Dominik Süss, Einfach Herzhaft & Süss

Fotografie von Kevin Ilse

Brandstätter Verlag, Wien, 2025, 176 Seiten, 30.- Euro

ISBN 978-3-7106-0864-3
Vorgekostet

Heute bleiben wir in ÖSTERREICH.

In Oberkappel, im idyllischen Mühlviertel an der Grenze zu Bayern, nahe der Donau. Nicht dort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, sondern im Gasthof Süss, wo sich einem aufstrebenden Jungspund die österreichische Gastfreundschaft verinnerlicht hat, der die Freude am Kochen entdeckt. Dort lebt Dominik Süss zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern, kocht mit seinem Vater für eine immer größer werdende Gästeschar auf. Das Wirtshaus betreibt die Familie in vierter Generation. Und notabene war für Dominik die Oma wichtig. Sie taucht immer wieder in seinem ersten Kochbuch auf. Dominik, so verspielt wie eben ein 25-jähriger sein darf, ist auf dem Titelbild als Pfannenschwinger zu sehen. Jedenfalls gelungen und ein Hingucker allemal, werden sich weibliche Kochbuchfans denken. Einfach Herzhaft & Süss ist im Brandstätter Verlag erschienen.

Auf fünf Kapitel verteilt, sind die Rezepte und Ideen des Nachwuchskochs.

Im ersten Abschnitt, Servus, Sweety offeriert er uns seine Mission, nicht ohne dabei auf die eigene Familiengeschichte zurückzugreifen, ganz so wie die meisten Autoren es machen. Ein wenig zu angepasst kommt mir das vor, aber vielleicht ist er ja auch der Typ dazu. Jedenfalls sind in diesem Einleitungskapitel jene 25 Utensilien aufgelistet, die er unbedingt in der Küche benötigt, samt dem zugehörigen QR-Code, ein Link zu shopify, wo Sie, sollte Ihnen eines dieser Küchen-Must-haves fehlen, diesen Teil bestellen können. Ja, so sind die neuen Zeiten, an die wir uns auch gewöhnen müssen. Fehlt eine Zutat, dann kann man diese zeitnah zum Kochen online bestellen. In weiterer Folge legt Dominik seine drei wichtigsten Regeln auf den Tisch. Ja wirklich, auf den Tisch, denn die erste betrifft die Vorbereitung, die ist im Originalton das halbe Leben und meint Mise en Place. Maßgebend auch die Forderungen, mutig zu würzen und natürlich regionale und saisonale Zutaten zu verarbeiten, die einfach frischer und besser schmecken. Dem folgt ein Crashkurs in Sachen Geschmacksbalance in dem das Geheimnis jedes guten Gerichts gelüftet und häufig verwendete Zutaten dem Gaumensinn von bitter bis umami zugeordnet werden. Zum Drüberstreuen gibt es noch 10 Tipps und Tricks, damit wir loslegen und sofort besser kochen können. Das ist ja auch ein Ziel dieses Kochbuchs.

Jetzt erst tauchen wir ein in Dominiks Welt der Rezepte, die den Kapiteln Vorspeisen & Suppen, Hauptspeisen, Wirtshausgeheimnisse, Süße Versuchung und Dominiks Basics untergeordnet sind.

Es beginnt also mit Flüssigem, Zum Starten oder für den kleinen Hunger zwischendurch und meint, Die wichtigsten klaren Suppen vom Rind, Huhn und von Gemüse. Die Kürbissuppe ist schon etwas ausgefeilter, werden doch die Hauptprotagonisten Hokkaido- und Butternusskürbis mit Rindsuppe aufgekocht und mit Weißwein, Milch, Orangensaft, Butter und Sahne verfeinert. Dem cremigen Süppchen den letzten Schliff geben Kurkuma und Muskatnuss und wer will, kann sie noch mit Kürbiskernen und -kernöl garnieren, was aber nicht sein muss. Noch besser gefallen hat mir die Grießnockerlsuppe in ihrer radikalen Einfachheit, die selbst meine schnell nase-rümpfende Enkelin Nika vorbehaltlos löffelte. Hummus wird in der Regel aus Kichererbsen gemacht. Dominik kreiert einen Weiße-Bohnen-Hummus, der den Vorteil hat, dass man die eigenen Gartenbohnen verwenden kann. Aber dieser Hummus schmeckt doch etwas anders, das leicht Erdige der Kichererbsen fehlt mir.

Behutsam schält sich der Autor aus dem Schatten des eh-Bekannten. Dabei fällt Opas-Milirahmsuppe recht sparsam aus. Wo andere Köche mit Rinderbrühe und Sahne nicht geizen, rührt Dominik Wasser mit Sauerrahm und Sauermilch zusammen, ganz traditionell. Nach und nach wird Dominiks Handschrift deutlicher, so mein Eindruck. Sweety’s Vegan Beef Tatar bekommt mit Kapern und Tabasco eine etwas eigenwillige Note. Endgültig aus seinem Schatten tritt der Koch mit Domis weltbestem Kartoffelsalat, dessen Entstehen einer Familienzusammenführung ähnelt, verdankt er doch die Grundelemente seiner Tiroler Küchen-Omi, die von der Oberkappler Oma ergänzt, dann von himself zusammengebaut wurden, wenn ich es richtig verstanden habe. Zudem verpasst er seinem mega Erdäpfelsalat ein Geschmackstuning mit Estragonsenf und Muskatnuss, was wohl jene, die diese kulinarischen Freiheiten mögen, auf Domis Kartoffelsalat einschwört.

Im Kapitel 2 geht es um Hauptspeisen, die, so Dominik, Großes Kino in deine Küche zaubern können. Das Buttermilk Fried Chicken ist ein Mitbringsel aus seiner Vancouver-Zeit und ein typisch amerikanisches bzw. kanadisches Gericht. Was die Menschen ‚über dem Teich‘ sehr gut beherrschen, sind nicht nur great sayings, sondern vor allem das Frittieren, wie besagtes  Henderl. Dazu zählen auch Das perfekte Rib-Eye-Steak oder der Beer Pulled Pork Burger. Sie bilden einen Kontrapunkt zu den vielen Rezepten, die auf italienische, österreichische und ungarische Küchentraditionen zurückblicken. Sensationell gut ist das Österreichisch-ungarische Gulasch, das so gut schmeckt, dass nichts übrig bleibt und man den Beweis, dass Gulasch nur aufgewärmt am besten schmeckt, nie antreten kann. Und weil sich die Pasta immer wieder neu erfinden muss, offeriert uns Dominik eine Signature Gin Pasta. Jedenfalls wirkt sich dieses Nudelgericht, das mit oder ohne Fleischigem ein Liebesbeweis in einer Beziehung sein kann, schon wegen des Wacholdergetränks positiv auf Herz und Kreislauf aus. Der Flammkuchen erinnerte mich daran, dass er unglaublich schnell gemacht werden kann, zudem er ein gschmackiger und perfekter Feierabendsnack ist, wie der Koch anmerkt.

Dominik umschreibt gerne und oft seine Gerichte mit weltbestes oder perfektes – also ultimativ bestes – Rezept wie bspw. Domis weltbeste Rote-Bete-Knödel oder Der perfekte Fisch.

Das Erdäpfelgulasch kommt ohne Superlative aus und erinnern ihn an seine Kindheit, vor allem an seine Oma, die offenbar dieses Essen mit fühlbarer Hingebung zubereitete. Heute noch gibt es an manchem Sonntagnachmittag das original Erdäpfelgulasch bei Tante Marianne, perfekt geschnitten und mit besonders viel Liebe zubereitet. Das Rezept ist abgedruckt, Sie sollten es ausprobieren, aber wieviel Liebe in ihr Gulasch einfließt, hängt von Ihnen höchstpersönlich ab.

Im Wirtshausgeheimnisse-Abschnitt zeichnen sich die Rezepte wegen ihrer Gasthof-Süss-Originalität aus. Von der Knoblauchsuppe bis zu Süss-Omas Kaiserschmarren reicht die Palette an Schmankerln mit regionaler Färbung. Warum der Süss Oma ihr Kaiserschmarren viel besser sein soll als der meiner Mutter oder gar meiner Oma, lässt sich aus dem Rezept nicht herauslesen. Dafür haben mir die Topfenknödel mit braunen Butterbröseln und Holunder-Marillen-Kompott das schönste Kompliment meiner Enkelinnen beschert, die meinten, so gute hätten sie noch nie gegessen. Anstelle des Kompottes habe ich einen Zwetschgenröster dazu serviert.

Wir sind, wie nicht schwer zu erraten, in der süssen Abteilung der Süss’ gelandet. Am Germknödel kommt man da nicht vorbei und auch nicht an der Erkenntnis, dass diese selbst gemacht einfach besser schmecken. Dies gilt auch für die Zimtschnecken die eher an Zimtknoten erinnern und Kenner wohl an Kopenhagen. Mich überfiel allein schon beim Lesen des Rezepts ein leises Fernweh und ein feiner Geschmack von Zimt belegte die Zunge. Die Eierlikör-Torte ist zwar nicht meins, aber meine Nachbarin liebt Eierlikör und jetzt das Rezept für dieses außergewöhnlich saftige Backwerk.

Am Ende aber sind es Dominiks Basics, die Dressings und Grundrezepte für den Kochalltag. Auch Brotrezepte, die mehr als nützliche Ergänzungen im alltäglichen Kochbetrieb sind. Etwa die Burger Buns für die Beer Pulled Pork Burger oder das Joghurt-Meerrettich-Dressing für das Anrichten des Chinoa-Bowl mit Pilz-Bites und Kürbis-Feta. Da stoßen wir auch auf das Rezept für Spätzle, eben diese Mini-Nockerln, die Dominik auf dem Titelbild durch die Luft wirbelt.  

Dominik Süss Kochbuch Einfach Herzhaft & Süss ist gute österreichische Küche mit europäischen Anleihen bis hinüber nach Kanada. Dabei bedeutet Herzhaft gekocht nicht immer deftig, zumal auch sehr viele Mehlspeisen vorkommen. Text und Foodfotos sind ordentlich gemacht. Ergänzt werden die Rezepte teilweise mit einem QR-Code, der zuerst zu Kooperationsfirmen führt mit Werbeeinschaltung, wo man sich dann mühsam durchklicken muss um zum Koch-Video mit Dominik zu kommen. Das hat mir gar nicht gefallen. Dagegen meine ich die Icons, die hinweisen ob das Rezept Lactosefrei ist, Fleisch enthält etc., sehr nützlich. 

In Einfach Herzhaft & Süss finden sich viele Rezepte der guten alten Wirtshausküche, die sich leicht in unserer individuellen Alltagsküche umsetzen lassen. Es ist auch eine Aufforderung, Tradition und Familiensinn hochzuhalten. Sichtbar wird’s in manchen knappen persönlichen Querverweisen, die sich mitunter in den Rezepttiteln manifestieren, etwa bei Omas weltbestem Kaiserschmarren.