Alexander Herrmann, Geschmacksgeheimnisse

Rezepte | Techniken | Aromen

Mit Fotografien von Jan C. Brettschneider
Dorling Kindersley Verlag, München, 2016, 240 Seiten, 29.95 Euro
ISBN 978-3-8310-3151-1
Vorgekostet

Heute reisen wir nach DEUTSCHLAND

Ins Frankenland, um den Starkoch Alexander Herrmann zu treffen. Er gehört zu dieser jungen, selbstbewussten Generation von Köchen, die den Kontakt zum Publikum suchen. Als eine Rampensau könnte man ihn bezeichnen, der mit seinem fränkischen Zungenschlag und einem breiten Lächeln seine Fans in seinen Kochshows zu unterhalten weiß. Herrmann ist aber mehr als nur witzig und sympathisch, wie er sich selbst gerne beschreibt. Er ist energisch und clever in punkto Kochen, was er mit seinem Etablissments der Kulinarik beweist und mehr als einem halben Dutzend Kochbüchern. In Letzteren greift er ratschlagend Themen der Zeit auf, die sich der besseren oder gesünderen oder schnelleren Küche widmen. Sein aktuellstes Kochbuch erregt meine Aufmerksamkeit, auch wegen seines Titels. Geschmacksgeheimnisse, wer will diese nicht ergründen. Dreigeteilt ist der Zugang Herrmanns, die Geheimnisse der Gaumenfreuden zu lüften. Herausgekommen ist fast ein Handbuch, das sich der Techniken und Aromen samt Rezepten des Geschmacks annimmt. Erschienen ist es im Dorling Kindersley Verlag.

Im Vorwort gesteht der Autor, dass es dieses eigentlich nicht geben muss, aber zum Verstehen seiner zentralen Gedanken, wie ‚Geschmacksgeheimnisse‘ entstanden und aufgebaut ist, das Vorwort das geeignetste Vehikel ist, das zu erklären. Also: Es geht um das Gespür, selbst ausgefallene oder ambitioniert erscheinende Gerichte zuzubereiten. Gleichzeitig braucht man aber auch das Handwerkszeug, man muss wissen, was man tut, was möglich ist. Hier kommt nun der Geschmack ins Spiel. Und Herrmann behauptet, dass erst über dieses geschmackliche Warum sich Gefühl und Selbstbewusstsein entwickeln können. Um das Maximum an Geschmack und Wirkung herauszuholen, dafür sorgt eine Reihe von Basisrezepten, die dann durch die Preisgabe einiger Geheimnisse variiert und ergänzt werden.

Ein Beispiel: Pilze braten versus Gebratene Champignons. Erste Überraschung und ein gelüftetes Geheimnis ist, die Pilze werden zunächst ohne Fett angebraten. Der Effekt dabei, die Pilze rösten langsamer, dafür umso intensiver. Als perfekte Ergänzung, um den Geschmack zu steigern, bieten sich Zwiebel und Speck an, sie aromatisieren. Der Pilz saugt das Aroma von beiden Zutaten wie ein Schwamm auf. Am Schluss wird Petersilie zugegeben, fertig. Und dann, ganz wichtig: das Gericht vor dem Servieren noch 2-3 Minuten stehen lassen, damit sich die Duftnoten entfalten können. Dieses Grundgerüst des Pilzebratens kann auf andere Sorten übertragen werden. Herbsttrompeten, Morcheln und Pfifferlinge eignen sich dafür hervorragend. Und mit gehackten Mandeln oder Sherry oder Limetten ergänzt, gelingen kulinarische Leckerbissen, die selbst versierte Lukullus-Jünger überraschen.

Das hier skizzierte Prinzip lässt sich übrigens auf alle Kochbereiche anwenden.

In acht Kapiteln entfaltet der Autor seinen Ansatz. Einleitend streicht er die Bedeutung des Umami-Geschmacks und des japanischen Dashi heraus, die für die Aromenintensivierung sorgen. Aber auch das Anrichten ist für den Autor enorm wichtig, um das Gaumenkino auszureizen. Sieben Regeln stellt Herrmann bei, die Präsentation zu perfektionieren.

Zur Sache mit Rezepten geht es dann kapitelweise, als da sind: Salate, Gemüse, Fisch, Geflügel, Fleisch, Besonders wertvoll und zuguterletzt Schokolade. Anhand dieser Kategorien legt Herrmann seine Basisrezepte vor, um sie mit abwechslungsreichen Zutaten auszubauen. Er garantiert so optimale Geschmackserlebnisse. Ein Konzept, das besticht ob seiner Ideenvielfalt und Genusserlebnisse. Das Verhältnis zwischen Vegetarisch und Fisch / Geflügel / Fleisch liegt bei etwa eins zu zwei. Das besonders-wertvoll-Kapitel erweitert den Anteil von Fleisch in diesem Kochbuch, da es von der Zubereitung geschmacklich besonderer Stücke des Tieres handelt, wie der Leber, dem Bries und der Zunge vom Kalb, aber auch Geflügelherzen, Schweinekinn und Ochsenherzen. In der Abteilung Schokolade werden elf Rezepte vorgestellt die die Herzen jener, die dem Süßen mit hohem Kakaoanteil verfallen sind, schneller schlagen lassen. Meine Erwartungen wurden mit der Knusperschokolade voll erfüllt. Sie ist einfach zuzubereiten und kracht so richtig beim Zubeißen. Aber das überraschende war, dass auch meine Enkel auf die Zartbitter-Nougat-Mischung abfuhren.

Mein persönliches Highlight ist aber ein Gericht, das eigentlich eine Nebensache ist. Das Selleriepüree, eine Beilage, avancierte zum Hauptgericht, dem ich versuchsweise Gemüse, Saucen und anderes beiseite stellte. Das Püree, mit seiner sämigen Konsistenz und auch wegen des blassen aber interessanten Farbtons, ist einfach eine Wucht. Natürlich habe ich auch einige Freunde mit dem Selleriepüree überrascht. Das Püree als Beilage zum Roastbeef-Steak mit Rosmarinbutter serviert, hat ihnen ausgezeichnet gemundet.

Mit dem Geflämmten Heilbutt mit Supercrunch-Bröseln lernte ich die Bunsenbrenner-Methode schätzen. Unkompliziert und schnell kam der Fisch auf den Tisch und verströmte wunderbare Röst-Aromen.

Müsste ich Alexander Herrmanns Kochstil auf einen gemeinsamen Nenner bringen, dann wohl den, dass die Einfachheit auch sehr komplex ist. Aber keine Angst, mit den richtigen Techniken und Ideen von Aromen, die Herrmann vermittelt, sollte es klappen.

In Geschmacksgeheimnisse gibt der Autor auch Antworten auf einige kulinarische Fragezeichen. Etwa, dass die einfache Dashi-Brühe besonders wirkungsvoll ist und für einen akzentuierten Umami-Geschmack sorgt. Alexanders Tipp, der italienischen Minestrone Parmesanrinden zuzugeben, habe ich sofort ausprobiert, um dann über den ausgereiften, starken Geschmackseindruck nur noch zu staunen. Hier kommt der Dashi-Effekt voll zur Geltung.

Geschmacksgeheimnisse ist inhaltlich sehr gut strukturiert und informativ, mit ergänzenden großformatigen Fotos, die die Speisen plastisch hervorheben. Herrmann legt den Fokus stärker auf das Handwerk Kochen und versucht so den Blick der Köchinnen und Köche, die es benutzen, auf das Wesentliche zu lenken. Man muss aber dafür auch Lesen. Und dann fällt auf, dass des Franken Rezepte recht umfangreich an Zutaten sind und manche gar nicht so leicht zu bekommen. Hier ist dann die Phantasie für Beschaffung oder für Ersatz gefordert. Aber schon beim Durchblättern kommt wieder Freude auf, wie auch bei den ersten Duftschwaden etwa der geschmorten Kalbsbäckchen, die sich in der Küche aufbauen. Herrmanns Geschmacksgeheimnisse hat das Potenzial eines Standardwerks, weshalb auch meine Ausgabe schon leicht abgegriffen vom vielen Nachschlagen ist.