Jasmin Parapatits, Eine Portion Liebe

Kulinarische und literarische Verführungen

Fotografiert von Miriam Primik und illustriert von Christian Moisl
maudrich Verlag, Wien, 2018, 176 Seiten, mit Lesebändchen, 23.60 Euro
ISBN 978-3-99002-060-9
Vorgekostet

Heute reisen wir ins Land der LIEBE.

Ja, wo ist denn dieses Land bloß? Geographisch lassen sich romantische Orte wohl am leichtesten über die statistische Häufigkeit finden, also jene Orte, die Verliebte häufiger aufsuchen als andere. Zum Beispiel Schottland oder die Niagara-Fälle oder Venedig oder einsame Meeresstrände oder Lesbos oder Blumenwiesen oder oder … Selbst im Atlantik findet man die Liebe.

Dem Hering wird ums Herze warm,
denn er hat endlich einen Schwarm.
Befindet Wolfgang Kracht mit dem Gedicht aus tiefsten Tiefen.

Und das ist nun auch eine erste Spur ins Land der Liebe. Nämlich über die Literatur. Wenn auch nicht jeder literarische Hinweis überzeugt. Etwa im Gedicht von Victor von Scheffel, wo ein Hering in eine Auster verliebt ist und jeden erdenklichen Kniff anwendet um der spröden Auster einen Kuss abzuringen, mit fatalem Ausgang. Denn zwei Strophen später heißt es:

Nur eines Tags erschloß sie
Ihr duftig Schalenpaar;
Sie wollte im Meeresspiegel
Beschauen ihr Antlitz klar.
Schnell kam der Hering geschwommen,
Streckt seinen Kopf herein
Und dacht‘ an einem Kusse
In Ehren sich zu freun!
O Harung, armer Harung,
Wie schwer bist du blamiert!
– Sie schloß in Wut die Schalen,
Da war er guillotiniert.

Nun, soweit wollen wir die Liebe nicht strapazieren, auch den Atlantik wohl eher ausschließen. Und halten es hier doch mehr mit Casanova, der in der Geschichte meines Lebens festhielt:

„Ich brannte vor Begierde, ich schickte mich an, diese zu befriedigen, aber es bedurfte nur eines Kusses, um mich zu beruhigen, und der Worte: Warte bis nach dem Essen!“

Was Casanova damals gegessen hat, wird nicht verraten, dafür einige andere Vorspiel-Rezepturen in Jasmin Parapatits Kochbuch der kulinarischen und literarischen Verführungen. Eine Portion Liebe ist bei maudrich erschienen.

Parapatits ist Literaturwissenschaftlerin, leidenschaftliche Köchin und sie hat einen Chauffeur, Abwäscher, Einkäufer und Testesser namens Alexander. Der war wohl in gewisser Weise auch Vorkoster, von all jenen Speisen, die die Autorin in ihrem Buch versammelt hat. Gut, so blutrünstig wird es nicht zugehen im Hause Parapatits, und Jasmin wird ihren Galan wohl eher verwöhnen. Mit verliebten Blicken aus Martin Suter Der Koch vorlesen; zwischendurch ihrem Herzallerliebsten einen Löffel Mandelpudding mit Amarettosauce  … Nein, nein, so genau wollen wir es gar nicht wissen. Jedenfalls waren es mindestens 30 Rezepte die ob ihrer Liebestauglichkeit getestet werden mussten an einem Liebesort, irgendwo im Osten Österreichs. Und wir dürfen sie anwenden, unseren Liebsten, unsere Liebste betören mit himmlischen Düften der Grünen Petersilinwurzelsuppe mit Mandelblättchen oder Chilihuhn auf gedünstetem Fenchel oder Pasta mit Wodka und Kaviar oder Mohnpudding mit Zwetschgenkompott. Als Overtüre gibt es vielleicht einen Basilikum-Cocktail mit zweierlei Crostini. Ich habe meine Liebste mit Champagnergelee mit Erdbeeren verwöhnt. Dem folgte eine Tomatensuppe á la Mankell, richtig der Krimiautor. Ich werde dieser besonderen Suppe nie überdrüssig, wenn Mankell, das erzählte er mal, auch damit seine Frauen gelegentlich zur Verzweiflung getrieben hat. So nahe können Liebe und Abneigung zusammen liegen. Allerdings hat uns die Tomatensuppe sehr gemundet, ebenso das Folgegericht, Kartoffelnest mit Wachtelei. Als Zwischengang, gab es nicht nur ein Bützchen, sondern auch eine kurze Lesung aus Suters Der Koch.

„Noch am gleichen Abend machte er sich an die Arbeit. … Bis in die Morgenstunden rotierte der Verdampfer mit verschiedenen Inhalten, weißes Curry, mit Milch und Kichererbsenmehl verquirlter Sali-Reis und – natürlich – das unnachahmliche Kokosöl mit Curryblättern und Zimt.

In einer Pfanne klarte auf kleiner Flamme frische Butter zu Ghee, und in tönernen Gefäßen vermählten sich warmes Wasser und geriebene Kokosnuss zu Milch.

Es dämmerte schon, als Maravan sich auf seine Matratze auf dem Schlafzimmerboden legte zu einem kurzen, von seltsamen erotischen Träumen immer wieder auf das Angenehmste unterbrochenen Schlaf.“ (Der Koch)

Der Kalte Gewürz-Milchreis war wohl von Maravan inspiriert, enthält der Nachtisch doch auch Ingredienzien, die aphrodisierend wirken. Wie Muskat und Kardamom. Beide werden von Parapatits ausführlich vorgestellt. Damit sind wir auch beim Aufbau ihres Kochbuchs. Dem Vorwort folgt ein langer Abschnitt über Verführerisches Wissen. Gemeint sind die die aphrodisierenden Lebensmittel, lexikalisch gelistet. Ausreichend beschreibt sie die taxonomische Zuordnung der meist pflanzlichen Aphrodisiaka. Ausnahmen sind Austern, Champagner, Kaviar und Muscheln, die auch aphrodisisch wirken. „Casanova behauptete, dass ein Mann gut fünfzig Austern im eigenen Saft schlürfen muss, um seine Manneskraft zu stärken.“ Die Autorin lässt aber nicht nur historische Geschichtchen hier einfließen, sie beschreibt auch die Düfte, welche Spurenelemente sie enthalten, wann sie beim Kochen eingesetzt werden und einiges mehr.

Dem Wissensblock nachgereiht sind dann die Rezepte, sehr sinnlich fotografiert von Miriam Primik. In diesem Hauptteil fließen auch die literarischen Verführungen lose ein. In grauer Schrift auf dunkelrotem Hintergrund, sehr verführerisch:

„Immer bereit zu sei, ihr Herz herauszureißen, es auf die Zunge zu legen und zu zeigen, dass auch der restliche Körper für den Herrn zubereitet ist, …“ wird Elfriede Jelineks Lust zitiert.

Bekannte und weniger bekannte Autoren und SchriftstellerInnen werden vorgestellt. Der Bogen von Allende über Kleist bis Suter gespannt, sehr mitteleuropäisch geht es hier zu. Warum die literarischen Zitate nicht im Inhaltsverzeichnis aufgelistet sind, bleibt wohl ein Geheimnis. Am Ende des Kochbuchs finden sich nicht nur Menüvorschläge, sondern auch ein ausführliches Register und weiters eine knappe Warenkunde sowie Quellenverzeichnis. Zu guter Letzt wird das Team mit Kurzvita und Foto vorgestellt, vor dem die Autorin ihre Augen, so scheint es, verschließen musste. ‚Schau mir in die Augen, Kleines‘ könnte daher metaphorisch als indirekter Hinweis für das nächste Kochbuch verstanden werden, das sich mit Essen im Film beschäftigt. Ich aber bleibe am Tisch und esse Granatapfel-Tiramisu, nicht nur wegen des potenzstärkenden Stoffes Piperidin, im Granatapfel. Auch, aber es schmeckt einfach himmlisch.

Eine Portion Liebe von Jasmin Parapatits ist sehr nett aufgemacht, mit Liebe zu Details. So werden wir AnwenderInnen von illustren Wesen in lustigen Posen immer wieder überrascht und aufgemuntert. Der Einführungstext ist sehr locker und informativ und versucht einige Aspekte in gebotener Kürze aufzuzeigen, die Essen und Erotik miteinander verbinden. Dabei wird nicht eindeutig zwischen Liebe, Erotik und Geschlechtsverkehr getrennt, das muss es auch nicht. Jasmin Parapatits kleine Abhandlung über Eine Portion Liebe spiegelt viele Facetten Aphrodites kulinarischer Verführungskünste wider. Nun – wir halten es mit Oscar Wilde:

„Nach einem guten Essen kann man jedem verzeihen, auch der eigenen Verwandtschaft.“ 

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