria ist ein Loblied auf eine Kulturpflanze und die Menschen, die sie anbauen. Die Rezepte verführen und verwöhnen unseren Gaumen, ein Ausdruck der Vielseitigkeit. Elegant wie auf dem Laufsteg präsentieren Ami Scabar und Sissy Sonnleitner ihre Gerichte dieser weißen und grünen unscheinbaren Sprossen. Ergänzt um die eindrucksvollen Bilder von Norbert Janisch, die uns einen Blick hinter die Fassaden des Spargelanbaus gewähren. Zudem verknüpft Waltraud Jäger geschickt unglaublich viele Informationen in ihren Texten, sodass uns der Spargel in seiner ganzen Farbenpracht kein unbekanntes Pflänzchen mehr ist. Hier liegt ein unterhaltsames Kochbuch vor, das aufklärend und praktisch den Weg des Spargels vom Feld bis auf den Teller nachzeichnet. Angereichert mit phantastischen Rezepten, die Spuren der Adriaregion wie auch der karnischen Alpen beherbergen.