Heute reisen wir nach SIZILIEN.
Wir reisen in den Süden und besuchen die größte Insel des Mittelmeeres – Sizilien. Dreiecksförmig, wie ein Propfen, fast die Stiefelspitze Italiens berührend, verengt sie den Abstand zwischen Europa und Nordafrika auf weniger als 200 km. Diese knappe Distanz zum europäischen Kontinent ist verlockend. Heute sind es Flüchtlinge, früher waren es punische und arabische Eroberer die vom Südufer des Mittelmeeres nach Sizilien aufbrachen. Die Spuren der Fremden sind noch zu erkennen, in der Architektur, in der Musik und vor allem im Essen. Vereinfacht gesagt: Im Westen der Insel sind es punische, später arabische Einflüsse, an der Ostküste griechisch-byzantinische und eine spanische Tradition, die auf die Vizekönige zurückgeht ist in der Mitte sichtbar. Auf diesen Einfluss von außen wird in der Einleitung hingewiesen. William Dello Russo, der Herausgeber von Echt Italienisch! Sizilianische Küche präzisiert sogar und lässt uns wissen, was die Griechen, Römer, Spanier, Normannen und Araber hinterließen, eben Oliven, Hartweizengries, Tomaten, Stockfisch, Reis, Zucker, Zitrusfrüchte, Mandeln u.a. Dementsprechend vielfältig ist die sizilianische Küche. Unter diesem Blickwinkel ist der Titel des Buches ein wenig irreführend, denn typisch italienisch ist hier nichts und jeder echte Sizilianer würde bei dieser Vereinnahmung, dass seine Küche typisch italienisch sei, aufschreien.
Zum Inhalt: Über, im wesentlichen zwei Zugänge – abgesehen von den Fotos auf die ich später noch zu sprechen komme – wird uns das kulinarische Sizilien präsentiert. Das sind zunächst die Produkte und Aromen die diese Insel prägen und dann die Rezepturen der Gerichte. Kurz und sachlich werden die regionalen Produkte beschrieben. Hervorgehoben sind lokale Sorten die es eben nur auf dieser Insel gibt, wie die wohl berühmteste sizilianische Blutorange mit ihrem einzigartigen mild-sauren Geschmack, die Tarocco. Andere Sorten sind die Sanguinello oder die Moro, sie schaffen es manchmal sogar in die Obstabteilungen unserer Lebensmittelgeschäfte. Einige typische Früchte und Produkte Siziliens wie die Pizzuta, eine Mandelsorte aus Avola, Pistazien aus Bronte, Kapern aus Pantelleria, Olivenöle und Käse wie den Caciocavallo oder Pecorino Siciliano werden mit Gütesiegeln geschützt. DOP und das in der EU verwendete IGP (indicazione geografica protetta, geschützte Herkunftsbezeichnung) verweisen auf die italienische Herkunft. Weitere typische sizilianische Produkte wie Thunfisch, Schwertfisch, Sardinen, Ricotta, Rindfleisch von der Rasse Modicana, und natürlich Süßes wie Schokolade und diverse Honige von Eukalyptus, Thymian, Orangen- und Zitronenblüten werden fast stichwortartig vorgestellt und einige am Ende, im Glossar, ausführlicher beschrieben. Diese auf vier Seiten beschränkte Warenkunde lässt erahnen welch kulinarisches Potenzial Sizilien birgt. Am Ende werden auch die Aromen dieser Insel beschrieben. In die Kurzbeschreibung der 13 vorgestellten Kräuter, von der Bergminze bis zur Zitronenverbene, wird auch auf die Anwendung in der Küche eingegangen. So wird für Ravioli mit Ricottafüllung gerne Majoran verwendet, Kapern eignen sich hervorragend für Salate, Fisch- und Fleischgerichte oder der wilde Fenchel passt besonders gut zu grünen Bohnen oder milden Käsesorten. Im Kapitel Nektar der Götter werden die wichtigsten sizilianischen Rot-, Weiß- und Dessertweine anschaulich beschrieben. In vielen Rezepten ob Vor- oder Hauptspeise gibt es eine entsprechende Weinempfehlung. Soweit also zum Rahmen dieses Kochbuches.
Der Hauptteil ist dann auch den 80 traditionellen und modernen sizilianischen Rezepten gewidmet. Auf über 200 Seiten werden Vorspeisen, Erster Gang, Fleischgerichte, Fischgerichte und Desserts anschaulich präsentiert. Neben Hinweisen auf Schwierigkeitsgrad, Mengenangaben für eine bestimmte Anzahl von Personen und Weintipps, sind den Rezepten gelegentlich nützliche und manchmal unnötige Hinweise beigefügt. So können Sie die Granita di caffè sofern Sie eine Eismaschine besitzen, dies auch mit selbiger zubereiten. Oder sollten Sie Thunfischfilets mit Sesamkruste zubereiten wollen, dann achten Sie bitte darauf, dass Sie das Thunfischfilet beim Fischhändler ihres Vertrauens kaufen. Diese Form der Entmündigung ist mit Verlaub schwer erträglich, hier hätte das Lektorat eingreifen müssen. Wenn auch der Tipp, wie man Thymianhonig selbst herstellen kann, für eine Nachspeise, die Sie unbedingt ausprobieren müssen, nämlich Ricotta mit Thyminanhonig, hervorragend ist. Schade ist auch, dass im Inhaltsverzeichnis die Rezepte nur auf deutsch und nicht im Originalnamen aufscheinen. So hätte ich das Nationalgericht, den Timballo fast übersehen, der im Verzeichnis als Nudel-Fleisch-Auflauf aufscheint.
Von den Vorspeisen habe ich Arancini al ragù, das sind Reisbällchen mit faschierter Füllung, und auch Pani cunzatu ausprobiert. Beides sind Gerichte, die einem auf Sizilien überall begegnen, und beide riefen Erinnerungen an meine Sizilienaufenthalte wach. Zugegeben die Zubereitung der Arancini in der vorgeschlagenen Pyramidenform war aufwändiger, als ich gedacht hatte. Aber der Genuss der Arancini entschädigte für alle Mühe. Ebenfalls typisch für Sizilien sind Gerichte mit Sardellen und Erbsen. Beide kommen in der Pasta ca‘ nnocca, einem Nudelgericht vor. Nudelliebhabern wird dieses Gericht auch eine neue Erfahrung bescheren, denn es werden Semmelbrösel darüber gestreut wie Parmesan hierzulande. Erbsen kommen auch in der Timballo, dem wohl berühmtesten Gericht Siziliens, vor. Diese gefüllte Pastete mit dem Duft der darin verborgenen Orangenschalen, sizilianischen Pfeffer, Rosmarin ließ der Dichter Lampedusa in dem Roman Der Leopard hochleben. Eine vereinfachte Rezeptur, ohne Teigmantel und nicht kegelig, also nicht dem Vulkan Ätna nachempfunden, ist im Kochbuch abgedruckt. Nachgekocht habe ich auch den Stockfisch auf Messiner Art, der mit seiner Kombination von Fisch mit Gemüse, Kapern, Pinienkerne und Rosinen, die Verschmelzung der Kulturen mehr als andeutet. Wie dieser Fisch zubereitet wird, verrate ich Ihnen später. Letztendlich versuchte ich die Cassata, eine Art Käsekuchen mit kandierten Früchten. Sie verzauberte mich mit dem ersten Bissen. Die farbenfrohe Dekoration erinnert mit den kräftigen roten und gelben Farben an die sizilianischen Eselskarren. Das schönste Kompliment, das man einem sizilianischen Mädchen machen kann, ist, ihr zu sagen, sie sei so schön wie eine Cassata.
Hervorragend ist die Bebilderung dieses Kochbuchs. Größtenteils sind es Essensaufnahmen, die das Wesentliche der Gerichte in den Mittelpunkt rücken. Dazwischen eingestreut sind Aufnahmen von Menschen, Landschaften, Skulpturen, jungen Mädchen in wehenden purpurnen Röcken, die schön die Vielseitigkeit und Unbeschwertheit Siziliens vermitteln.
Echt Italienisch! Sizilianische Küche ist ein guter Einstieg für all jene, die die sizilianische Küche nicht oder wenig gut kennen. Die Rezepte lassen sich gut nachkochen. Wer eine Reise vor- oder nachbereitet und dazu den Geschmack dieser Insel einfangen will, der findet darin genügend kulinarische Leckerbissen. Wer es noch ein Spur authentischer haben möchte, der verwende versuchsweise auch Orangen- und Zitrusfrüchte zum Würzen. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der sizilianischen Küche.