Heute reisen wir nach SALZBURG.
Im M32, einem Szenetreff dieser Stadt, wurde kürzlich ein Kochbuch präsentiert. Sepp, was machst du? ist wohl eine alltägliche Frage, der Name beliebig austauschbar, aber als Buchtitel eher ungewöhnlich. Dabei hat bei Sepp alles seinen Sinn. Hinter Sepp steckt nämlich Sepp Schellhorn, ein umtriebiger Gastronom und Influenzer hätte ich fast gesagt, der mit seinen gleichnamigen Kochvideos in der Social-Media-Szene rockt und begeistert. Natürlich gehört das M32 der Schellhorn GmbH und natürlich kennen viele Österreicher Sepp den Koch wie auch den Politiker, der zum zweiten Mal für die Neos im österreichischen Nationalrat sitzt. Ein viel beschäftigter Mann. Dabei ist seine Karriere nicht unbedingt geradlinig verlaufen. Aufgewachsen im Seehof, das ein altmodisches Wirtshaus im Gewand eines modernen Restaurants ist, wie Christian Seiler anmerkte. Sepp absolvierte die Hotelfachschule, die er mit zwei Fleck (‚Nicht genügend‘), einen in Stenografie und einen in Kochen, abschloss. Ein Praktikum bei Ingrid Häupl, die ein bekanntes Restaurant am Attersee führte, revertierte bei Sepp den Verweigerungsmodus, sodass Kochen und seine Art zu Denken synchron geschaltet, nun funktionierte. Die Nachprüfungen schaffte er problemlos. Eine Wanderphase folgte mit Küchenstationen in Italien, in den USA und bei Jörg Wörther, wo er wohl lernte, aus dem Einfachen das Geniale zu entwickeln. Zurück am Seehof, übernimmt er diesen und kocht nach seinen Vorstellungen, was ihm zwei Hauben einbringt, die er aber gleich wieder verliert. Ein Wendepunkt und wieder mit beiden Beinen im Leben stehend, besinnt er sich auf die traditionelle Küche seiner Mutter, die er mit einem Schuss Mittelmeer-Flair anreichert. Gute Kulinarik oder Mediterran mit Bodenhaftung, wie Schellhorn sich versteht.
Sepp, was machst du? ist auch ein Kind der Corona-Pandemie und wurde mit Freunden nach einigen Bieren und viel Palavern aus der Taufe gehoben. Die Idee, Kochen als Transmissionsriemen zu verstehen oder, wie Sepp es ausdrückt: Kochen macht nicht nur sexy, Kochen macht auch Sinn, und jeder kann es … führte schlussendlich zu diesem Kochbuch.
In sechs Kapiteln offeriert Schellhorn seine alltagstauglichen Schmankerln. Das beginnt mit Suppen & Kleinigkeiten, dem Knödel, Pasta & Co. folgen. Das wiederum von einem eigenen Gemüse-Kapitel abgelöst wird. In der Klassiker-Abteilung angelangt, stoßen wir dann auf Wiener Schnitzel, Krautfleckerl „Tante Jolesch“, Reisfleisch, aber auch Saltimbocca. Die deftige Küche hinter uns lassend setzen wir mit Süßspeisen fort, die schlussendlich von Meine Basic-ReSEPPte abgelöst werden, was dem Autor auch eine gewisse Portion Schalk attestiert. Eine gute Brühe, Saucen und ein paar gute Drinks gehören zu meiner Küche dazu – macht überhaupt erst das Kochen vollständig, werfe ich ein. Und wenn Sepp sich einen Averna Sour genehmigt – wohlgemerkt: Es gibt wirklich nur einen Averna Sour auf dieser Welt. Und das ist meiner. – dann ist er mit sich und dem Salzburger Land im Reinen und seine Selbstherrlichkeit komplett.
Von den 90 ReSEPPten sind viele aus der Alltagsküche entlehnt, also bekannt, wenn auch meist mit einem winzigen Quantum Schellhornscher Prägung. Das heißt, Sepp hat sie leicht verändert, was ihnen einen gewissen Kick gibt.
Was noch dazu kommt, ist der familiäre Zug, der in Schellhorns Ausführungen spür- und sichtbar ist. Mit der Tochter verbindet ihn das Thunfisch-Sandwich ‚Ska‘. Im Burrata-Sandwich Pane Freddo Pazzo, was verrücktes kaltes Brot heißt, stecken Erinnerungen an Italien und der Hauch von Dolce Vita. Den Burrata hat ihm doch der Küchengott geschenkt, diese herrliche Kugel von so zarter Geschmeidigkeit, gefüllt mit Käse und dicker Buttersahne, um damit dies besondere Sandwich zu kreieren.
Das Carpaccio vom Rind ist allen Italienaffinen bekannt. Aber den Schmäh, das Filet frisch mit dem Messer runterschneiden und mit einem Klopfer plattieren, stammt von Signore Cipriani aus Harry’s Bar in Venedig. Er kennt überhaupt das beste Rezept: Es gelingt das beste Rezept nicht, wenn du die Gäste nicht liebst, für die du kochst … Aber Sepp liebt seine Gäste, vor allem die Einzelgäste, die konzentrieren sich nämlich auf sein Essen.
Am Blumenkohl kommt natürlich niemand vorbei. Denn der Karfiol, um in Sepps Sprache zu bleiben, ist seine Leidenschaft, die er sich auch als allerletzte Mahlzeit wünschen würde. Mein liebster Karfiol wird mit Bröseln, gehacktem Ei und Kapern garniert. Um zwei Zutaten erweitert und schon bekommt der Klassiker ein neues Aromenprofil. Spät aber nicht zu spät kündigt die Brennnesselspinat-Rahmsuppe den Frühlingsboten an. Sepps Mutter Karola verkündete dabei immer: Jetzt essen wir einen Teller Gesundheit. Bleibt die Brennnesselsuppe relativ blass, erstrahlt die Karotten-Ingwer-Suppe umso mehr in kräftigem Gelb. Meine Enkelin Nika liebt sie schon deswegen und fordert sie bei jedem Besuch ein, weil sie ihr auch gut schmeckt.
Ein Mitbringsel aus der Toskana ist die Ribolitta, eine Gemüse-Wintersuppe und ein unverzichtbarer Bestandteil darin der Cavolo Nero. Manche Köche behaupten, dass unbedingt drei Kohlsorten zu verwenden sind. Sepp begnügt sich mit Wirsing und Schwarzkohl und man staunt, wie sehr sie sich geschmacklich unterscheiden – mild trifft auf deftig. Und wahrscheinlich ersetzt Sepp den dritten Kreuzblütler mit dem robusten Mangold. Traditionell lässt man die Ribolitta über Nacht stehen und gibt toskanisches Brot, das ungesalzen ist, hinein und kocht sie nochmals auf.
Kapitel zwei ködert mit einer Flut an Knödeln. Aber warum springen mir sofort die Brennnesselspinat-Kaspressknödel in Pilzconsommé ins Auge? Einerseits weil Kaspressknödel Suchtcharakter haben, andererseits das vor allem wegen der Brennnesseln, die man stärker ins kulinarische Rampenlicht stellen müsste. Fehlen nur mehr die Rezepte für Brennnessel-Nockerln und Brennnesselstrudel, die kommen dann vielleicht ins nächste Schellhorn-Kochbuch.
Weniger bekannt bei uns sind Arancini. Sie sind nicht wirklich rund, sondern eher kleine Pyramiden, die in jeder sizilianischen Bar nur darauf warten, bestellt zu werden. Bei Sepp ist es ein Resteessen, werden übrig gebliebene Risotti sinnvoll verwertet. Bei mir geht das nicht, denn es bleibt nie was von meinen Risotti übrig. Deshalb knüpfte ich mir die Rote-Bete-Knödel vor. Nach einem holprigen Start, die erste Knödelserie löste sich im Salzwasser fast auf, weil ich ihnen wohl zu wenig Rastzeit gönnte, gelang der zweite Schwung an Knödeln hervorragend. Die rohen Knödel wurden nochmals gedrückt, erhielten vor dem Wassern mehr Ruhe und das Ergebnis, kleine rot gesprenkelte Tennisbällchen, schmeckte allen. Übrigens ist dieses Rezept mit einer Fotostrecke erweitert, wie auch die Lachsforelle im Zeitungspapier und einige andere.
Mit Krautstrudel und anderen regionalen Gerichten bewegt sich Schellhorn sicher auf heimatlichem Küchenboden. Und mit Spaghetti Carbonara und anderen mediterranen Speisen lässt er seine Wahlheimat Italien hochleben. Mit Sepp, was machst du? hofiert der Autor eine bodenständige Küche dies- und jenseits des Brenner-Passes. Wobei auch ein Schuss Mediterranes nicht fehlen darf und mit Spaghetti Vongole riecht man die Weite des Meers. Bei diesem Rezept kommt auch der Romantiker in ihm zum Vorschein, denn: Nur wer Schmetterlingen zuhören kann, der weiß, wie Wolken riechen … So ungefähr schmecken Vongole, behauptet Sepp.
Im Gemüse-Kapitel, das mit einer großen Drei eröffnet wird, überraschen Lauch-Nori und die Falsche Ente. Ersteres ist ein Ausflug nach Asien, aber nur scheinbar, denn statt dem Reis wird Lauch aus dem Garten mit Tang ummantelt. Und die Falsche Ente ist zwar keine Zeitungsente, sondern ein kleiner Scherz, den sich Sepp mit uns erlaubt, weil hier Fleischersatz, nämlich Knollensellerie, zum Einsatz kommt.
Auch im folgenden Kapitel der Klassiker halten wir uns nicht lange auf. Erwähnt werden müssen die Schinkenfleckerl, einmal à la Schellhorn und dann die Variante nach Reinhard Gerer, einem bedeutenden Koch Österreichs. Auch die Krautfleckerl „Tante Jolesch“ fallen in die Kategorie erwähnenswert. Davon sollten Sie immer weniger machen als die vorgegebene Menge, denn nur so bleiben die Krautfleckerl in Erinnerung als wahnsinnig gut aber zu wenig. Hier ist das Gericht effektvoll designed, denn das Auge isst mit.
Kein Schmarrn ist der Kaiserschmarren, der als Süßspeise gelistet noch vor den Salzburger Nockerln gereiht ist. Interessanterweise werden Eigelb und Eiweiß nicht getrennt, weil, so Sepp, geschlagenes Eiweiß macht den Kaiserschmarren trocken. Und flugs wird Schlagobers beigefügt … Nachdem ich den Kaiserschmarren mit Zwetschgenröster oder Apfelmus esse, erübrigt sich diese Diskussion. Auf Alt-Österreichischem Terrain mit regionalen Ausprägungen bewegen wir uns im Dessert-Kapitel zwischen Zwetschkenprofesen, Marillenknödeln und Birnen-Topfen-Strudel. Letzteren buk ich für meine Chorrunde und wurde wegen der Saftigkeit des Backwerks sehr gelobt, wie auch, dass ich keine Dosenbirnen verwendete.
In der Rubrik Meine Basic-ReSEPPte findet sich auch Sepps Henkersmahlzeit. Der Karfiol im Ganzen muss mindestens fünf Mal mit einem Gemisch aus Soja-, Teriyakisoße und Sesamöl eingepinselt werden, damit er eine schöne würzige Kruste bekommt. Erst dann ist er auch der ultimativ letzte Kandidat vor einer Vollstreckung, die wohl nie geschehen wird. So gilt weiterhin sein Wahlspruch: Kochen ist sexy.
Mit Sepp, was machst du? präsentiert er eine überwiegend alpine regionale Küche mit böhmischen Anleihen und vielen mediterran angehauchten Gerichten samt Geschichten. Dazu kommen als i-Tüpfchen die kulinarischen Interpretationsideen, die einem Haubenkoch in den Sinn kommen, wenn er Banales wie Kaiserschmarren, eine Forelle im Backpapier den Krautstrudel u.a. zubereitet. Seine SEPPtakulären Rezepte sind beispielgebend für eine unkomplizierte Küche, die Freude bereitet – beim Kochen und beim Essen.
Am Schluss bleibt mir nur die Frage: Sepp, woher nimmst du dir die Zeit für alle deine Aktivitäten? Sie wird wohl unbeantwortet bleiben.