William Ledeuil, Bouillon

Aus dem Französischen von Nicola T. Stuart
Verlagshaus Jacoby & Stuart, Berlin, 224 Seiten, 24.70 Euro
ISBN 978-3-941787-95-7
Vorgekostet

Heute reisen wir nach FRANKREICH.

Genau genommen geht es nach Paris. Dort besuchen wir William Ledeuil, einen Sternekoch, der in der Stadt der Liebe zwei Restaurants betreibt. Wir könnten ins Restaurant ‚Ze Kitchen Galerie‘ gehen und eine Bouillon mit asiatischem Gemüse bestellen. Bouillons sind Ledeuils Leidenschaft, sie begleiten ihn seit Kindheitstagen. Bei Proust lösten Madeleines das Glücksgefühl aus. Bei William der Duft der Bouillon, die immer auf Großmutters Herd köchelte, wenn er von der Schule nach Hause kam. In seinem Restaurant werden täglich bis zu 70 Liter Bouillon verarbeitet. Sei es um Saucen herzustellen, darin Gemüse zu garen, Nudeln oder Reis zu glacieren, Fisch zu pochieren, Lamm oder Geflügel zu schmoren oder einfach cremige oder gebundene Suppen herzustellen. Brühen, so das deutsche Wort für Bouillon, bilden die Grundlage der Küche. Und es verwundert nicht, dass Ledeuil seiner kulinarischen Vorliebe ein Kochbuch widmet. Bouillon, so der einfach Titel, ist bei Jacoby & Stuart erschienen.

Wir müssen also nicht nach Paris fahren, um Ledeuils Bouillons zu genießen. Es genügt die Buchhandlung um die Ecke, um uns sein Kochbuch zu besorgen. Und dann können wir loslegen und uns dem einfachsten und gleichzeitig geheimnisvollsten Kochelement – der Brühe und in weiterer Folge, der Suppe – widmen. Hier ist anzumerken, dass William Ledeuil fast all seine Brühen, Fonds und Suppen „Bouillons“ nennt. Bouillons sind genau genommen nichts anderes als verdichtete, dünnflüssige Nahrungsmittel mit oder ohne Einlagen. Unzählige Erzählungen ranken sich um dieses Kraftbrühe. So berichtete der Arzt des Preußenkönig Friedrich II, der versessen war auf Suppen, einmal Folgendes: „Er hatte wie immer sehr viel Suppe zu sich genommen, und diese bestand wie gewöhnlich in der allerstärksten und aus den heißesten Dingen ausgepressten Bouillon, aber zu der Portion Suppe tat er dann noch einen großen Eßlöffel voll gestoßener Muskatblätter und Ingwer.“ Eine andere Geschichte ist die von jenem Hobbykoch, der für die Zubereitung seiner klaren Wildfleischbrühe zu Hause drei Tage brauchte, weil er die Brühe mehrmals kochte, immer wieder morgens entfettete und am Ende durch viele feine Tücher siebte, bis die Küche so schlimm aussah, dass seine Frau sauer wurde! Aber diese Begeisterung für die Bouillon, die klare Brühe, zieht sich durch alle Zeiten und alle Gesellschaftsschichten. Frisch, gesund, frei und offen für die Welt ist diese Bouillon-Küche. Und vielseitig, was sich im Inhaltsverzeichnis von Ledeuils Kochbuch bereits offenbart. Klar strukturiert aufgebaut, erfährt man alles Wesentliche: von der ausführlichen Beschreibung der Zutaten, über Bouillon-Grundrezepte und -Essenzen bis zu den über 60 Bouillonrezepten, ob mit Geflügel, Rind, Fisch, Meeresfrüchten oder Gemüse. Sogar Umami- und Süsse Bouillons werden angeboten. Zunächst gilt es allerdings das erste Kapitel, das einige Ratschläge parat hält, zu lesen. Hier wird das Prinzip der Bouillon erklärt, werden grundsätzliche Anleitungen die befolgt werden sollten, sowie Einsatzmöglichkeiten beschrieben. Eine solche Anleitung wäre etwa, dass Zitrusfrüchte und Kräuter erst kurz vor dem Servieren in die Brühe gegeben werden und sie nicht mehr aufkochen darf. Sehr ausführlich beschrieben und schön abgebildet sind die verschiedensten Zutaten. Linke Seite der Text, rechts Fototafeln unterschiedlichster Bouillonbestandteile, sodass man selbst von exotischen und kaum bekannten Ingredenzien eine gute Vorstellung bekommt. Oder wissen Sie, wie Krachai, Buddhas Hand, Bergamotte, Französischer Estragon, Enokipilze, Nori-Algen etc. aussehen? Gleich aufgebaut wie das Zutatenkapitel sind die Abschnitte Bouillon-Grundrezepte und -Essenzen. Die Zutaten aufgelegt auf einem Tablett wie Puzzleteile und abgebildet, geben eine gute Übersicht von Menge und Konsistenz; nicht zu vergessen das Farbenspiel. Unter den Essenzen finden sich auch eine Reihe vor allem thailändisch geprägter Rezepturen, die äußerst geschmackvoll sind. So bereite ich die in der Thai-Küche eher selten gemachte Fischbouillon mit viel weniger Zutaten zu: Fisch oder Gräten mit ein wenig Ingwer, Salz und asiatischem Sellerie köcheln ca. 20 Minuten in Wasser bei schwacher Hitze, fertig. In Ledeuils Fischbouillon als Basis für die Essenz kommen allein 15 Aromazutaten rein und Pastis. Das ist zwar aufwändig, entzündet aber ein unvergessliches Feuerwerk an den Geschmackskospen.

Nachgekocht habe ich die Rinderbouillon mit gefüllten Rübchen. Es war ein Geburtstagsessen in kleinem Kreis, das wohl lange im Gedächtnis der Teilnehmerrunde bleiben wird. Jedenfalls wurde nach dem Rezept gefragt, das ich Ihnen auch nicht vorenthalten will. Schauen Sie in den Rezept-Ordner. Die Ravioli mit gegrilltem Schweinefleisch und Rinderbouillon waren ebenfalls eine Versuchung wert. Allerdings nahm ich statt der Ravioli Schwäbische Maultaschen, die sich gut einfügten in die mit Koriandergrün und Knoblauchstengeln garnierte sehr runde und aromatische Brühe. Nicht umhin kam ich, meine letzten Rhabarber aus dem Garten in Ledeuils Karamelisierter Rhabarber in Erdbeer-Eisenkrautbouillon zu investieren. Schnell und einfach zubereitet, war das jedenfalls eine gute, gewinnbringende Investition, mit neuen Erfahrungen kulinarischer Gaumenfreuden. Ob Dessert, Kaltschale oder Bouillon mag dahingestellt sein, der Flüssigkeitsanteil ist jedenfalls hoch.

Am Ende werden einige Begriffe noch geklärt, von der Algenbutter bis zu den Weichschalenkrabben, um dann mit einem ausführlichen Register das Kochbuch abzuschließen. Die Fotografien von Louis Laurent Grandadam sind eine wunderbare Bereicherung und spiegeln die Vielfältigkeit der Bouillon- bzw. Suppenküche bestens wider. Bouillon, das Kochbuch, lässt alte Erinnerungen wieder wach werden: bei Muttern, bei Oma, die dampfende Suppenschüssel am Mittagstisch. Aber auch ohne Nostalgie; jeder kann sein eigenes Süppchen, pardon, seine Bouillon kochen, mit Unterstützung von William Ledeuil.

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