Heute geht es um die KNÖDEL, den KNÖDEL.
Urtümlich tirolerisch, altbewährt und kompromisslos, so sieht sich die Knoedel-Formation von acht MusikerInnen, die eigentlich nichts mit dem Knödel an sich am Hut hat, höchstens einen Toast in Form der Knödelpolka einbringt. Knödel-Puristen mögen im Landler, dem Quertanz oder dem Jodeling vielleicht noch einen versteckten Gedanken an den Knödel vermuten, aber das einzige, was noch vergleichbar ist, ist das Rund der CD und damit hat’s sich. Rund und damit perfekt in seiner Form ist der Knödel seit urdenklichen Zeiten eine Mahlzeit, die mit wenigen Zutaten auskommt. In Oberösterreich, wo früher recht sparsam mit den Lebensmitteln umgegangen wurde, spielt der Knödel eine wichtige Rolle. Auch bei Magdalena Wieser, in der Bibliothek des oberösterreichischen Landesmuseums tätig, die sich nicht aus Jux und Tollerei über 100 handschriftliche Kochbücher vornahm und auf Knödelrezepte prüfte. Keine leichte Kost, weil das Lesen die Beherrschung der Kurrentschrift voraussetzt. Jedenfalls wurde hier unvorhergesehen ein kleiner Schatz sichtbar, der in weiterer Folge die Expertise einer Sachkundigen und Kennerin der Kochbuchszene einforderte. Katharina Seiser, die, profiliert und spezialisiert auf vielerlei Rundes wie Orangen bspw., erkannte sofort das Potenzial der Rezeptbüchlein und der Knödelrezepturen aus vier Jahrhunderten. Eine Idee, noch in den Startschuhen, nahm Fahrt auf. Jetzt galt es den praktischen Teil abzudecken. Gemeinsam suchten Magdalena und Katharina die ideale Knödeldreherin und fanden mit Elisabeth Grabmer die Dritte im Bunde des Knödelprojektes. Den nächsten Schritt stelle ich mir als erste große Herausforderung vor, selektieren und übersetzen war angesagt, denn die Schreiben aus früheren Zeiten waren mitunter sehr rätselhaft formuliert. Ayr mit Eier zu übersetzen ist noch einfach, aber was ist Arbes oder Libra? Arbes steht für Erbsen und Libra für das Pfund, eine Maßeinheit. Nun, die Hürden wurden gemeistert, aus 27 Kochbuch-Handschriften wurden 39 überarbeitete Knödelvariationen herausgedreht. Dazu gesellten sich noch einige spezielle Kreationen wie der Bruckner-Knödel, der anlässlich des Bruckner-Jahres erfunden wurde, oder der Innviertler Knödel, ein recht kleiner Knödel mit hauchdünnem Teig. Die Innviertler Knödel-Dreifaltigkeit besteht entweder aus Schweinsfaschiertem oder Grammeln oder glasigem Bauchspeck. Gerti Fuchs, die ehemalige Köchin vom Gasthaus Moar Sepp, verriet dem Kochbuchteam, wie sie gemacht werden.
Es ist das Knödel-Wissen vieler Frauen, von früher und heute, das zusammengetragen und einverleibt wurde im Knödelreich. Das gleichnamige Kochbuch ist im Brandstätter Verlag erschienen.
Wie die Autorenschaft, dreiteilig, sind auch die Hauptkapitel nach Knödelgeschichte (Magdalena Wieser), Rund um den Knödel (Katharina Seiser) und Rezepte (Elisabeth Grabmer) geordnet. Der geschichtliche Teil ist wissenschaftlich fundiert mit rund 300 Anmerkungen, kommt so einer Diplomarbeit gleich zur Freude aller, die wissen wollen, wie der Knödel es in die Küche schaffte. Im zweiten Abschnitt geht es um Pragmatisches. Warenkunde, Tipps und Tricks sind angesagt, die zum Gelingen des perfekten Knödels beitragen. Die farbige Hervorhebung der verschiedenen Begriffe, ob Zutaten, Werkzeuge als auch Handgriffe finde ich sehr gelungen, sie verkürzen langes Suchen. Und die theoretische Kurzfassung des Knödelmachens, – quasi ein Lehrpfad – vom Teig bis zum Formen und Garen, bietet den idealen Einstieg in den Rezeptteil, der wiederum in 13 Unterkapitel gegliedert ist.
Nun wird es wirklich spannend, denn jetzt muss sich zeigen, ob es noch Knödelschätze zu heben gibt oder eh alles bekannt ist. In der Fleischknödelabteilung fällt als Erstes der Hendlknödel in der Hendlsuppe auf, der sich schön gelb und saftig präsentiert, wohl wegen der eingebrachten Eierspeise, vermuten die Köchinnen. Man nimmt von einer alten Henne das Brät, macht von zwei Eiern Eierspeise, heißt es im Original. Der Wellische Knödel mit Karotten und Reis erinnert mich an die Arancini di riso Siziliens. Dass der Wellische Knödel sich vom Wellensittich ableitet, ist eher unwahrscheinlich, denn das Rezept stammt aus dem Jahr 1776 und die Sittiche kamen erst 1840 nach Europa! Das Originalrezept wurde verschlankt, der Fettanteil und die Gewürze reduziert, mit dem kalten Kalbs- oder Schweinsbraten so zu einem guten Bratenrestlverwerter. Auch Hühnerfleisch eignet sich dafür. Die Ipsilanti-Knödel mit brauner Butter und Pastinaken, vermutlich nach einem griechischen General benannt, enthüllen erst beim Hineinbeißen das Besondere. Verhüllt von der Knödelmasse bestimmen Sardellenfilets und geräucherte Putenbrust das Aroma. Nimm 70 g Schmalz, treibe es flaumig ab, schlage 1 Ei dazu, dann 3 feingehackte Sardellen und 560 g gekochtes, auch fein gehacktes Selchfleisch, verlangte die Köchin dieses einzigartigen Rezeptes, das 1850 niedergeschrieben wurde. Eine weitere Besonderheit: Türkische Knödel, die wie Krautrouladen ausschauen, aber keine sind. Denn die Krautblätter wurden offensichtlich als Form die die Knödelmasse beinhalten, eingesetzt und nicht gegessen. Bei Elisabeths Version ist alles verzehrbar. Sollte vom Kraut etwas übrigbleiben, dann können Sie karamellisierte Krautfleckerln damit machen, verrät der Tipp zum Knödelrezept.
Spät dazugestoßen, bezogen auf die älteste bekannte Datierung dafür, die auf 1900 zurückgeht, sind Eckige Knödel, nach einem alten Rezept der Familie Rachinger vom Mühltalhof in Neufelden. Eng schmiegen sich die ‚Eckigen‘ im Reindl aneinander. Unter den braunen Kuppeln verbirgt sich in die Masse eingearbeitet saftiger, gekochter Bauchspeck. Mir stellt sich bei diesem Rezept die Frage: Sind Buchteln auch eckige Knödel? Das allerdings bleibt unbeantwortet und wird auch nicht weiter verfolgt. Denn nach den vielen Fleischknödel-Versionen geht es moderater weiter mit Rezepturen, deren markanteste Bestandteile aus Fisch, Semmel, Bröseln, Grieß, Mehl, Topfen, Erdäpfel, Reis, Gemüse oder Obst bestehen. Dann folgen noch Süße Knödel verschiedenster Provenienz, ob Mandel oder Schokolade, mit Apfelmost-Supperl gereicht oder mit Erdbeerragout. Den krönenden Abschluss bildet die Knödeltorte, die eindeutig eine Linzer Torte und anstelle des Gitters mit vielen winzigen Knöderln belegt ist. Ein eindrucksvolles Backwerk, das man erst am dritten Tag anschneiden soll, dann schmeckt es am besten, so empfehlen es die Knödel-Expertinnen und wir glauben es.
Mir fiel es schwer, ob der Knödelfülle mich zu entscheiden, welche Rezepte ich ausprobiere. Die Topfen-Semmelknödel mit Roten Rüben und Mohnbutter mussten gekostet werden und ich war fast enttäuscht, dass keine Rüben in die Knödel kamen. So gab es den klassischen Semmelknödel ohne Braten, aber mit Rote Bete und einen satten Sohn wie auch zufriedenes Enkelkind. Die Anleitung für Spinatknödel mit Erbseneinmachsuppe wurde vor rund vierhundert Jahren aufgeschrieben und ist kein bisschen verstaubt. Allerdings habe ich die Erbsensuppe nach einem Rezept von Yvette van Boven gemacht, das heißt, mindestens 10 Minuten pürieren. Dabei entsteht eine luftige Suppe, fast Schaumbett, worin die Spinatknödel schwimmen. Einfach köstlich.
Radikal in ihrer Einfachheit sind die Mehlballen mit Röstzwiebeln. Dass dieser ‚Mehlpampf’ schmeckt, erstaunt mich immer wieder aufs Neue. Ein Knödel, nur aus Wasser und Mehl! Verblüffend? Ja, wie auch die Vielzahl außergewöhnlicher Knödelrezepte, die im Knödelreich vorstellig sind. Rund 70 Rezepte stehen zur Disposition, haben eine lange Vorgeschichte, die erzählt werden will. Einige Hundert gerollte Knödel zum Verkosten waren notwendig, bis die Auswahl stand. Außergewöhnlich auch die Präsentation. Jedem Knödel stehen vier Seiten zur Verfügung. Dem Foodfoto folgt eine präzise Beschreibung mit ergänzenden Daten wie den Ablauf in Stichworten und Tipps. Als Sahnehäubchen gibt es einen faksimilierten Auszug vom Originalrezept, darin eingebettet ein paar Zeilen des Transkripts, damit wir wissen, was da auf Kurrent steht. Trotz seiner Datenfülle bleibt das Knödelreich überschaubar, bleiben die Autorinnen am Ball mit professionellem Gespür für den Erfolg zu einer Hommage des Knödels. Anders ausgedrückt: Im Knödelland Oberösterreich zum Knödelreich gereift, haben Elisabeth Grabmer, Katharina Seiser und Magdalena Wieser mit diesem Kochbuch allen LiebhaberInnen der runden Sache ein Himmelsgeschenk vermacht. Jetzt gilt es nur mehr zu entscheiden: Mache ich Reisknödel mit dreierlei Dips oder doch lieber den Butterknödel mit Lachsforelle und Kürbisstampf? Alles Weitere ist dann meditatives Rollen und am Ende purer Genuss.