Barbara Bonisolli, Das vegetarische Kochbuch

Callwey Verlag, München, 2016, 240 Seiten, 37.10 Euro
ISBN 978-3-7667-2183-9
Vorgekostet

Heute geht es um ein vegetarisches Kochbuch.

Irgendwo am Starnberger See lebt eine fünfköpfige Familie mit Enten, Bienen und anderem Getier. Hinterm Haus Streuobstwiesen und ein Garten in ständiger Veränderung. Es soll harmos angefangen haben; mit ein paar Kräutern und Tomaten, behauptet Barbara Bonisolli. Da wurden Beete angelegt und es wurde von Jahr zu Jahr mehr umgegraben – ähnlich wie in Kishons Blaumilchkanal verselbständigte sich das Projekt. Bonisolli „fuhrwerkt“ gern mit Händen und Füßen in der Erde herum, sät, pflanzt, jätet und erntet. Unmengen von Wirsing, Kohlrabi, Fenchel, Auberginen, Gurken, Rettich, Kürbis, Dill, Rosmarin, Salbei, was eben so anfällt, und das muss verarbeitet werden. Vieles wird sofort verkocht. Da versammeln sich Ehemann, Kinder, Freunde und Bekannte an dem großen Esstisch und werden beglückt mit Mezzelune, also Schlutzkrapfen mit Erbsen und Borretsch, oder gegrillten Sandwiches mit Artischocken oder Brokkoli mit jungen Ofenkartoffeln oder anderen Gemüsegerichten.

Fleisch gibt es immer seltener. Was im Garten reift, kommt sofort in die Küche. Der Traum eines jeden Gärtners, jeder Gärtnerin. Das läuft bereits einige Jahre so. In dieser Zeit wurden hunderte Kilo Gemüse und Obst verarbeitet, dokumentiert und fotografiert, sowie fremde und eigene Rezepturen ausprobiert. Was liegt nun näher, als diesen Datenschatz zu ordnen und in Form zu bringen. Das ist geschehen: herausgekommen ist „Das vegetarische Kochbuch“ im Callwey Verlag. Erwähnt werden sollte auch, hauptberuflich ist Barbara Bonisolli Foodfotografin.

Ihr Garten ist also Rückzugsort und Werkraum. Mehr! Ein Küchengarten, der sie in den Kreislauf des Lebens einbindet, wie es Alice Waters einmal formulierte. Dieses Kochbuch bringt viel wohlschmeckenden Garten in die Küche. Im Vordergrund stehen die angebauten Lebensmittel, deren saisonale Verwertung und die Haltbarmachung von Überschüssen. Dementsprechend ist dieses Kochbuch in fünf Jahreszeiten gegliedert. Frühjahr, Sommer, Herbst, Winter und Einmachen. Stellt man sich die Auflistung der Rezepte wie eine Diagramm vor, ergäbe das eine Gaussche Glocke. Das Angebot üppig im Sommer und Herbst, abfallend zu den Rändern in Frühjahr, Winter und Einmachen. Das zeigt sich auch bildlich in den kapiteleinleitenden Doppelseiten, die mich an Arcimboldo erinnern. Barock fast schon an Farben, Formen und Sorten diverser Gemüse und Kräuter ist das über zwei Seiten verlaufende Sommerbild. Dann folgt Schlag auf Schlag. Jedem Rezept ist ein großformatiges Bild zugeordnet. Die Fotos sind sehr dominant, kräftig in den Farben, meist das beschriebene Gericht im Fokus. Dazwischen eingestreut, abgelichtetes Gemüse im Detail, Hände, die Tomaten ernten, Eier halten, Kraut schneiden, geschnittenes Gemüse vom Schneidbrett in den Kochtopf schieben. Und dann noch – für jedes Kapitel – eine Doppelseite mit fotografischen Splittern und Gedanken der Autorin zu der jeweiligen Jahreszeit. In diesen rückt der Garten in den Mittelpunkt. Warum so viel Aufhebens um die Bilder. Nun, weil sie fast schon übermächtig zum Geschriebenem sind und perfekt bis ins kleinste Detail. Die Spuren der Arbeit und das chaotische Durcheinander, die in Garten und Küche gleichermaßen präsent sind, sind hier mit wenigen Ausnahmen ausgeblendet. Trotz dieser leise kritischen Anmerkung ist es ein gutes Kochbuch. Die Rezepte sind vielfältig wie das Angebot des Gartens. Bonisolli holt sich Anleihen von Slater, Ottolenghi und anderen Koryphäen der Kochszene, wie auch asiatische und mediterrane, vor allem italienische Gaumenreize in ihren Kochanleitungen vorhanden sind. Das verschafft Abwechslung und führt zu interessanten neuen Geschmackserlebnissen. Einige der 100 im Buch beschriebenen Rezepte habe ich nachgekocht. Alle ohne großen Aufwand, mit stimmigen Mengenangaben.

Der Spargelsalat mit Orangen-Sesam-Dressing, meiner Kartenrunde als Vorspeise serviert, gewann nicht nur wegen des Aussehens. Die bestechende Idee, Spargel längs in dünne Streifen zu schneiden, Bandnudeln täuschend ähnlich, enttarnte manches Pokerface. Der nachgereichte, gegrillte Romanosalat auf Graupenrisotto mit Erbsen schmeckte allen, selbst jenen, die mit Graupensuppe schreckliche Kindheitserinnerungen verknüpfen.

Das Frühjahr verlassend, versuchte ich auch die Rucolagnocchi mit Safranfenchel und Ricotta. Anders als in Italien überwiegend, verwendet Bonisolli mehlig kochende Kartoffeln für den Nockenteig. Und so hatten meine Rucolagnocchi mehr Ähnlichkeit mit etwas unförmigen mittelgroßen Nockerln, die zwischen dem Fenchelgemüse schön hellgrün herausstachen. Sie passen sogar perfekt zum Fenchel, wirklich köstlich.

Ein Gericht, das wegen des Germteigs mehr Zeit in Anspruch nimmt, ist der Kartoffelkuchen mit Sellerie, Apfel und Ziegenkäse. Eigentlich eine Gemüsepizza, deren Zusammensetzung ich Ihnen gerne verrate; das Kartoffelkuchenrezept befindet sich im Rezept-Ordner. Dieses wunderbare Essen lässt viel Spielraum beim Belegen. Darüber hinaus schmeckt es auch kalt. Das Rhabarberkompott aus dem Ofen rundete für mich das Essen fein ab.

Einige Gerichte müssen noch warten, bis die Zeit reif ist. Wenn Karotten, Kürbis, Rohnen und anderes Gemüse aus dem eigenen Garten geerntet werden, dann gibt es geschmorte Karotten mit Safranrisotto, Kürbisgnocchi mit Majoran, Rote-Bete-Ravioli mit frittierter Brennnessel und einiges andere mehr. Die Brennnessel ist auch Anlass für einen Blick auf das Rezeptregister. Dieses ist etwas gewöhnungsbedürftig in Obst- und Gemüseblöcken eingeteilt. D.h. man findet den Karotten-Apfel-Salat unter dem Stichwort Apfel, aber auch unter Karotten. Die oben erwähnten frittierten Brennnessel findet man unter Rote Bete und unter Kräuter, wie auch Gerichte mit Thymian, Rosmarin oder Basilikum. Wie bereits gesagt, das ist gewöhnungsbedürftig.

Sympathisch an Bonisolli und ihrem vegetarischen Kochbuch ist, dass sie sich als Person sehr zurückhält. Fast nebenbei wird eine kleine Geschichte über eine Frau und ihren Garten mit Bildern erzählt.

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