Tilman Sluga, Das österreichische Ei Kochbuch

Verlag Anton Pustet, Salzburg, 2022, 224 Seiten, 22.-- Euro
ISBN 978-3-7025-1048-0
Vorgekostet

Heute reisen wir um die WELT.

Nicht um Unbekanntes zu entdecken, nein, eher geht es hier um einen Entdecker und eine Anekdote über eine Redensart, die ihn betraf. Das Ei des Kolumbus ist die verblüffend einfache Lösung eines unlösbar scheinenden Problems. Die Geschichte geht so: Dem Genuesen wurde bei einem Essen bei Kardinal Mendoza vorgehalten, dass es ein Leichtes gewesen sei, die Neue Welt zu entdecken. Daraufhin verlangte er ein gekochtes Ei und von den Anwesenden, das Ei auf die Spitze zu stellen, was niemandem gelang. Kolumbus schlug sein Ei mit der Spitze auf den Tisch und das eingedrückte Ei stand. In einer südamerikanischen Version stellte der Seefahrer sein Ei in aufgehäuftes Salz. Egal welche Version auch immer richtig sein mag, entscheidend ist, was er mit dem Ei getan hat. Und hier kommt nun ein gewagter Sprung. Die Rede ist nicht mehr vom Ei des Kolumbus, sondern von dem universellen Ei, dem vielleicht wichtigsten und vielseitigsten Nahrungsmittel in der Küche. Der Eggsperte Taliman Sluga versammelt in seinem neuesten Kochbuch ausschließlich Rezepte, in welchen das Ei die Hauptrolle spielt. Das österreichische Ei Kochbuch, so der Titel, ist im Verlag Anton Pustet herausgekommen.

Sluga gliedert sein Ei-Werk in zwei Hauptteile. Ausführlich umkreist der Autor zunächst alles, was mit Ei in Verbindung gebracht werden kann. Da steht die Biologie im Vordergrund: Vom Entstehen bis zum Legen, von Hühnerrassen, Eilegenden Tieren generell erfährt man, von den Inhaltsstoffen wie auch von den sozialgesellschaftlichen Aspekten dieser runden Sache. Sluga lässt Schöpfungsmythen auferstehen, weist genauso auf lebendiges Brauchtum hin wie auf die Größenunterschiede der ‚geschissenen Gottesgaben‘. Auf einem Foto sind Eier verschiedenster Vögel versammelt und da wird deutlich wie riesig das Straußenei ist im Vergleich zum winzigen Wachtelei. In einem kurzen kulturgeschichtlichen Abriss geht der Autor vor allem auf mythologische und religiöse Aspekte ein, sowie dem Ei in der Literatur, im Film, in Kunst und Design. Es ist erstaunlich, wie viel Wissen rund ums Ei hier gebündelt ist.

In einem zweiten Abschnitt dreht sich dann alles um das Ei in der Küche. Dabei geht es ihm zunächst darum, eine Übersicht zu verschaffen. Welche Funktionen hat das Ei in der Küche? Wie ist es um seine Lagerbarkeit, seine Haltbarkeit, die Hygiene bestellt? Fragen, die Sluga kurz und bündig beantwortet, um dann zu den Rezepten überzugehen. Am Anfang des Rezeptteils werden die Basics vorgestellt. Vorrangig handelt es sich um Temperaturen und Kochzeiten, aber auch die Grundrezepte von Eierspeise also Rührei, Pochierte Eier, Spiegeleier und Omelett. Ein sehr schönes Foto von geköpften Eiern in einer Eierschachtel demonstriert die Konsistenz unterschiedlich lang gekochter Eier, von roh bis hart. Überhaupt ist die Bildauswahl lobenswert.

Der Hauptteil dieses österreichischen Ei Kochbuches widmet sich dann den Rezepten. Generell sind es einfache, leicht nach zu kochende Gerichte, die vorgestellt werden. Der Schwerpunkt liegt auf Europa mit Ausflügen nach Lateinamerika und Asien. Arroz a la Cubana demonstriert die Exotik, nämlich Ei mit Reis und Banane zu vereinen, ein Gericht, das unsere Großmüttergeneration wahrscheinlich nie gekocht hätte. Und mit Japanisches Chawanmushi tun sich vielleicht viele unserer Generation schwer. Der Eierstich mit Sojasoße ist soweit weg von der europäischen Kochtradition, dass Slugas Vorstoß hier vielleicht eine Lanze bricht für die japanische Küche. Dass die Bonitoflocken für das klassische Dashi, einem japanischen Fischsud, mit einem Thunfisch zu tun haben, hätte der Autor erklären können. Überhaupt sind alle Rezepte auf das Wesentliche reduziert, eine reine Sammlung. Gelegentlich gibt es Tipps, bspw. werden geübte Köche aufgefordert die Scotch Eggs, eingedeutscht Schottische Eier, auch mit pochierten oder wachsweichen Eiern zu versuchen. Ansonsten fehlen Vergleiche mit anderen Köch:innen oder Kochschulen. Schade also, dass der Autor uns nicht mehr an seinem Wissen und seinen Erfahrungen teilhaben lässt und bspw. Variationen von Omelettzubereitungen präsentiert. Klassisch werden Eier mit etwas Milch verquirlt und mit Butter in der Pfanne langsam ausgebacken. Michel Troisgros, einer der besten Köche Frankreichs, hat seit über 20 Jahren ein Omelett auf der Karte stehen, und wann immer er es von der Karte des Central streichen wollte, haben die Gäste protestiert. Nun, dieses Omelett besteht aus 6 Eiern, 60 g Mehl, 400 ml Milch, Salz sowie 60 g Butter. Serviert werden meist zwei übereinander gestapelte Omeletts, mit einer Zwischenschicht Fourme d’Ambert, das ist ein Blauschimmelkäse aus der Auvergne. Probieren Sie es aus und vergleichen Sie.

Nachgekocht habe ich das Fischerfrühstück mit Spiegeleiern, dazu einen Shanti von fishermans friend aufgelegt. Die gerösteten Kartoffeln mit Krabben ergänzt hat allen meinen Gästen gemundet. Den strammen Max habe ich lange nicht mehr zubereitet, sondern erst beim Durchblättern des Büchleins bin ich wieder auf ihn gestoßen. Ein Fingerzeig, der beim Besuch meiner Enkel Taten folgen ließ. Ihre dotterverschmierten Gesichter wurden sofort fotografisch festgehalten und der restlichen Verwandtschaft mitgeteilt. Griechenlandurlauber kennen die Eiersuppe mit Zitronen, die köstliche Avgolemono, die hier mit Gänseblümchen auf gut Österreichisch getrimmt wird. Ein Rezept hat mir besonders gut gefallen. Käferbohnen-Shakshuka à la Steirerkraft mag manchen zunächst an den Steirerbua Arnold Schwarzenegger denken lassen und erst in zweiter Linie der Frage nachgehen, was haben Israel bzw. Palästina mit der Steiermark gemeinsam? Nichts, außer dass das Rezept israelisch-palästinensischen Ursprungs ist, das mit steirischen Köstlichkeiten, nämlichen Käferbohnen und Kürbiskernen, angereichert wird.

Die Vanillecreme war natürlich auch eine Pflichtübung und ein sehr freudig aufgenommener Nachtisch für meine Enkel. Die Zuckermenge wurde etwas reduziert und die 10 Eidotter auf 1 Liter Milch nahm ich mit stoischer, italienischer Gelassenheit hin, im Wissen, wie gut die eilastigen Cremas des Süden schmecken.

Das österreichische Ei Kochbuch von Tilman Sluga ist ein handliches Büchlein im Postkartenformat, das sehr viele alltagstaugliche Rezeptideen enthält. Warum das Österreichische betont wird, nachdem die Rezepte international sind, ist mir nicht klar.

Jedenfalls werde ich das Büchlein immer wieder aufschlagen, wenn ich auf der Suche nach einem einfachen Eiergericht bin, das schnell umzusetzen ist.