Heute beschäftigen wir uns mit WURZELGEMÜSE.
Zusammen mit der Dänin Marie Klee, denn sie liebt Karotten. Mindestens eine Karotte verzehrt sie am Tag in der einen oder anderen Form. Das heißt, entweder als Rohkost oder in eine Sauce gerieben oder in einen Salat geschnitten oder im Ofen mit anderem Wurzelgemüse gebacken. Karotten sind für Marie eine tägliche Herausforderung. Na klar, betreibt sie doch mit einigen gleichgesinnten ernährungsbewussten Skandinavierinnen eine Gesundheitsplattform im Internet. Auf Carrotstick.dk werden vor allem Rezepte unters dänische Volk gebracht. Ein Zehntel der dort veröffentlichten Karottenstift-Rezepte hat Marie mit ihren Mädels nun in Buchform herausgegeben. Das Kochbuch Karotten ist eine Huldigung an eine 5000 Jahre alte Wurzel, die wir eigentlich alle kennen, ohne sie aber wirklich zu kennen, wie Marie in der Einleitung eröffnet. Das karottenfarbene Vorsatzpapier stimmt uns unbewusst auf ein knackiges, frisches und vielseitiges Gemüse ein, das viele Namen hat: Möhre, Gelbe Rübe, Rüebli, um ein paar zu nennen. Älteste Berichte von ihr stammen aus dem heutigen Afghanistan. Es sollte aber bis ins 13. Jahrhundert dauern, bis sie nach Südeuropa kam, was insofern erstaunt, da über die Seidenstraße schon einige Jahrhunderte reger Warenaustausch stattfand. Und es dauerte noch einmal einhundert Jahre, bis die Karotte im restlichen Europa ankam. Marie Klee trägt einige interessante Fakten in ihrem Einleitungskapitel zusammen. Nach einem kurzen Abriss zur Geschichte der Karotte, leitet sie über zu Gartentechnisches wie Karottensorten, Anbau und Saison. Naheliegend aber viel zu wenig beachtet ist die Tatsache, dass Karotten, wenn sie in verschiedenen Böden angebaut werden, auch unterschiedlich schmecken. Weiters geht die Autorin auf den Nährstoffgehalt ein wie auch der Frage nach: Können Karotten den Darmkrebs verhindern? Natürlich darf auch das Thema Schönheit nicht fehlen und so ist die erste Rezeptur eine hautreinigende und – kräftigende Karottenmaske. In weiterer Folge geht es noch um praktische Hinweise, wie Lagerung und Verwendung, Schneidetechniken, Aroma und Textur. Ein guter Tipp: Karotten nicht zusammen mit Äpfeln lagern, das kann ihr Aroma bitter machen. Sehr gut ist der Hinweis, dass die unterschiedlichen Schneidetechniken bzw. -größen aber auch Raspelgrößen unterschiedlich starken Einfluss auf den Geschmack haben. Darauf sollte man achten, speziell wer Karotten roh isst.
Im Weiteren verrät Marie ein paar simple Zutaten, die der Basisküche erst den ‚Karottenkick‘ verleiht. Und meint damit in erster Linie Karottensaft und -sirup. Das Einleitungskapitel ist weitschweifig und lässt staunen über die vielen thematischen Zusammenhänge, die es mit Karotte gibt. Nur die Biologie schwächelt ein wenig. So unterscheidet sie zwischen östlichen und westlichen Karotten, was allerdings in der Praxis m.E. überhaupt keine Auswirkungen hat. Zudem konzentriert sich die Autorin vor allem auf die Karotte, die heute überwiegend angeboten wird. Also eine orangefarbige, die sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts bei den Züchtern durchgesetzt hat. Das ist die Karotte, die in allen Rezepten dieses Buches zum Einsatz kommt. Biokarotten fehlen völlig und damit auch die Auswahl an Sorten von ‚Bolero‘ über ‚Riesen von Colmar‘ bis zu ‚White Satin‘ oder jene kuriosen Sorten wie bspw. die apulische ‚Carota di Polignano‘, die wegen der Berieselung mit salzigem Wasser einen speziell guten Geschmack bekommt.
Nach der sehr ausführlichen Einleitung folgen die Rezepte, die auf sechs Kapitel verteilt sind. Marie und ihr Team konzentrieren sich dabei auf sechs Schwerpunkte: Frühstück, Hauptgerichte, Beilagen, Desserts, Getränke und Brot. Abseits von den üblichen Verwendungs- und Zubereitungsarten finden sich hier zahlreiche Rezepturen mit Karotte, die ihre Vielseitigkeit hervorheben. Ob Karottenmarmelade, Karotten-Lasagne, Karottensirup, Popcorn mit Karotten und Lakritz oder Glutenfreies Skyrbrötchen mit Karotten, dieses Wurzelgemüse entpuppt sich als Tausendsassa. Scheut auch nicht vor exotischen Verbindungen zurück, wie das Karotteneis mit weißer Schokolade und Pistazien beweist.
Als Erstes nachgebaut wurde die Karottenmarmelade. Während bei uns für die Marmeladenherstellung meist Gelierzucker verwendet wird, kommt in Skandinavien vielfach normaler Zucker plus Pektin und ein Konservierungsmittel zum Einsatz. In diesem Fall ist es Natriumbenzoat oder E 211, auf das man verzichten kann, wenn man richtig sterilisiert. Die Marmelade bekommt durch die Orange eine feine säuerliche Note, avanciert so zu einem feinen Brotaufstrich. Maries Empfehlung: Ein leckeres Käsebrot kann mit dieser süßen, vanille-getüpfelten Karottenmarmelade noch besser werden. Das funktioniert, und wer bei dieser Vermengung an Geschmacksverwirrung denkt, der sollte es einfach mal ausprobieren. Von den Hauptgerichten waren gleich mehrere favorisiert. Karottenpattys mit Süßkartoffeln und Kräutern siegten hauchdünn vor der Karotten-Lasagna. Die K-Pattys sehen den Döner Kebabs äußerlich zwar ähnlich, nur die Farbe und das, was drinnen ist, unterscheidet sie völlig. Die in kegelig geformten Pitabroten servierten Pattys sind äußerst schmackhaft und sättigend. Die Mazarintorte aus der Dessert-Abteilung ist eine Annäherung an Schweden. Es gibt unzählige Varianten der Mazarintorte, welche mit Holunderblütencreme, mit frischen Beeren, mit Mandelglasur und mit Vanillecreme, neu, mir jedenfalls neu ist dieses erfrischende Rezept mit dem kaum noch Flüssigkeit enthaltenden leicht säuerlichen Karottenkompott. Mazarin besteht aus einem Mürbteig mit einer Füllung aus Marzipan und darüber einer Zuckerglasur. Marie Klee weicht mit ihrem Rezept vom Klassiker ab. Das Marzipan verarbeitet sie in den Teigboden und die Füllung aus Mascarpone wird mit Pistazienkerne verfeinert. Es entsteht eine Schichttorte, die einer überdimensionierten Milchschnitte nahe kommt. Julius Mazarin, der Kardinal, nach dem diese Torte benannt ist, hätte sicher mit größtem Vergnügen diese dänische Variante gekostet.
Mehr als erwähnenswert finde ich auch die zwei Brotrezepte, die ein wenig Abwechslung in unsere Brotkultur bringen. Die glutenfreien Skyrbrötchen mit Karotten profitieren von den Gegensätzen zwischen dem leicht süßlichen Karottengeschmack und dem leicht säuerlichen Skyr-Aroma, das an eine Mischung aus Topfen und Joghurt erinnert. Skyr ist eine islandische Art Dickmilch bzw. Sauermilch und kann durch Topfen, d.h. Quark oder Frischkäse ersetzt werden. Die tennisballähnlichen Brötchen schmecken Jung und Alt. Ganz anders gibt sich das glutenfreie Fladenbrot mit Karotten. Es ähnelt einem dunklen Knäckebrot, sollte aber weich sein nach dem Backen. Es ist gesund, nahrhaft und eignet sich bestens als Jausenbrot für Wanderungen. Einfach ausprobieren!
Karotten von Marie Klee offenbart Rezepte, die nicht in jedem Kochbuch vorkommen. Es enthält Anleitungen, die Staunen machen, was alles mit Karotten an kulinarischen Feinheiten in der Küche produziert werden kann. Ob mit wenig Flüssigkeit gegart, gebraten, mit Wein abgelöscht, im Ofen geschmort, in Suppen, Saucen und Eintöpfen mit gekocht – Karotten sind immer noch für eine Überraschung gut.
Für Alice Waters können Karotten die Welt verändern und sie ruft auf: legt alle einen Gemüsegarten an. Essen ist für Alice auch Politik, und mit Verstand zu essen, zu kochen und Gemüse anzubauen, gehört zu den wichtigsten Dingen. Wie die Möhre oder Gelbe Rübe sich in der Küche behaupten kann, vermittel Marie Klee mit ihren Rezepten für Süßes und Herzhaftes aus Karotten.